Der nationale Boom ist nicht aufzuhalten, und aus Sicht der Veloförderung ist dies erfreulich. Leider werden in den Medien in erster Linie die nicht ganz erfreulichen Begleiterscheinung «vermehrte Unfälle von E-Bikes» und die Fragen «Braucht es Geschwindigkeitsbegrenzungen für E-Bikes?» sowie «Müssen wir die schnellen E-Bikes von den Radwegen verbannen?» thematisiert. Aus Sicht der Veloförderung steht jedoch der positive Aspekt, nämlich dass mehr Leute Velo fahren, im Vordergrund. Daher sind folgende Fragen viel dringlicher: Reicht unsere Infrastruktur für mehr Velos und auch E-Bikes aus? Brauchen wir neue Ansätze in der Verkehrsplanung und insbesondere der Veloverkehrsplanung? Wie sieht eine sichere Veloinfrastruktur aus?
Auf kurzen und mittleren Distanzen schneidet das Velo oder E-Bike am besten ab. Das Velo ist ähnlich platzsparend wie der öffentliche Verkehr (ÖV), aber deutlich kostengünstiger. Das Auto (motorisierter Individualverkehr, MIV) braucht rund zehnmal mehr Platz und kostet uns, wenn alle externen Kosten eingerechnet werden, mindestens dreimal mehr als der ÖV. Leider spiegelt sich diese Platz- und Kosteneffizienz der Verkehrsmittel nicht in unserer heutigen Raumaufteilung der Strassen wider. Immer noch erhalten der MIV und auch der ÖV am meisten Platz.
Die Veloinfrastruktur in der Schweiz wurde in den letzten 10 bis 20 Jahren nur marginal erweitert. Noch immer werden kombinierte Fuss- und Radwege gebaut, obwohl genügend Studien beweisen, dass das Mischen von Fussgängerinnen und Velofahrern gefährlich ist. Mit der Zunahme der E-Bikes akzentuieren sich die Probleme zusätzlich.
Wer mit dem Fahrrad unterwegs ist, soll den Platz bekommen, den es braucht, und zwar in Form von separaten, genügend breiten Spuren, die auch das Überholen und Nebeneinanderfahren ermöglichen. Wie eine gute Veloinfrastruktur gebaut werden soll, kann in den Niederlanden oder in Dänemark abgeschaut werden. «Kein Platz», heisst es dann oft bei uns oder «Unsere Strassen sind nicht genügend breit, um eine bessere Veloinfrastruktur zur Verfügung zu stellen». Diese Argumentation mag für Innenstädte (Altstädte) und Ortsdurchfahrten kleinerer Dörfer gelten, nicht jedoch für alle anderen Strassen. Raum ist genügend vorhanden. Die Frage ist nur, wem wir wie viel zuteilen. Geben wir den Velofahrenden mehr Platz, nehmen wir diesen Platz jemandem weg. Innerorts können wir die Strassen meist nicht verbreitern, das heisst, wir müssen den Platz dem MIV und/oder ÖV wegnehmen. Ausserorts geht eine Verbreiterung für Velowege meist zulasten des Kulturlands.
Um eine gute Veloinfrastruktur zu erstellen, braucht es auch eine velofreundliche Gesetzgebung. Unsere bestehenden Gesetze und Verordnungen lassen die «Velosicht» vermissen. Dies gilt es zu ändern. Neuerungen wie «Rechtsabbiegen bei Rot für Velos» und die Velostrassen müssen möglichst schnell auf Verordnungsstufe verankert werden.
Sehen wir also in erster Linie die Chancen eines platzsparenden und kostengünstigen Verkehrsmittels Velo, und hoffen wir, dass der E-Bike-Boom den Bau neuer Veloinfrastrukturen auf Kantons- und Gemeindeebene sowie in Bundesbern die notwendigen gesetzlichen Anpassungen auslöst. Dann werden wir auch die gewünschte Verkehrsentlastung der Städte und Agglomerationen erreichen.
Die Autorin
Kathrin Hager ist Raumplanerin und arbeitet im Kanton Thurgau als Projektleiterin der Fachstelle Langsamverkehr. Zugleich ist sie Präsidentin der Velokonferenz Schweiz.







