Aline Kuenzler,
Autorin
(aline.kuenzler@velogisch.ch)
Sport,
20.11.2025
Am Hombiquer trifft Fahrtechnik auf Kuchenbuffet. Das Cyclocrossrennen in Hombrechtikon bietet nicht nur Training, sondern auch Spass für alle und lässt den Winter zur besten Velosaison werden. Wir waren dabei.
Aline Kuenzler,
Autorin
(aline.kuenzler@velogisch.ch)
Sport,
20.11.2025
Aline Künzler hat sich für Velojournal in das Abenteuer Radquer gestürzt. (Fotos: Marcel Kaufmann)
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Ein Zuschauer in Gummistiefeln und Regenmantel ruft mir zu: «Gib alles!» – «Mehr geht nicht!», keuche ich zurück und schaffe trotzdem eine besonders kräftige Kurbelumdrehung. Matsch spritzt, das Hinterrad rutscht, ich ziehe am Lenker, schaffe es über die Wurzelpassage und in die nächste Kurve. Dort empfangen mich mitreissende Musik und weitere Zurufe. Vielleicht geht doch noch ein bisschen mehr.
Die erste Runde ist geschafft, ich bin mittendrin in meinem ersten Cyclocrossrennen. Zusammen mit anderen Velobegeisterten messe ich mich am Hombiquer in der Kategorie «Cross für alle». Wie es der Name verrät, können in Hombrechtikon alle – wirklich alle – mitmachen. Vorausgesetzt, man ist nicht wetterscheu und nimmt die schlammige Herausforderung an. Der regnerische Herbsttag steht nämlich ganz im Zeichen der aufgeweichten Erde. «Das muss so sein, sonst macht es nur halb so viel Spass», erklärt mir später ein ebenso vor Dreck strotzender wie freudestrahlender Junge.
Ob mit Mountainbike, Gravelbike oder Rennvelo mit breiten Reifen: Ein Querrennen kann mit unterschiedlichsten Velos gefahren werden. Der Organisator Markus Kuriger sagt: «Wir sind offen für alle, die einfach mal ausprobieren wollen, wie sich so ein Querfeldeinrennen anfühlt.» Für die Teilnahme braucht es auch keine Rennlizenz. Alt und Jung, Mann oder Frau, alle starten bei «Cross für alle» gleichzeitig. «Hauptsache, ohne Strom», präzisiert Kuriger.
Das traditionsreiche Hombiquer ist und bleibt nämlich ein Sportanlass. Die Stimmung ist herzlich, kollegial und trotzdem ehrgeizig. Man hilft sich gegenseitig, feuert sich an – und zieht sich notfalls gegenseitig aus dem Dreck. Wortwörtlich: Als ich in einer Kurve fast wegrutsche, packt mich ein Mountainbiker kurzerhand am Ellbogen und bringt mich wieder auf die Strecke. Später begegnen wir uns wieder, als wir nebeneinander unsere Räder die schlammige Wiese hochstossen. Rennen, Schieben und Tragen gehören genauso zum Radquer, auch bekannt als Cyclocross, wie das Pedalieren.
«Die Stimmung ist herzlich, kollegial und trotzdem ehrgeizig. Man hilft sich gegenseitig, feuert sich an – und zieht sich notfalls gegenseitig aus dem Dreck.»
«Überall, wo man nicht mehr fahren kann – oder zu Fuss schneller wäre –, da trägt man das Velo und rennt», erklärt der ehemals lizenzierte Fahrer und heutige Hauptorganisator Markus Kuriger. Klingt einfach, wird aber mit jeder Runde anspruchsvoller, da sich die Strecke zunehmend in ein rutschiges Schlachtfeld verwandelt. Den Hang hoch mache ich einen Schritt vorwärts und zwei zurück.
Die geübten Crossfahrerinnen bewegen sich mit deutlich mehr Eleganz durch den Schlamm. Besonders eindrucksvoll ist ihre Tragekunst bei den Hürden zu beobachten. «Diese Hindernisse dürfen auf keiner Cross-strecke fehlen», so Kuriger. Es handelt sich dabei um etwa 40 Zentimeter hohe Holzbretter oder Baumstämme, die quer zum Rundkurs platziert werden. Einzig einige der Elitefahrer steigen bei den Hürden nicht ab, sondern fahren oder hüpfen gekonnt darüber.
Neben Amateuren wie mir starten am Hombiquer auch Fahrerinnen mit Lizenz sowie Kinder. Erstere sammeln Trainingskilometer, Letztere umso mehr Applaus. Auf einer verkürzten Runde fahren seit diesem Jahr ein Dutzend Kinder in Renndress oder Regenkleidern nicht weniger enthusiastisch als die Profis. Lediglich die Kinder-Kategorie ist neu, das Radquer im Zürcher Oberland hat eine lange Tradition. Seit 1954 organisiert der Velo- und Motoclub Hombrechtikon Sportanlässe, früher sogar auf internationalem Niveau. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts existiert der Cyclocross-Sport.
