Marius Graber,
Redaktor
(marius.graber@velojournal.ch)
Test,
02.08.2018
Mit Kind und Velo unterwegs zu sein, ist eine schöne und meist einfache Sache. Mit den Dreikäsehochs im Huckepack geht es zur Krippe, ins Muki-Turnen und zum See. Doch beim Kauf eines Kindersitzes will einiges beachtet sein.
Marius Graber,
Redaktor
(marius.graber@velojournal.ch)
Test,
02.08.2018
«Da würde ich mein Kind nie reinsetzen!» Mischa, einer der Väter, die für den Velojournal-Test acht Kindersitze ausprobieren, kommt entsetzt von der Testfahrt zurück. Anstelle eines Kindes befand sich ein zwölf Kilo schwerer Sack im Sitz. Damit bewegt sich der gefederte Sitz auf der Fahrt aber so stark, dass sich das Fahrverhalten des Velos rapide verschlechtert. Die Idee des Kindersitzherstellers, den auf dem Gepäckträger befestigten Sitz mit einer Federung zu versehen und so den kleinen Passagieren mehr Fahrkomfort zu offerieren, hatte zuvor bei der theoretischen Betrachtung in der Testrunde noch überzeugt. Doch wie sich zeigt, können Theorie und Praxis weit auseinanderklaffen.
Diese Punkte zeichnen einen guten Kindersitz aus.
Für den Kindersitztest wurden acht in der Schweiz besonders oft verkaufte Kindersitze ausgewählt. Dabei haben wir uns auf die Modelle konzentriert, die hinter der Fahrerin oder dem Fahrer montiert werden. Fünf davon sind mit einem Halter am Sattelrohr des Velos befestigt. Damit kann der Sitz relativ einfach vom Fahrrad entfernt werden, wenn man einmal ohne Nachwuchs unterwegs ist.
Die drei weiteren Sitze werden auf dem Gepäckträger festgeklemmt. Sie benötigen etwas mehr Zeit zur Befestigung. Dafür können sie relativ leicht auch einmal an einem anderen Fahrrad angebracht werden. Mit dem Aufkommen der Elektrovelos haben diese Modelle wieder an Bedeutung gewonnen, weil die Montage der Kupplung am Sattelrohr oft schwierig bis unmöglich ist, was aber auch bei unmotorisierten Velos der Fall sein kann.
Bei den Rahmenmodellen sorgt der lange Stahlbügel zwischen Sattelrohrkupplung und Kindersitz dafür, dass Schläge und Erschütterungen der Fahrt abgefedert werden. Die Kindersitze auf dem Gepäckträger haben in der Regel keine Federung, bis auf das oben beschriebene Modell von Hamax. Auf den Probefahrten zeigte sich, dass das Fahrverhalten mit den ungefederten Gepäckträgermodellen am besten war. Da schlackert nichts, da wippt nichts nach. Und auch wenn die Kinder mal zappelig sind, wirkt sich das am wenigsten auf das Fahrverhalten des Velos aus.
Umso mehr diskutierten die Elterntester angeregt darüber, wie wichtig Zusatzfunktionen wie Federung, verstellbare Rückenneigung, Abschliessfunktion oder ein komfortables Polster sind. Einige der erfahrenen NutzerInnen erzählten, dass sie diese Funktionen, obwohl beim Kaufentscheid als wichtig erachtet, in der Praxis gar nicht mehr genutzt hätten.
Einig war man sich hingegen darüber, dass die Bedienung der Gurten, Fussrasten und der Kupplung einfach sein muss. Schliesslich sollen die Nerven der Eltern nicht schon durch den Kindersitz beansprucht werden. Doch einige Sitze strapazierten sie ordentlich. So ist das Verstellen der Gurten beim Polisport-Sitz nur über ein lästiges Durchschlaufen möglich.
Das ist ein Sicherheitsrisiko, denn die Gefahr ist gross, dass man so auch mit nicht perfekt eingestellten Gurten losfährt. Letztlich waren diese für die grösseren Kinder schlicht zu kurz. Beim Römer-Kindersitz befindet sich die Hauptschnalle genau über dem Schritt der Kinder, was nicht nur mühsam und fummelig zum Bedienen ist, sondern die grösseren Kinder auch stört.
