Sehr geehrter Dr. V. Love
Werter Doktor, in der Sonntagspresse war kürzlich zu lesen, dass der Verband für Verkehrsfachleute Schweiz (VSS) breitere Strassen fordert. Die Fahrspuren sollen bis zu einem halben Meter verbreitert werden. Allerdings nicht, damit die Velofahrenden endlich gemütlich nebeneinander radeln können, sondern, weil die Autos immer breiter werden. Ich finde das ungerecht. Wie kann ich meinem Ärger am besten Ausdruck verleihen?
Emil Manuel Pört, Dagmarsellen
Werter Herr Pört
In der Schweiz steigt die durchschnittliche Wohnfläche kontinuierlich an: von 27 Quadratmetern pro Person im Jahr 1970 auf 45 Quadratmeter (2016). Wir scheinen ein Bedürfnis nach Ausweitung der privaten Komfortzone zu haben – auch in Gebieten, die wir früher als öffentlichen Raum bezeichneten. Denn: Was ist das Auto anderes als ein Wohnzimmer auf Rädern, in dem einem niemand etwas anhaben kann – ausser vielleicht der Gubrist im Feierabendverkehr, ein Kolbenfresser oder der Benzinpreis?
Weil zudem die Politik seit Jahren mit der Bewirtschaftung von Ängsten Stimmen und Clicks generiert, finden fette Allrad-Geländelimousinen viele FreundInnen: Hier drin ist man sicher vor der bösen Welt rundum. Blöd nur, dass in der Schweiz die meisten Strassen in der Prä-SUV-Ära gebaut wurden. Nun haben wir den Verkehrssalat: Es gibt Platzprobleme, Raumforderungen pp.
Doch zurück zum Anfang: Smarte Raumplaner predigen schon lange verdichtetes Bauen. Angewendet aufs Problem der dickarschigen SUV mit ihrer Verpisst-euch-jetzt-komm-ich-Attitüde, würde dies bedeuten: Die Autohersteller müssen in die Höhe bauen. In der oberen Etage: die Rücksitze – mit dem angenehmen Nebeneffekt für die FahrerInnen, dass quengelnde Kinder weit weg sässen.
Aber man weiss: Die Automobilindustrie ist unendlich träge. Deshalb machen wirs so: SUV-BesitzerInnen melden sich bei der Schrottpresse ihres Vertrauens, lassen ihr Fahrzeug von sensiblen Vorarbeitern an den Breitseiten einklemmen und dann um einen halben Meter zusammendrücken. Et voilà: Für Sie ist die Bahn frei! Sie müssen sich noch nicht einmal empören.
Es winkt, Motorenöl an den Händen,
Ihr Verdichter von der Cramerstrasse
Ihre Fragen an: dr.v.love@velojournal.ch







