Ortstermin: Am Nabel des Velo­geschäfts

Das Logistikunternehmen Zibatra hat mit Lagerung, Bereitstellung, «Ready-to-Ride»-Auslieferung und innovativen Transportangeboten ein neuartiges, exklusives Geschäftsfeld erschlossen.

Peter Hummel, Autor (mail@cyclinfo.ch)
Hintergrund, 02.02.2022

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Stefan Gächter denkt in grossen Dimensionen: Von den gegenwärtig im Schweizer Markt abgesetzten gut 500 000 Velos sollen bald die Hälfte unter Mitwirkung von Zibatra gehandelt werden. Mit dem 2024 in Betrieb kommenden neuen Gebäude können sogar 70 000 Velos in Kartons zwischengelagert und pro Jahr 90 000 endmontiert werden. Was grossspurig klingen mag, hat der Zibatra-Geschäftsführer innert sechs Jahren zu einem cleveren Geschäftsmodell entwickelt.

«Führende Marken können es sich nicht mehr leisten, Kunden eine Woche auf ein Velo warten zu lassen.»
Stefan Gächter, Geschäftsführer Zibatra

In dieser Zeit übernahm das Logistikunternehmen für Grossverteiler wie Athleticum oder Coop die Fahrbereitstellung der zu zwei Drittel vormontierten Neuvelos sowie die Auslieferung an die Filialen. 2018 beschloss Zibatra einen Strategiewechsel: Zum einen setzt das Unternehmen seither zusätzlich auf die Bedienung von Fachhandel und B2C-Vertreibern: So begann man sich um die Auslieferung für Onlineanbieter wie Brack, Mybikeplan, aber auch M-Way oder Cylan zu kümmern. Zum andern erweiterte Zibatra sein Dienstleistungsangebot für Produzenten, Importeure und Fachhändler. Darunter die Lagerung.

Wachsende Drehscheibe

Für grosse Inlandhersteller wie etwa Flyer macht das Unternehmen gar die logistische Triage der kompletten Produktion. Auch werden zunehmend Importmarken für eine Zwischenlagerung gewonnen, mit dabei Bulls, Kettler, Klever, Rondo oder Wheeler. Gächter dazu: «Führende Marken können es sich nicht mehr leisten, Kunden eine Woche auf ein Velo ab einem Europalager warten zu lassen.»

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Der (Ve-)Logistiker: Stefan Gächter, Geschäftsführer der Zibatra Logistik AG. (Bild: Zibatra)

Hinzu kommt das Endmontage-Angebot. Damit vermag das Unternehmen das Problem der saisonal variierenden Arbeitsbelastung lösen. Zibatra selbst vermag auch in der Montage damit gut umzugehen: Von den bis zu 30 Monteuren sind etwa zwei Drittel Temporärangestellte, die zu Beginn ein internes Schulungsprogramm durchlaufen. Und ein Drittel ist ab anfangs Jahr für acht bis neun Monate fest angestellt. Einige Spezialisten arbeiten in der eigenen Ausbesserungswerkstatt, um Schäden oder Mängel ab Werk zu beheben.

Spielmacher und Innovator

Mit diesem Angebot hat sich Zibatra hierzulande ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Gemäss Gächter könne man heute «Spielmacher-Qualitäten» anbieten. So werde etwa für eine Importmarke der Transport vom Europavertrieb in die Schweiz organisiert, die Zwischenlagerung und eine allfällige Aufmontage vorgenommen und dann innert Tagesfrist ausgeliefert.

CEO Gächter ist ein Mann, der auch um Ecken denkt und Synergien ausschöpfen will – etwa in der Bündelung von Transportfahrten. Denn nur so lässt sich in der Logistik Geld verdienen. Sein Unternehmen sieht er als «Mehrwert- und Innovationsgenerator». Letztes Jahr wartete er gleich mit drei Neuerungen auf: Durch den stockenden Nachschub in der Coronakrise helfen sich Fachhändler immer häufiger mit gesuchten Modellen aus und Konsumenten kaufen vermehrt Velos online. Für beides braucht der Handel eine zuverlässige, effiziente Transportlösung.

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Zibatra verfügt aktuell über eine jährliche Umschlagkapazität von 200 000 Velos. (Bild: Peter Hummel)

Hier setzt seit letztem Frühling das neue Logistikangebot «Moving Bikes» an: Zibatra holt das Fahrzeug beim Auftraggeber ab und liefert es innert zwei bis drei Tagen ans angegebene Ziel – wahlweise verpackt oder fahrbereit aufgebaut. Dies ohne Vertrag, für eine einfache Liefergebühr. Dabei kann es sich um einen anderen Betrieb oder einen privaten Kunden handeln. Hierzu wurde eigens eine digitale Verschiebungsplattform auf der Webseite aufgesetzt.