Wesentlich angenehmer und bedienungsfreundlicher ist es, wenn der unterste Teil der Gurten flexi- bel ist und sich die Hauptschnalle auf Bauchhöhe befindet. Ungünstig hingegen ist es, wenn die beiden Schultergurten nicht einzeln fixiert werden können: Sind die beiden Enden zusammen fixiert, wie beim OK Baby, beim Römer oder auch beim Testsieger-Sitz von Hamax, müssen die Gurten erst lange gemacht und nachher wieder eingestellt werden, damit sie über den Helm der Kinder gelegt werden können.
Beim Thule «Yepp Nexxt Maxi» rutschten bei zwei kleinen Kindern auf der Testfahrt die Gurte trotz korrekter Einstellung von den Schultern. Im Falle eines Falls vermögen sie die kleinen Passagiere so nicht mehr zu sichern. Wäre der Punkt, an dem die beiden Schultergurte zusammenlaufen, in der Höhe verstellbar, wie beim anderen Sitz von Thule, liesse sich dieses Sicherheitsrisiko elegant aus der Welt schaffen.
Die Sitze sind gemäss Herstellerangaben alle für Kinder bis 22 Kilo geeignet. Die Erfahrungen beim Test zeigen aber, dass dies optimistisch ist. Paula, mit 4 Jahren, 19 Kilo und 110 Zentimetern die Grösste bei den Testfahrten, fühlte sich in einigen Sitzen beengt. Beim Sitz von Polisport waren für sie die Schultergurte bereits zu kurz. Zudem waren bei den meisten Sitzen auch die Fussrasten etwas knapp bemessen: Hätte Paula warme Winterschuhe getragen, wären bei vielen Sitzen die Fussgurten zu kurz gewesen, um die Füsse zu sichern.
Nicht immer konfliktfrei ist die Kombination von Velohelm und Kindersitz. Besonders bei kleinen Kindern kann es vorkommen, dass der nach hinten abstehende Helm eine natürliche Kopfhaltung verhindert. Hier sollten die Hersteller unbedingt nachbessern und die Rückenlehne entsprechend ausformen. Auch die Montage der Sitze gelingt nicht immer. So stellte sich für die Testeltern nicht nur die Frage, welches Modell das beste ist, sondern auch, welches überhaupt aufs Velo passt.
Auch Tester Mischa fand unter den acht Kindersitzen einige Modelle, in die er sein Kind getrost setzen würde. Denn das Niveau der Sitze ist inzwischen hoch, und die Kindertransporter verfügen über pfiffige Details. Dennoch enttäuschten einige Produkte: der an sich gut gemachte Hamax «Caress» wegen seiner zu weichen Federung, der Thule «Yepp Nexxt Maxi», weil die Gurten bei kleinen Kindern von den Schultern rutschen können, und der Bobike «Tour Exclusive» wegen einer sehr schwergängigen Kupplung und zu weicher Federung, die sich negativ auf das Fahrverhalten auswirkt.
Sieger in der Velojournal- Bewertung wurde der Hamax «Caress Zenith», der zwar über keine Extras wie Sitzneigungsverstellung oder Schloss verfügt, aber die Kinder gut sitzen lässt und komfortabel zu bedienen ist.
Die acht Kindersitze wurden in einem Praxistest von sieben Eltern mit Kindern zwischen ein und vier Jahren ausprobiert und beurteilt. Besonderes Augenmerk galt der Verstellbarkeit der Riemen, dem Handling der Schnallen und dem Sitzkomfort. Die Sitze wurden mit Kindern wie auch mit Testgewichten gefahren und deren Eifluss auf das Velo beurteilt. Zudem vermass Velojournal die Sitze und testete, wie gut sie sich an verschiedenen Fahrrädern montieren lassen.
Die Kinder halten sich bei Laune, die Eltern prüfen.
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