«An dieser Stelle wurde eines unserer Mitglied fast von einem Lastwagen gegen die Wand gedrückt», erzählt Beat Steinacher. Die Frau habe sich nur retten können, indem sie über die Mauer am Strassenrand lehnte. Sie blieb glücklicherweise unverletzt. Für Steinacher, Co-Präsident von Pro Velo Schaffhausen, illustriert der Vorfall an der Bachstrasse ein zentrales Problem der Verkehrsplanung. «Allzu oft wird – wenn überhaupt – erst ganz am Schluss an die Radfahrenden gedacht.»
Dabei ist der Strassenabschnitt gerade erst renoviert worden. Die Markierungen leuchten noch frisch auf dem Asphalt. Der Radstreifen glänzt rot und zeigt Motorfahrzeuglenkern an, dass hier auch Velos Platz haben. Doch die Markierung hört genau dort auf, wo die gefährliche Strecke anfängt. Kurz vor dem Fussgängerstreifen wird die Strasse schmal. Die Sperrfläche vor der Mittelinsel verengt die Spur. Auto- und Velofahrende fänden unmöglich nebeneinander Platz, erläutert Steinacher. So komme es unweigerlich zu heiklen Situationen: rechts eine Betonmauer, links Lastwagen und Autos. Und ein Velostreifen, der sich just an dieser Stelle in Luft auflöst.
Als Pro-Velo-Vertreter hat er zwar Verständnis dafür, dass die Verkehrsplanung es nicht immer allen recht machen kann. Beidseits der Strasse stehen Gebäude. Der Platz ist begrenzt. Dass der Velostreifen aber geopfert wurde, hält er für falsch und gefährlich. «Hier würde ich mit meinen Schülern nicht durchfahren», sagt Steinacher, Schulleiter von Beruf.
Eine Ampel macht den Unterschied
Die Bachstrasse zieht eine Schneise durch die Fussgängerzone der Altstadt. Hier Vordergasse, dort Unterstadt. Hüben und drüben Geschäfte und Restaurants, flanierende Einheimische und Besucherinnen des historischen Städtchens am Rhein. Und dazwischen ein Zebrastreifen mit Lichtsignal und Mittelinsel. Während Jahrzehnten war die Ampel hier auf Dauerblinken gestellt. Fussgängerinnen und Fussgängern galt der Vortritt. Aufgrund des dichten Verkehrs war die Insel in der Mitte nötig. Sie ermöglichte ein sicheres Überqueren der Bachstrasse. «Die Autolobby hatte am orange blinkenden Signal aber keine Freude», weiss Steinacher zu berichten. «Wenn ein Fussgänger nach dem anderen die Strasse quert, verringert das den Verkehrsfluss.»
Die Autoverbände fanden offenbar bei der Stadt Gehör. Den «Schaffhauser Nachrichten» sagte die zuständige Stadträtin Katrin Bernath im letzten Herbst, das Tiefbauamt habe die Varianten Dauergeblinke und Rot-Grün-Phasen eruiert. Ein geschaltetes anstatt blinkendes Lichtsignal halte man für die beste Lösung. Seit der Renovation leuchtet die Ampel deshalb abwechslungsweise grün und rot. «Wobei der Autoverkehr stets Grün hat», wie Beat Steinacher ausführt. Fussgänger müssen erst am Lichtsignal den Knopf drücken, um grünes Licht für das Überqueren der Strasse zu erhalten. Immerhin reiche die Ampelschaltung aber gut aus, um sicher zur anderen Strassenseite zu gelangen. Darum braucht es laut Pro Velo die Mittelinsel auch nicht mehr. Und ohne Insel wäre genug Platz da für einen durchgehenden Velostreifen.
Mehr Raum für Velos
Pro Velo Schaffhausen fordert, dass das Fahrrad als vollwertiges Verkehrsmittel angesehen wird. Die Erfahrung zeige, dass dies heute nicht der Fall sei. Und so enden Radstreifen abrupt im Nichts. «Die rote Farbe auf der Bachstrasse ist gut gemeint, die Umsetzung leider ungenügend», bilanziert Beat Steinacher. Radfahrende sollen deshalb möglichst gleich schnell wie der motorisierte Verkehr fahren, um nicht überholt und nach rechts gegen die Wand gedrückt zu werden. Auch die Einführung von Tempo 30 könnte die gefährliche Stelle entschärfen.
Doch er möchte nicht klagen. «Es wurden auch einige positive Sachen an der Bachstrasse umgesetzt.» So freue man sich über den ersten Velosack in Schaffhausen. Oder darüber, dass für Radfahrende die Ampel auf Grün steht, obwohl aus einer Nebenstrasse gleichzeitig Autoverkehr einmündet. «Auch das ist eine Premiere für Schaffhausen», sagt der Pro-Velo-Vertreter. Er ist zuversichtlich, dass die Verkehrsplanung dem Velo dereinst den Raum einräumt, den es auf der Strasse verdient. Ein weiterer Schritt in diese Richtung könnte der «Bundesbeschluss Velo» sein, über den die Schweiz am 23. September abstimmt. Er wird das Land zwar nicht über Nacht in ein Veloparadies verwandeln. Da macht sich Beat Steinacher keine Illusionen. Die Verankerung des Fahrrads in der Verfassung ist aber die Basis für eine neue Verkehrsplanung. Eine, die das Velo nicht erst am Schluss berücksichtigt.







