In den vergangenen 20 Jahren rückte die Vorstellung neuer Velomodelle immer weiter nach vorne im Kalender: Wer seine Neuheiten früh vorstellte, sicherte sich nicht nur viel Aufmerksamkeit der Fachmedien, sondern auch ein Image als Innovationsleader. Die Kehrseite dieser Entwicklung: Sobald die neuen Modelle bekannt sind, verlieren die bestehenden Modelle an Wert. Zugleich muss der Fachhandel bestehendes Inventar in Kapital umwandeln, um die Vororder für die nächste Saison finanzieren zu können. Als Folge dieser Faktoren konnte zuerst ab September, dann ab August und zuletzt nochmals deutlich früher nicht mehr die volle Marge erzielt werden.

Nichts aussergewöhnliches in der Velobranche: Preisabschläge bis
hart an die Schmerzgrenze, und das Mitten in der Hochsaison.
Modellwechsel mitten in der Hochsaison
Ein nach vorne gerückter Modellwechsel kann zudem Engpässe bei der Warenversorgung in Monaten provozieren, die zur wichtigsten Abverkaufssaison gehören. Dass Händler im Juli ihr Geschäft nur ungern verlassen, um an Events von Herstellern die Kollektion des nächsten Jahres vorgestellt zu bekommen, ist ein weiterer Faktor. Und je mehr Hersteller auf eigene Events im Sommer setzen, desto mehr Hersteller bleiben der Eurobike fern - und untergraben so die Funktion dieser Leitmesse, einen repräsentativen Querschnitt durch den Markt und damit eine Übersicht über die relevanten Trends zu bieten. All diese Faktoren haben das Management der Cycling Sports Group (CGS) zum Nachdenken gebracht.

Zurück zu alter Stärke: Mit Modellen wie dem Gravelmodell «Topstone Carbon» geht
Cannondale wieder wie in den goldenen 90er Jahren selbtbewusst eigene Wege.
Als Folge davon kündigt das CSG-Management nun einen radikalen Wechsel bei der Planung des Modelljahrs 2021 an: Den Auftakt wird im Oktober ein wahrscheinlich virtueller Händlerevent bilden, an dem die wichtigsten Neuheiten vorgestellt werden. Im vierten Quartal sollen dann die Aussendienst-Mitarbeiter mit den Fachhändlern die Vororder schreiben. Die Einführung der neuen Modelle erfolgt dann schwerpunktmässig um den Wechsel des Kalenderjahrs. Auch hier macht CSG klar, dass man künftig mehr Wert auf Durchläufer und möglichst geringe Änderungen bei der Spezifikation legen wolle, um das Denken in Modelljahren aufzubrechen und den Wertverlust von Neuvelos zu mindern, die nicht rechtzeitig verkauft werden konnten.

Dorel Sports-Präsident Peter Woods (links) und CSG Europe-Geschäftsführer Eugene Fierkens
wollen durch den Bruch mit alten Gewohnheiten dem Velo-Fachhandel das Leben erleichtern.
Weg vom Diktat der Modelljahre
Laut CSG bietet dieses Modell dem Fachhandel mehr Preisstabilität, eine bessere Lieferfähigkeit während der Hochsaison und mehr Zeit im eigenen Ladenlokal im Hochsommer. Die Strategie birgt allerdings auch Risiken: Mitbewerber können bereits das gesamte Kapital von Fachhändlern binden, bevor die Aussendienstler von CSG spät im Jahr ihre Aufwartung machen. Zudem laufen Velos der CSG-Marken Cannondale und GT Gefahr, ab der Lancierung neuer Modelle durch Mitbewerber im Ladenlokal doch wieder als letztjährige Modelle betrachtet zu werden. Man darf also gespannt sein, ob die Initiative von CSG die lang ersehnte Quadratur des Kreises ist oder ob sie an der atemlosen Hatz nach Neuheiten scheitern wird.







