Ein hartes Pflaster

Pro Velo St. Gallen ist angetreten, das Zweirad in der Ostschweiz stärker zu verankern. Rund um die Neugestaltung des Bahnhofplatzes wird es noch einiges zu diskutieren geben.

Fabian Baumann, Redaktor (fabian.baumann@velojournal.ch)
18.09.2012

Die Legende besagt, dass der heilige Gallus, Wandermönch und christlicher Missionar, St. Gallen im Jahr 612 gegründet hat – das 1400-Jahr-Jubiläum wird gerade auf allen Kanälen gefeiert. Nicht ganz so alt ist Pro Velo St. Gallen. Der Regionalverband wurde 2005 gegründet. Doch noch ist seine Stimme eher leise. «Wir haben in den vergangenen Jahren bei unseren Mitgliederzahlen keinen Quantensprung erreicht», räumt Daniel de Stefani, Präsident von Pro Velo St. Gallen ein. Dennoch: Die Anzahl Unterstützerinnen und Unterstützer wächst langsam, aber stetig an, zurzeit sind es rund 250 Mitglieder.

Nach den Erfahrungen der letzten Jahre beurteilt de Stefani St. Gallen als «hartes Pflaster» für die Velopolitik. Während der Kanton mit der Fachstelle Langsamverkehr ein offenes Ohr für die Anliegen der Radfahrenden habe, agiere die Stadt noch sehr zurückhaltend. Immerhin gibt es beim städtischen Tiefbauamt nun eine Ansprechperson für den Langsamverkehr. «Von uns vorgebrachte Anliegen werden angehört. Die Umsetzung ist aber eine andere Geschichte», so Daniel de Stefani. Zwei- bis viermal jährlich treffen sich Vertreter der Stadt und die Interessengruppen und besprechen Verbesserungen für den Langsamverkehr. Auch in den Agglomerationsgemeinden engagiert sich Pro Velo für den Langsamverkehr, war am SlowUp Bodensee beteiligt und jüngst auch am St. Galler Mobilitätsmarkt.

An vielen Aktionen und Veranstaltungen ist auch der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) beteiligt. Dem VCS gelingt es in der Gallusstadt nach wie vor besser, sich in der Öffentlichkeit als Akteur in Sachen Velo zu positionieren. «Früher war der VCS immer in der Rolle des Verhinderers und entsprechend unbeliebt», so Daniel de Stefani. Dann habe der VCS den Fokus vermehrt auf den Langsam- und den öffentlichen Verkehr gelenkt und so an Popularität zugelegt. Teilweise ergebe sich dadurch eine Konkurrenzsituation zur Pro Velo, die nicht immer konstruktiv verlaufe. Was die Mitgliederstärke betrifft, ist der VCS der lokalen Pro Velo noch überlegen. Dennoch: Beide Organisationen setzen sich für dieselben Anliegen ein. Und das sei letzten Endes das Entscheidende.

Neuer St. Galler Bahnhofplatz

Michael Städler, Vorstandsmitglied von Pro Velo St. Gallen, bringt das aktuelle Thema der geplanten Neugestaltung des Bahnhofplatzes in die Diskussion. Den Radfahrenden bringt der Umbau kaum Verbesserung. Im Gegenteil: Die heute am nächsten am Gleis liegenden Abstellplätze sollen aufgehoben werden. Pro Velo St. Gallen hat das in der Vernehmlassung kritisiert und Alternativen aufgezeigt. «Doch die Stadt hat unsere Anliegen nicht goutiert und uns das an einer Sitzung klargemacht», präzisiert de Stefani. Der geplante Umbau des Bahnhofplatzes sei aus Velosicht deshalb kein Gewinn. Ein grosser Schwachpunkt ist für Pro Velo die Lage der neuen Velostation. Diese wird demnächst unter dem an den Bahnhof grenzenden Fachhochschulgebäude eröffnet. Doch der Neubau liegt auf der «Rückseite» des Bahnhofplatzes und damit nicht im Einzugsbereich der meisten Zugspassagiere. Für die Mehrheit der Pendler heisst das: Velos über Treppen schleppen und durch die Unterführung stossen oder mehrere Hundert Meter Umwege fahren. «Unsere Vision ist eine Velostation nahe beim Bahnhofplatz», sagt Städler. Doch damit sei man bis anhin auf taube Ohren gestossen.

Aggloprogramm zeigt Schwachstellen

Nicht nur rund um den Bahnhof gibt es Hindernisse für den nichtmotorisierten Verkehr. Im Rahmen der zweiten Auflage des Agglomerationsprogramms St. Gallen- Arbon-Rorschach wurde eine detaillierte Velo-Schwachstellenanalyse erstellt. Diese listet alleine in der Stadt über 170 neuralgische Punkte auf. Diese Bestandesaufnahme wurde nötig, weil Bern die erste Auflage des Aggloprogramms zurückgeschickt hatte, da dort der Langsamverkehr zu wenig gefördert wurde. Die Stadtbehörden dachten zuerst kaum ans Velo, weil sie sich auf den Standpunkt stellen, die Gallusstadt – eingebettet zwischen zwei Hügelzüge – sei topografisch keine Velostadt. «Dabei leben rund 75 Prozent der Stadtbevölkerung im ebenen und somit velofreundlichen Teil der Stadt», weiss Michael Städler. «Mehr als zwanzig Höhenmeter gibt es da selten zu überwinden.»

Auf die Busspur

Eine bereits länger kursierende Idee, wie sich die Situation der Radfahrenden verbessern liesse, hat kürzlich neuen Aufwind erhalten: die Freigabe der Busspuren für Fahrräder. Anders als etwa in Bern oder Genf ist dies in der Gallusstadt verboten. Schon 2008 hatte die Stadt angekündigt, sie wolle prüfen, an welchen Stellen die Busspuren für Velos geöffnet werden könnten. Im Richtplanentwurf ist das Vorhaben sogar schriftlich festgehalten. Getan hat sich aber auch auf diesem Feld bis heute nichts. Roman Weibel, Mitglied von Pro Velo, macht nun Druck und hat eine Umfrage in über fünfzig Schweizer Gemeinden durchgeführt. Die Resultate zeigen: Vielerorts sind die Busspuren mindestens teilweise für Velos frei. Weibel schlägt jetzt vor, alle St. Galler Busspuren während einer Testphase zu öffnen. Danach könnte entschieden werden, wo die Freigabe möglich ist. Rückendeckung erhält Weibel auch von politischer Seite. Ein Stadtparlamentarier der Grünen will einen Vorstoss einreichen, der eine solche Pilotphase verlangt. Doch die Verkehrsbetriebe St. Gallen (VBSG) halten nichts von der Idee. Sie schliessen gar eine Testphase kategorisch aus.

Mit den Verkehrsbetrieben muss sich die Velolobby auch sonst herumschlagen: Die Velomitnahme im Bus ist in St. Gallen zwar ausserhalb der Stosszeiten erlaubt, aber es werden weder Velotageskarte noch Velopass anerkannt. Es muss zusätzlich ein Halbpreis-Billett gelöst werden. Die Verkehrsbetriebe hätten eben die Freiheit, sich nicht allen Teilen des nationalen Billettsortiments anzuschliessen, lautete die Antwort auf einen parlamentarischen Vorstoss, der dies ändern wollte.

Weitere Infos unter: www.provelo.info

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