Rollentrainer

Ihre Frage an Dr. V. Love

Dr. V. Love, Velosoph (dr.v.love@velojournal.ch)
VLove, 20.11.2020


Lieber Dr. V. Love

Ich fahre nicht gerne bei Dunkelheit Velo. Somit fällt meine Feierabend­runde während der Wintermonate aus. Nun überlege ich, mir einen Rollen­trainer anzuschaffen und meine Fahrten in den virtuellen Raum zu verlegen. Darf ich mich dann trotzdem noch Gümmeler nennen?

Freundliche Grüsse
Simon K., Pontresina

Lieber Herr Klarsicht

Die Frage hinunter in den Hobbykeller, wo ihre Rolle zu stehen kommt, ist doch: Wollen Sie sich denn Gümmeler nennen? Der Ausdruck kommt ja aus dem Jargon der echten Cracks (oder derer, die sich dafür halten) und ist leicht despektierlich gemeint: Gümmeler, das sind die Velofahrer, deren kreischbunte «Profi»-Tricots über dem Bauch spannen, die sich in der Gartenbeiz mit Bier und Nikotin mental auf die nächste Passfahrt vorbereiten und eine besondere Vorliebe fürs Windschattenfahren an den Tag legen. Die Möchtegerns. Die Bürogummis, die nach Feierabend auf ihren überteuerten Carbon-Rennrädern herumposen.

Nun: Ich habe das Gefühl, Sie wissen das eh, es ist Ihnen egal – und dieser lockere Menefreghismo ist die korrekte Einstellung, ob auf der Strasse oder auf der Rolle. Zudem ist das Hometraining quasi die Ausdehnung des Homeoffice auf sportliche Aktivitäten – Sie befänden sich somit in perfektem Einklang mit den aktuellen Empfehlungen rund um das Coronavirus. Wenn Sie noch das Kellerfenster öffnen, um die Frischluftzufuhr sicherzustellen, hätte Alain Berset lui-même Freude an Ihnen.

Kleiner Tipp: Hängen Sie den alten Flatscreen an der Wand auf, um während öder Rollenfahrten Ihre Tour-de-France-DVDs wieder einmal in aller Ruhe durchzuschauen. Denn bleiben Sie zu Hause, können Sie hemmungslos so tun, als würden Sie wie Beat Breu auf die Alpe d’Huez bergflöhlen oder wie Marc Hirschi mit einem trockenen Konter auf die Attacke von Marc Soler reagieren, den Spanier im steilen Anstieg zum Suc au May stehen lassen und den Etappensieg einfahren. Gümmeler hin oder her, Sie können unten im Keller Ihre Lieblingstricots tragen, die Gänge fahren, die Ihnen am besten passen, den verwegenen Ritten Ihrer Helden zuschauen und mit ihnen auf der Zielgeraden die Hände hochreissen. Also: Lieber auf die als völlig ab der Rolle!

Ah, ja: Biere kühlen nicht vergessen!

Winkt Richtung Siegerehrung: Dr. Love

Ihre Fragen an: dr.v.love@velojournal.ch