Sehr geehrter Dr. V. Love
Als stilbewusste Person ist es mir wichtig, auch im Winter auf dem Velo eine gute Figur zu machen. Leider ist das bei Kälte gar nicht so einfach. Dick in Mantel, Handschuhe, Winterstiefel, Mütze und Gesichtsmaske eingepackt, sehe ich aus wie ein Schneemann. Haben Sie einen Ratschlag, wie ich trotz warmer Kleidung auf dem Velo gut aussehe?
Gustav Frörli (G. Frörli), La Brévine
Lieber Herr Frörli
Mal unter uns: Ich verstehe den Jack- Wolfskin-haften Eifer nicht wirklich, der VelofahrerInnen antreibt, die im tiefsten Winter auf schneebedeckten, vereisten Strassen unterwegs sind. Sie wirken auf mich immer ein bisschen zwanghaft. Denn was sind die natürlichen Feinde des Pédaleur de Charme? Genau: Kälte, Eis, Schneematsch. Und wie Sie selbst schon andeuten: Es fühlt sich nicht nur scheisse an, in sibirischem Frost durch Graupelschauer übers Blitzeis zu radeln, man sieht dabei auch scheisse aus. Besonders professionell wirken wollende Winter-GümmelerInnen montieren Reifen mit Spikes, beheizbare Lenkergriffe, Thermounterwäsche aus australischer Merinowolle und eine Sturmmaske, bevor sie sich einen Helm aufsetzen, der mit «intelligent» discohaftem Geblinke sowohl für mehr Sichtbar- als auch für allgemeine Heiterkeit sorgt: Die sicher nicht winterkalten Hände reibt sich derweil die Bike-Zubehör-Industrie, und so dreht sich das Schwungrad des Spätkapitalismus immer schön weiter. Dabei heisst es doch in einer der grossen proletarischen Hymnen: «Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.»
Also. Lassen Sie ihr Rad im Winter still im Keller stehen. Falls Sie um Ihre Fitness besorgt sind, montieren Sie es auf einer Rolle, und strampeln Sie sich im ausgeleierten Trainer ab und zu einen ab. Danach gehen Sie frisch geduscht raus unter die Leute, mit genau den Klamotten am Körper, in denen Sie eine besonders gute Figur machen. Nehmen Sie den Bus, das Tram, die S-Bahn – es ist schön warm dort drin, es ist trocken. Der nächste Frühling kommt bestimmt!
Bitte, gerne, Ihr Schönwetter-Pédaleur
Ihr Dr. V. Love
Ihre Fragen an: dr.v.love@velojournal.ch







