Parkieren oder pedalen?

Nach dem Ja zum «Bundesbeschluss Velo» stellt sich die Frage, wo all die gewünschten Velowege in Zukunft durchführen sollen. Wieso nicht bei den Stehzeugen – pardon: parkierten Autos – ansetzen?

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Nicole Soland
29.11.2018

Das Velo ist in der Verfassung angekommen – Zeit für den nächsten Schritt: mehr Velowege, bitte! Dafür allerdings braucht es vor allem eines: Platz – und der ist hierzulande bekanntlich knapp. Geht es ums Wohnen, reden alle vom «Verdichten», und wer über mehr als 35 Quadratmeter Wohnfläche pro Nase verfügt, soll gefälligst ein schlechtes Gewissen haben: Fläche, Platz, Raum – das ist der wahre Luxus im Jahr 2018!

Tatsächlich? In grossen wie in kleinen Städten, in der Agglo wie im Dorf säumt er die Strassen, mal «blaue Zone» genannt, mal «Laternengarage» – Park­raum am Meter, wohin das Auge blickt. Wer sich eine Parkkarte für diese Zonen in seinem Wohnquartier kauft, darf dort beispielsweise in Zürich ein Jahr lang unbeschränkt parkieren, und das für 300 Franken. Wer hingegen in derselben Stadt einen Parkplatz in einer Tiefgarage mieten will, blättert dafür locker 150 oder auch 200 Franken hin – pro Monat, versteht sich.

«Knapp» ist der Platz somit nicht, aber «in festen Händen»: Wer ein Auto besitzt, darf damit den öffentlichen Raum verstellen. Gleichzeitig gibt es in Tiefgaragen unter privaten wie städtischen Wohnsiedlungen viele freie Plätze, jedenfalls in ­Zürich. Doch weshalb sollten die Autofahrer­Innen diese für teures Geld ­mieten, wo es doch günstigen Platz am Strassenrand hat? Die unterbelegten Tiefgaragen verteuern derweil die Wohnungsmieten, was auch jene MieterInnen zu spüren bekommen, die gar kein Auto haben.

Warum ist das so? Wer bestimmt eigentlich, dass es fürs Wegschmeissen eines Coffee-to-go-Bechers im öffentlichen Raum eine Busse gibt, während das ­unbeschränkte Belegen von etwa 13 ­Quadratmeter öffentlichen Raums in der blauen Zone für einen symbolischen Betrag als völlig normal gilt? Das Auto ist halt das Statussymbol, es darf das?

Nein, so unangefochten die Nummer eins im Verkehr wie in früheren Zeiten ist das Auto nicht mehr. Doch das ganze Verkehrssystem, inklusive Parkierung, ist immer noch voll aufs Auto ausgerichtet, und da liegt das Problem: Viele Politiker­Innen verkünden gern, sie wollten das Velo fördern. Aber sie wollen nicht diejenigen sein, die den Leuten erklären, wie sich das am besten machen lässt. Zum Beispiel so: Die blaue Zone wird abgeschafft oder zumindest halbiert. Wer sich ein Auto kaufen will, muss nachweisen, dass er einen Parkplatz auf privatem Grund gemietet hat. Park- respektive Halteplätze im öffentlichen Raum gibt es nur noch für Behinderte, Besucher, Kundinnen, Lieferanten und Taxis. Der frei werdende Raum am Strassenrand wird zum Veloweg, und das Trottoir gehört endlich wieder den FussgängerInnen. Bleibt noch die Gretchenfrage: Würden Sie die PolitikerInnen wählen, die solche Vorschläge machen? Oder schimpfen Sie lieber darüber, dass es «keinen Platz fürs Velo» hat?


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