«Damals hatten die Strassenfahrer im Winter kein Geld und auch nicht die Möglichkeiten, um im Süden an der Wärme zu trainieren», meint Kuriger. Also wurde nach einer Möglichkeit gesucht, sich auch im Winter fit zu halten. Auf den stabil gebauten Quervelos mit hohem Tretlager und viel Platz für Schlamm lässt es sich auch bei winterlichen Bedingungen im Gelände fahren. Für Kuriger ist das Crossvelo daher die beste Art, im Winter unterwegs zu sein. So lässt er es sich auch nicht nehmen, jedes Jahr auf Neue selbst am Rennen teilzunehmen. «Auch bei kalten Temperaturen bekommt man immer warm. Es ist viel intensiver als auf dem Strassenvelo, und man fährt kaum lange Abfahrten, bei denen man auskühlen könnte», erklärt er.
Das kann ich bereits in der ersten Runde bestätigen. Meine Oberschenkel brennen, mein Atem dampft. Hände und Füsse sind längst durchnässt, kalt ist mir aber eindeutig nicht. Viel zu anstrengend ist der Ganzkörpereinsatz gegen den Matsch. Der Fahrtwind spielt keine Rolle, da bei den gegenwärtigen Bedingungen ohnehin niemand richtig schnell fahren kann. Laufen wäre teilweise schneller, ich würde aber knöcheltief einsinken. Diese Vorstellung lässt mich beherzt weiter pedalieren.
Nach dem Rennen erklärt mir eine U-13-Teilnehmerin, dass die heutigen Bedingungen mit dem steten Regen «eigentlich super» seien. «So bleibt der Schlamm flüssig», meint sie. Trocknender, klebriger Schlamm sei viel schlimmer, da sich die Laufräder dann kaum mehr drehten. Für dieses Problem steht auf dem Gelände eine Waschstation bereit, wo auch während des Rennens die Velos gereinigt werden können. Profis haben dort ihre Unterstützer und ein Ersatzvelo positioniert, um immerhin einige Kurbelumdrehungen matschfrei zu schaffen. Beim Velowaschen treffe ich einen Teilnehmer der U 15. Er erklärt mir stolz: «Am liebsten fahre ich auf den Wurzeln im Wald. Regen ist egal, ich fahre bei jedem Wetter.» Das glaube ich ihm sofort, als ich ihn freudestrahlend um die nächste Schlammkurve rutschen sehe.
«Habt Spass am Velofahren und keine Angst vor dem kalten und rauen Wetter.»
Markus Kuriger
Gerutscht, geschlittert, knapp gerettet oder hingefallen und sich aufgerappelt wird ständig. Während des Rennens lerne ich mich und mein Velo unter den Extrembedingungen besser kennen. Jede Runde wird der Untergrund zwar unwegsamer, ich werde aber auch jede Runde besser. Das Radquerrennen lehrt mich, präzise zu fahren und auch bei rutschendem Vorderreifen nicht die Nerven zu verlieren. «Man trainiert Fahrtechnik und Explosivität. Da das Quervelo keine Federung hat, spürt man jeden Stein, lernt sauberes Fahren, Balance und Beschleunigung», ergänzt Kuriger.
Er rät deshalb allen: «Habt Spass am Velofahren und keine Angst vor dem kalten und rauen Wetter.» Nach kurzer Überwindung zum Losfahren sei Crossfahren perfekt, um fit durch den Winter zu kommen. Die Saison ist in vollem Gange, von Aigle bis nach Hittnau stehen noch eine Handvoll Rennen an. Anmelden kann man sich auf der Website von Swiss Cyclocross.
Unter all diesen Anlässen ist das Hombiquer der Lieblingsanlass eines Gravel-Fahrers: «Bestes Startgeld-Kuchenbuffet-Verhältnis weit und breit», schwärmt er. Die Stargebühr beträgt bescheidene 25 Franken, das Buffet ist tatsächlich legendär: Dutzende selbst gemachte Torten, Cakes und Nussgipfel warten in der «Schür» auf die hungrigen Velofahrer. In der Festwirtschaft duftet es aber nicht nur nach Backwaren, sondern auch nach Bratwurst, Glühwein und nassem Hund. Kinder leeren lachend ihre Gummistiefel aus, Jugendliche wärmen ihren Cervelat am Heizstrahler, man philosophiert über «Sand in der Ritze», es trifft Sport auf Dorffest, Pulsgurt auf Kafi Güx.
In dieser familiären Umgebung findet auch mein heimlicher Höhepunkt des Tages statt: die Preisgeldverlosung. Auch ich habe meine vor Dreck strotzende Startnummer in die alte Milchkanne geworfen. Daraus zieht die Glücksfee einen Zettel nach dem anderen. Aufgerufen werden nicht die Schnellsten, sondern per Zufall ausgewählte fünfzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Alle erhalten einen Batzen überreicht. «Mehr als das Startgeld, da kaufe ich mir gleich Waschmittel für die dreckigen Kleider», strahlt einer der Glücklichen.
Fast das gesamte Startgeld werde so verlost, erklärt Kuriger. Wer die eigene Platzierung doch überprüfen will, findet bereits alle Resultate online. Applaus erhalten aber zum Abschluss des Tages nicht jene oben in der Rangliste, sondern wir alle. Besonders laut beklatscht werden die Helfenden, insbesondere die Kuchenbäckerinnen. Die freiwilligen Streckenposten, Organisator Kuriger und der Verein haben wortwörtlich alles für einen unvergesslichen Event gegeben.

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