Ein Drittel des Wirtschaftsverkehrs soll aufs Lastenvelo

Der Radlogistikverband Deutschland hat den Branchenreport 2024 veröffentlicht. Dieser zeichnet das Bild einer diversen Branche, deren Ziel es ist, ein Drittel des urbanen Lieferverkehrs mit Cargobikes abzuwickeln.

Aline Kuenzler, Autorin (aline.kuenzler@velogisch.ch)
News, 12.08.2024

Nicht nur Velokurierunternehmen aus ganz Deutschland haben an der Branchenumfrage des Radlogistikverbands teilgenommen. Auch die Antworten der Hersteller von Lastenvelos, Anhänger und Komponenten, sowie von Firmen, welche die Radlogistik beispielsweise mit Software und Forschung unterstützen, sind im bundesweiten Report enthalten.

Damit zeichnet der bereits zum vierten Mal veröffentlichte Bericht ein umfassendes Bild der Radlogistikbrache anhand der Kennzahlen von 2023. Die daraus resultierenden Einschätzungen für 2024 und darüber hinaus sind positiv, wenn auch weniger euphorisch als bisher.

Wachstum des Arbeitsmarkts

Die Branche ist weiterhin von Kleinst- und Kleinunternehmern geprägt. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen beschäftigte 2023 weniger als 11 Mitarbeitende. Trotzdem wächst der Arbeitsmarkt in der Radlogistik konstant weiter. So gaben 42% der Befragten an, dass 2024 Personaleinstellungen geplant sind.

Diese Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu geniessen. Schliesslich wurden grosse Logistikdienstleister aus der Kurier-, Express- und Paketbrache (KEP) wie etwa die Post nicht in die Umfrage miteinbezogen. Insgesamt verzeichnet der kleinteilige Markt zum Zeitpunkt der Umfrage 5400 Beschäftigte. Damit ist die Branche gegenüber 2022 um mehr als 1000 Personen gewachsen.

Kleinteilige Branchenstruktur

Die operative Radlogistik lebt nicht nur von Kleinstunternehmen, sondern auch von deren diversen Geschäftsmodellen. Die meisten Kurierfirmen sind regional oder lokal tätig. 80% der Befragten sind in nur einer Stadt oder Region tätig. Viele von ihnen sind zudem als Subunternehmer tätig und zwei von zehn Akteuren setzen selber Nachunternehmer ein. Dies zeigt ein komplexes Bild der Brache mit unterschiedlichsten Geschäftsmodellen.

Das Hauptgeschäft liegt im Kuriersegment mit der Zustellung von Lebensmitteln und Pharmaprodukten. Ebenso bedeutend ist auch das KEP-Segment mit der Zustellung von Paketen auf der letzten Meile. Daraus ergeben sich weitere Wertschöpfungsprozesse für die beteiligten Firmen. Lagerhaltung, Versicherung, Wartung und IT machen im Durchschnitt 8,8% der Wertschöpfung aus.

Verkaufszahlen steigen

Ein klares Wachstum im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich beim Verkauf von Cargobikes und Anhängern. Insgesamt wurden im letzten Jahr 37'650 dieser Fahrzeuge für den gewerblichen Gebrauch verkauft. Im Vorjahr waren es 27'300 Stück. Die Anhänger machten 2023 mit 12'000 Stück einen nicht zu vernachlässigenden Anteil aus. Der Markt für gewerblich genutzte Lastenvelos konzentriert sich dabei stark auf E-Cargobikes. Nur jedes zwanzigste der verkauften Fahrzeuge wird nicht elektrisch unterstützt.

Bei vielen der an der Umfrage beteiligten Hersteller ist das Lastenvelo das Kerngeschäft. 57% der Produzenten konzentrieren ihr Geschäftsmodell auf die Herstellung von Cargobikes und Anhängern. Dabei stellt Deutschland der primäre Absatzmarkt der Befragten dar. Rund die Hälfte der in Deutschland montierten Fahrzeuge wird exportiert, meist in EU-Staaten.

Sanftes Wachstum zu spüren

Ein mittleres Wachstum von 10% wird von den Befragten für die nächsten fünf Jahre erwartet. Durch Einfahrverbote für Dieselfahrzeuge in deutsche Städte, «Dieselgate» und dem bereiten Bewusstsein für den Klimaschutz hat die Radlogistik in den letzten zehn Jahren Rückenwind erhalten. Dies motivierte viele Akteure dazu, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.

In der aktuellen Umfrage schätzt aber knapp ein Drittel der Beteiligten die Wirtschaftslage als schlecht oder sehr schlecht ein. Die weltweiten Konflikte haben den gesellschaftlichen Fokus mehr auf Politik und Wirtschaft gelenkt, weg von der Klimadebatte. Daher fällt das nun erwartete Wachstum mit 10% deutlich tiefer aus als noch im letzten Report prognostiziert. Der Branchenverband ist sich sicher, dass «für nachhaltigen, zukunftsfähigen Wirtschaftsverkehr in der Stadt die Absatzzahlen mit dem Faktor Zehn multipliziert» werden müssten. Damit ist es noch ein weiter Weg zum Ziel des Verbands, ein Drittel des urbanen Güterverkehrs auf das Zweirad zu verlagern.

Deshalb fordert der Radlogistikverband neben einer Verankerung von Lastenvelos in der Vergabepolitik der öffentlichen Hand auch mehr Gestaltungsspielraum für Kommunen zur Förderung der Radlogistik. So sollen etwas Niedrig- oder Nullemissionszonen ausgewiesen werden. Nicht zuletzt will der Radlogistikverband faire Preise für einen fairen Wettbewerb: So sollen Logistiker mit motorisierten Fahrzeugen die tatsächlichen Umweltkosten ihrer Fahrten tragen. «Das Ende des Dieselprivilegs» und eine CO2-Steuer sind konkrete Forderungen des Reports.

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