Die Geschichte liest sich wie ein Wirtschaftskrimi, erstreckt sich über fast ein Jahr und mehrere Kontinente hinweg, und mit Mercedes-Benz spielt einer der renommiertesten Autokonzerne der Welt eine fragwürdige Rolle - oder wohl eher der australische Velohersteller N+ Bikes als dessen Lizenznehmer im Fahrradsegment. Aber immer schön der Reihe nach: Im September 2019 wurde das Solothurner Jungunternehmen Asfalt AG an der Eurobike für das aufgeräumte Design-E-Bike «Asfalt LR» gleich mit zwei Awards ausgezeichnet - einmal in der Kategorie Start-Up und einmal in der Kategorie E-Bike. Hinter diesem Erfolg steckten drei Jahre Entwicklungsarbeit, während der die Firmengründer viel eigenes Kapital einbrachten.

Im September 2019 konnten die Asfalt-Macher stolz zwei Eurobike-Awards präsentieren
und trafen mit ihrem aufgeräumten Design-E-Bike auf grosses Interesse. Foto: LvR
Anfang 2020 wurden die Asfalt-Macher vom australischen Velo-Produzenten N+ Bikes kontaktiert. Als Lizenznehmer von Mercedes Benz suchte dieser nach einem E-Bike, das unter der Lizenz vom «Mercedes Benz EQ Formula E Team» verkauft werden sollte. Nach ersten, viel versprechend verlaufenden Verhandlungen produzierten die Asfalt-Macher einen Prototypen mit leuchtendem Mercedes-Benz-Logo im Steuerohr und verschickten diesen nach Australien. Hier sollte das E-Bike am Rande des Formel 1 GPs von Melbourne geladenen Gästen vorgestellt werden - für ein Start-Up eine unverhofft grosse, ja globale Bühne. Doch dann durchkreuzte die Covid-19-Pandemie alle Pläne, und in Solothurn hörte man immer weniger von N+ Bikes, obwohl die Asfalt AG den Vertrieb im europäischen Markt zugesichert bekommen hatte.

N+ Bikes als Lizenznehmer von Mercedes-Benz bietet das Plagiat online zum Kauf an.
Und kommuniziert dabei keinerlei Einschränkungen, wohin geliefert wird.
In diesem Herbst nahm die Geschichte nun eine überaus unerfreuliche Wendung für die Asfalt AG: N+ Bikes hat offensichtlich Nägel mit Köpfen gemacht und bietet im Webshop das «N+ Mercedes-Benz E Formula E Team eBike» zum Kauf an. Dieses E-Bike ist bis in die Details baugleich mit dem «Asfalt LR». Für Cyclinfo legt dies nahe, dass der chinesische Produktionspartner von Asfalt in den Plagiatsfall verwickelt ist. Schliesslich haben die Solothurner bewusst klein begonnen und im ersten Jahr nur 250 Einheiten in der Schweiz verkauft, um als kleines Start-Up in Sachen Service nicht überfordert zu werden. N+ Bikes dürfte dem chinesischen Produktionspartner deutlich höhere Stückzahlen in Aussicht gestellt haben - und verlangt USD 1000.- mehr für das gleiche E-Bike, ohne irgendwelche Entwicklungskosten tragen zu müssen.

Nur noch dreist: Nicht nur das «Asfalt LR» hat N+ Bikes kopiert.
Die Australierhaben sich auch bei Bildern der Asfalt AG bedient.
Laut Asfalt-Mitgründer Michael von Burg gibt es dabei ein Problem: «Weil Design-Patente kostspielig und besonders international sehr schwierig durchzusetzen sind, haben wir keinen solchen Schutz in der Hand.» Dafür wird Asfalt an der Eurobike ein neues Modell vorstellen, das sich von der Kopie von N+ Bikes deutlich abhebt. Doch es kommt noch dreister: Für die Kommunikation hat N+ Bikes Bildmaterial von Asfalt verwendet - teils unverändert, teils mit einem retuschierten Mercedes-Stern auf dem Rahmen. Zumindest dagegen besteht durch das Recht am Bild eine juristische Handhabe. Mit dieser Geschichte bezahlt die Asfalt AG Lehrgeld im Umgang mit Produktionspartnern in der Volksrepublik China. Mercedes-Benz täte dagegen gut daran, die Lizenzpartner im Velosegment sorgfältiger auszuwählen.







