Postillon d’Amour

Das noch nicht ganz 18-jährige Landei Jojo ist von zu Hause abgehauen, um in Wien das Grossstadtleben kennenzulernen. Dort verdingt er sich als Velokurier.

Bruno Angeli, Autor (info@bruno-angeli.ch)
Film, 30.05.2018

Im Spielfilm «Tempo» teilt sich Jojo (Xaver Hutter) zusammen mit seinem Kumpel Bastian (Simon Schwarz) eine schäbige Hinterhofbleibe in Wien. Beide arbeiten als Velokuriere und teilen eine gemeinsame Leidenschaft, die im Wien der Neunzigerjahre sehr angesagt ist: Techno. Der junge Jojo besucht abends mit Bastian gerne die legendären Gasometer-Raves. Sein Leben auf dem Land scheint er weit hinter sich gelassen zu haben. Jojo ist von zu Hause abgehauen und möchte in Wien etwas erleben. Zunächst sind seine Tagträume das Aufregendste, was ihm widerfährt. Doch bald werden diese von der Realität in den Schatten gestellt. Schuld daran ist der dubiose Geschäftsmann Bernd (Dani Levy), ein Kunde von Jojos Arbeitgeber. Der junge Velokurier bekommt den Auftrag, einen Brief und eine Blume an Clarissa (Nicolette Krebitz) zu überbringen. Es bleibt nicht bei einer Fahrt. Jojos Botengänge von Bernd zu Clarissa werden zum Dauerauftrag. Der Velokurier sieht sich dabei als Postillon d’Amour, verliebt sich aber selber in die junge Frau. Als es dann auch noch zwischen Jojo und Bernd zu einem Techtelmechtel kommt, wird die ganze Angelegenheit weiter kompliziert. Bernd macht sich dann aber bald mit folgender Aussage unbeliebt: «Meiner Meinung nach hat Fahrradfahren überhaupt nichts mit Lebensgefühl zu tun, sondern schlicht und einfach mit finanzieller Beschränktheit.» Und weiter: «Du darfst erst darauf antworten, wenn du genug Geld für ein Auto hast.» Eine erneute Wende erfährt der Plot, als Clarissas Vater Jojo mit einem Gewehr bedroht. Nun dämmert dem jungen Velokurier, dass die Beziehung zwischen Clarissa und Bernd keine amouröse ist. Als dann auch noch Neonazis und andere gefährliche Gestalten hinter Jojo her sind, weiss er, dass nun das echte Leben seine Tagträume in den Schatten stellt.

Schnelle Schnitte
Einem breiten Publikum wurde der österreichische Filmemacher Stefan Ruzowitzky 2008 bekannt. Damals erhielt er bei der Oscar-Verleihung die goldene Trophäe für den Spielfilm «Die Fälscher». «Tempo» ist der erste Spielfilm des Regisseurs und Drehbuchautors und zeichnet sich durch die von Rave beeinflussten schnellen Schnitte und die entsprechende Clip-Ästhetik aus. Passend dazu stammt die Filmmusik zum Teil aus der Feder von Peter Kruder – Teil des international bekannten DJ-Duos Kruder & Dorfmeister. Mit Dani Levy, der den unsympathischen Bernd verkörpert, spielt ein in der Schweiz bestens bekannter Schauspieler im Film mit. Der 1957 in Basel Geborene erlangte hierzulande durch die Rolle des Küchenburschen Peperoni in der Fernsehserie «Motel» (1984) grosse Bekanntheit. Zuletzt erschien von Levy der Streifen «Die Welt der Wunderlichs» (2016). Fazit: «Tempo» gilt heute als Zeitdokument und ist nach wie vor sehenswert.



«Tempo» (Österreich 1996)
Regie & Drehbuch: Stefan Ruzowitzky
Mitwirkende: Xaver Hutter (Jojo), Simon Schwarz (Bastian), Nicolette Krebitz (Clarissa), Dani Levy (Bernd), Michou Friesz (Chefin des Velokurier­geschäfts)
Produktion: Manfred Fritsch, Danny Krausz, Kurt Stocker
Musik: Peter Kruder, Patrick Pulsinger
Kamera: Andreas Berger    
Schnitt: Britta Nahler
Sprache: Deutsch
Bemerkungen: Auf DVD oder als Streaming-Film (z. B. bei iTunes) erhältlich.

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