Nachtkombi statt Einzelkuriere

Das nächste Projekt erachtet Stefan Gächter als bahnbrechend für die Velobranche: «Moving Night» ist ein Sammeltransport, der im Nachtsprung Bestellungen von Grossisten zu Einzelhändlern befördert. Damit trägt Zibatra der Tatsache Rechnung, dass vom Handel zunehmend mehr einzelne Artikel statt Massenbestellungen geordert werden. Im September 2021 startete ein Pilot mit einigen führenden Distributoren, namentlich Fuchs-Movesa, Intercycle sowie TST-GPR und den Händlern der Swiss Prime Bike Group. Für den regulären Service lägen bereits Zusagen von insgesamt acht Grossisten vor, und händlerseitig seien bis 2023 die 500 grössten Fachbetriebe angepeilt, die gut zwei Drittel des Umsatzes generieren, so Gächter.

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Die Corletten erlauben den Transport von unverpackten Velos, kombiniert mit Kartons oder Stückgut. (Bild: Peter Hummel)

Anstatt dass bis zu einem halben Dutzend KED (Kurier Express Dienste), wie DHL, DPD, Fedex, UPS oder die Post im Lauf des Morgens separat vorfahren, bündelt «Moving Night» die Pakete in regionalen Kombitransporten und liefert vor Ladenöffnung ab, in einen Ladenraum oder eine Schliessbox. Ein zusätzlicher Vorteil gegenüber anderen Kurierdiensten soll laut Gächter die Samstagszustellung sein. Für diesen Kombiservice sei Zibatra prädestiniert, weil der nächtliche Lieferungsdienst schon für die Buchbranche unterwegs ist und damit die Effizienz und die CO2-Einsparung noch grösser wird.

Schlauch-Sammlung auf der Rückfahrt

In Verbindung mit «Moving Night» wurde im letztem Oktober die dritte Neuerung lanciert, «Moving Schwalbe», als Teil des Schlauch-Recycling-Programms des deutschen Reifenherstellers. In dessen Auftrag werden die leeren Rückfahrten des Nachtlieferdienstes zur Einsammlung alter Veloschläuche (jeglicher Hersteller) optimal genutzt.

In grösseren Mengen und koordinierten Fahrten werden diese via Deutschland nach Indonesien geführt, wo das Material als Sekundärrohstoff
für die Produktion neuer Schläuche wiederverwertet wird. Trotz des langen Transportwegs können laut Schwalbe durch dieses Recycling 80 Prozent der Energie eingespart werden, die für die Produktion mit neuem Butyl anfallen würde (mehr dazu hier).

Logistikübernahme für Intercycle

Zusätzlich hat Zibatra eine weitere gewichtige Branchenpartnerschaft ergattert: Seit Januar 2022 spediert man für die Intercycle AG nicht nur Velos, sondern das gesamte Zubehör- und Ersatzteilsortiment; vorerst noch aus Sursee, ab 2024 vom neuen Lager in Rickenbach aus. Durch die Zusammenarbeit übernimmt Zibatra auch die Mitarbeitenden der firmeneigenen Logistik von Intercycle zu einem grossen Teil. Intercycle hat sich aus strategischen Gründen dafür entschieden, Lager und Logistik an einen Spezialisten auszulagern. Denn seit der Coronapandemie wuchs die Nachfrage nach den Handelsgütern der Intercycle stark. Zugleich wurde die Beschaffung und Auslieferung an die Kunden anspruchsvoller. Durch die zunehmende Digitalisierung des Handels erwarten Kunden kürzere Lieferzeiten für ihre Bestellungen.

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Für die Aufmontage eines Velos rechnet Zibatra im Durchschnitt mit einer halben Arbeitsstunde. (Bild: Peter Hummel)

Zibatra und Intercycle vertiefen damit die bereits bestehende Zusammenarbeit: «Ausschlag­gebend für uns war, dass wir mit Zibatra bereits sehr gute Erfahrung bei der Velo-Logistik gemacht haben. Wir sind überzeugt, dass dieser Partner den wachsenden Anforderungen bezüglich Flexibilität und marktnaher Dienstleistungen gerecht werden kann», sagt Walter Schärli, Geschäftsleiter der Intercycle AG.

Und Stefan Gächter wäre nicht der umtriebige Geschäftsführer, wenn er für diese Dienstleistung nicht schon weitere Grosskunden angepeilt hätte.


Primus der Fahrradlogistik

Zibatra sitzt im Solothurnischen Rickenbach, in nächster Nähe der nationalen Logistikhubs von Migros und Co. Das Unternehmen blickt auf eine lange Tradition zurück: Geführt von der Familie Grüniger in dritter Generation stieg man 1974 ins Logistikgeschäft ein. 2016 wurde die Zibatra Logistik AG aus der Taufe gehoben. Das agile Lager- und Logistikunternehmen hat sich auf die Bedürfnisse bestimmter Branchen spezialisiert, darunter den Onlinehandel. In der Fahrradlogistik hat sich Zibatra einen Vorsprung erarbeitet und ist heute der Primus. Die montierten Velos werden mehrheitlich nicht in Kartons, sondern hängend in Corletten ausgeliefert. Dafür sind sechs Lieferwagenzüge im Einsatz, die bis zu 57 unverpackte Velos fassen. Derzeit vermag Zibatra bis gegen 200 000 Velos im Jahr umzuschlagen.

(Aus Cyclinfo Magazin 1/2022 zum Thema «Nachhaltigkeit».)

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