Ohne Reservation geht nichts mehr

Die SBB weiten die Reservationspflicht beim Veloselbstverlad aus. Neu gilt diese auf sämtlichen Inter- und Eurocity-Zügen. Bei der Fahrradlobby stösst dieser Schritt auf Widerstand.

Fabian Baumann, Redaktor (fabian.baumann@velojournal.ch)
04.02.2021

Fast jede Mountainbikerin und jeder Tourenfahrer weiss: Der Velotransport im Zug ist mit Hürden verbunden. Abstellplätze sind hier äusserst rar, zur Ferienzeit oder an Feiertagen gibts oft keinen freien Stauraum in den Wagen; die Abstell- und Gepäckflächen sind mit Koffern oder Kinderwagen zugestellt. Velofahrerinnen und -fahrer würgen ihr Gefährt dort rein, wo es Platz hat – und verstellen damit teilweise die Durch- und Notausgänge. Die starke Nachfrage führte auch im vergangenen Jahr zu unschönen Szenen. Laut SBB wurden im Pandemiejahr allein im Juli 2020 rund 80 000 Velotageskarten verkauft. Das sind 45 Prozent mehr als 2019. Auf den Hauptachsen Zürich–Chur und Bern–Brig habe man bis zu 15 000 Velos im Selbstverlad transportiert, heisst bei den SBB. Um Engpässe wie im vergangenen Sommer zu vermeiden, haben die SBB Massnahmen eingeleitet.

Reservationspflicht ausgeweitet

Neu gilt ab dem 21. März bis Ende Oktober eine obligatorische Veloplatzreservation in allen Intercity- und Eurocity-Zügen. Bisher galt eine solche nur für die ICN-Verbindungen und für Züge, die auf der Jura-Südfuss-Linie sowie durch den Gotthard-Basistunnel verkehrten. Dieses Jahr kommt aber nicht um eine kostenpflichtige Reservierung herum, wer sein Fahrrad etwa auf der direkten Linie von Bern in Richtung Zürich oder St. Gallen oder von Zürich nach Chur mitnehmen will. Die Reservierung kostet 5 Franken, zusätzlich ist für die Fahrt ein Velobillett für 14 Franken notwendig.

Martin Meier:
«Die Optimallösung wird es aber leider nicht geben.»

Pro Velo zeigt sich über den Schritt der SBB wenig erfreut. «Die SBB müssen primär in den nächsten zwei Jahren die Kapazitäten für den Veloverlad massiv erhöhen. Eine Reservationspflicht kommt nur infrage, wenn sie kostenneutral ist, mit einem vereinfachten Ticketing einhergeht und der Platz auch wirklich garantiert ist», sagt Nationalrat Matthias Aebischer, Präsident des Interessenverbands. Seine Organisation fordere von den SBB, dass primär die Züge ausgebaut und mehr Abstellplätze in Multifunktionsabteilen geschaffen werden.

Aktive Förderung von Velo und Bahn

Nationalrätin Gabriela Suter verlangt in einer Motion, dass der Bundesrat die SBB stärker in die Pflicht nimmt. «Während in anderen Ländern der Fahrradselbstverlad mit speziellen Velowagen gefördert wird, haben die SBB die Transportkapazität für Fahrräder in den letzten Jahren sukzessive verkleinert», sagt Suter. Die Motion ist im Parlament hängig. Der Bundesrat empfiehlt, das Anliegen abzuweisen. Man erwarte von den SBB, dass sie attraktive Mobilitätslösungen im Personenverkehr erbrächten, schreiben die Magistraten in einer Stellungnahme. Die Umsetzung dieser Vorgaben liege aber im Verantwortungsbereich der Bahn.

Mit der Reservationspflicht erhielten die Kunden mehr Planungssicherheit, heisst es bei den SBB. Die Bahnbetreiberin könne nicht flexibel auf rasche Veränderungen reagieren, sagt der Mediensprecher Martin Meier im Gespräch mit Velojournal. Viele Faktoren spielten beim Betrieb eine Rolle: Die Bahn könne bei grosser Nachfrage nicht einfach zusätzliche Wagen an Zugkompositionen anhängen. Die Maximallänge einer Komposition werde durch die Perronlängen in den Bahnhöfen bestimmt. Und an die neuen Doppelstockzüge (FV Dosto) könnten überhaupt keine Gepäckwagen angehängt werden. Meier betont, dass die SBB derzeit mit allen relevanten Velo­interessenvertretern im Dialog stünden. Das Ziel sei, eine kundenfreundliche Lösung zu finden. «Die Optimallösung wird es aber leider nicht geben.»

Pro Velo will pragmatische Lösung

Valérie Sauter ist bei Pro Velo Schweiz Projektleiterin Infrastruktur und kombinierte Mobilität. Sie bestätigt, dass Gespräche mit den SBB laufen. Die Forderungen der Velolobby skizziert sie so: Einbau von Veloplätzen in Fernverkehrszüge, zeitliche Beschränkung und kostenneutrale Umsetzung der Reservationspflicht, Integration der Reservation ins Velobillett und eine Garantie der SBB, dass Reisende mit einer Reservation einen Platz im Zug haben.

Valérie Sauter:
«Wir bereiten uns natürlich auch auf diesen Fall vor»

Bei Redaktionsschluss war offen, inwieweit die SBB auf die Forderungen eingehen. Sauter wie auch Meier wollten sich nicht auf Spekulationen einlassen. Die Reservationspflicht für den Veloselbstverlad wird kaum fallen. Die SBB wollen laut dem Mediensprecher letzte Details Anfang März kommunizieren. Und was macht Pro Velo, sollte es keine einvernehmliche Lösung geben? «Wir bereiten uns natürlich auch auf diesen Fall vor», sagt Valérie Sauter. Mehr verraten will sie mit Verweis auf die laufenden Gespräche aber nicht