11.07.2025
Schlauchlos-Bereifung ist zunehmend auch an Alltagsvelos anzutreffen. Mario Scandella sieht darin mehr Komfort und Sicherheit, Thomas Juzi findet die Tubeless-Technik (noch) nicht genug ausgereift für den Alltag.
11.07.2025
Eignet sich die Tubeless-Technologie auch für den Einatz im Alltag? (Fotos: ZVG)
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«Reifen bedeuten Sicherheit», erklärt Mario Scandella, Inhaber des Veloladens «Velo Mario» in Bern. Er ist seit zehn Jahren tubeless unterwegs und fährt inzwischen all seine Velos schlauchlos. Mit nur 2 bis 3 Bar habe der Pneu «mehr Grip, was ihn sicherer macht». Der Luftdruck wird nicht durch einen Schlauch, sondern direkt im Pneu gehalten, welcher mithilfe einer Flüssigkeit, sogenannter Dichtmilch, abgedichtet wird. «Ohne Angst vor einem Durchschlag kann man einen tieferen Reifendruck fahren», erklärt Scandella einen Vorteil von tubeless.
Durch die erhöhte Bodenhaftung werde das Fahren auf losem Untergrund oder auch über Kieselsteine auf Asphalt nicht nur angenehmer, sondern auch sicherer. Die schlauchlose Bereifung ist zwar nicht für jedes Velo, sprich jede Felge und jeden Pneu, umsetzbar, gemäss dem Berner Mechaniker aber alltagstauglich: «Ab einer Reifenbreite von 35 mm und einem Luftdruck unter 5 Bar ergibt tubeless Sinn.» Neue Velos sollten seiner Ansicht nach mindestens 35-mm-Reifen haben, das entspreche dem aktuellen Stand der Velotechnik und sei nicht nur komfortabler, sondern auch schneller.
Mittlerweile gebe es viele «tubeless-ready»-Produkte. Nicht nur spezielle Reifen und Felgenband, sondern auch hochwertige Felgen sind nötig, damit die schlauchlose Montage einwandfrei funktioniert. «Präzise Fertigung der Felge ist für tubeless ein Muss», betont der Velo-Mario. Sonst bleibt die Dichtmilch nämlich nicht dort, wo sie hingehört, im Inneren des Pneus, sondern entweicht durch unpräzise Stellen – und mit ihr der Luftdruck im Reifen.
«Das Velo bedeutet Freiheit, und tubeless ist noch mehr Freiheit.»
«Es muss keine Sauerei geben», erklärt Scandella vehement. Viele seiner Kunden hätten zu Beginn Angst vor den technischen Anforderungen der schlauchlosen Bereifung und insbesondere vor einer weissen Dichtmilch-Pfütze im Velokeller. «Mit zwei, drei Tricks kann auch ein Laie tubeless montieren und warten», erklärt der Berner Velomechaniker.
Scandella ist spezialisiert auf «Abenteuer-Velos», seine Kunden sind abseits von Zivilisation unterwegs. Deshalb zeigt er seinen Kundinnen beim ersten Service auch gleich, wie die Tubeless-Wartung funktioniert, und gibt Tipps für die grosse Reise. Der ehemalige Velokurier empfiehlt, stets Schlauch und Schlauchflicken einzupacken. «So ist man mit dem Besten aus beiden Welten unterwegs.»
Auf grössere Risse im Reifen klebt Scarpetta von innen einen solchen Schlauchflicken. Diesen Hack braucht er aber selten: «Eigentlich habe ich nie mehr Platten.» Auf einer Tour am mit Dornen übersäten Strand hatte sich sein Weggefährte trotz Pannenschutzreifen sechs Platten eingefangen, während er als Tubeless-Fan nie reparieren musste. Velo-Mario fasst zusammen: «Das Velo bedeutet Freiheit, und tubeless ist noch mehr Freiheit.»
Schon bevor es Tubeless-Reifen zu kaufen gab, hat Thomas Juzi schlauchlose Bereifungen an seinen eigenen Velos getestet. Anfang der 2000er-Jahre hat er alte Veloreifen zu dicken Felgenbändern zugeschnitten und daraus «Ghetto-Tubeless» gebastelt. Heute fährt der Co-Geschäftsführer von Radwerk in Winterthur an all seinen Mountainbikes schlauchlos, empfiehlt die Technik aber nicht für den Alltagsgebrauch. «Normale Reifen mit Schläuchen sind inzwischen gut genug, sodass tubeless nicht nötig ist.» Auch wenn seine Heimatstadt Winterthur nach dem Wochenende «voller Glas» ist, schütze ein Pannenschutzreifen genug gut, sodass komplexe Tubeless-Technik nicht nötig sei, um einem Platten vorzubeugen. Insbesondere in Anbetracht der Mehrkosten von 50 bis 100 Franken und der Vielzahl an Velos im Alltagsgebrauch, welche stark umgebaut werden müssten, damit sie «tubeless-ready» würden.
Auch für ihn als Fachmann mit jahrzehntelanger Erfahrung sei tubeless nicht trivial in Montage und Wartung. «Du hoffst jedes Mal, dass es hält», erklärt Juzi. Jede Kombination von Reifen, Felge, Felgenband, Dichtmilch und Ventil könne neue Problemstellen mit sich bringen. Die Fertigung aller Teile müsse äusserst präzise und die einzelnen Komponenten müssten aufeinander abgestimmt sein. «Tubeless braucht viel Erfahrung und bringt stets unbekannte Faktoren mit sich», fasst der Winterthurer zusammen. Nichts, was ein Laie kurz vor der Fahrt rasch umrüstet. «Auf keinen Fall im Wohnzimmer», betont Juzi. Auch bei ihm in der Werkstatt ist bereits die eine oder andere «Fontäne aus dem Pneu quer über die Werkbank gespritzt». Er fügt an: «Es kann eine Sauerei geben.»
«Tubeless braucht viel Erfahrung und bringt stets unbekannte Faktoren mit sich.»
Zum Einbringen der Dichtmilch verwendet Juzi eine spezielle Spritze. Dies empfiehlt er auch Hobbyschrauberinnen für die Tubeless-Montage. Ist man weniger geübt als der Winterthurer Velomechaniker, benötigt man zudem eine Zange zur korrekten Positionierung des Reifens und eine leistungsstarke Pumpe, die besonders rasch Druck aufbaut.
Erst wenn Montage und Unterhalt einfacher würden, erachtet Juzi die Tubeless-Technik als alltagstauglich: «Es braucht noch Entwicklungsarbeit, bis der Unterhalt von tubeless gleich attraktiv ist wie für eine Bereifung mit Schlauch.» Ein Dorn im Auge ist ihm insbesondere die Dichtmilch. Juzi wünscht sich von der Veloindustrie Tubeless-Technik ohne Dichtflüssigkeit, wie sie auch bei Autos und Motorrädern eingesetzt wird. Trotz seinen aktuellen Vorbehalten gegenüber tubeless ist er sicher, dass die nötigen Verbesserungen von der Veloindustrie umgesetzt werden und «hochwertige Velos in zehn Jahren alle tubeless gefahren werden».

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