Schweizer Radsportfans erleben gerade eine gute Zeit. An der Rad-WM in Innsbruck im Herbst demonstrierten die U-23-Fahrer mit dem Sieg von Marc Hirschi, dass da eine grosse Generation nachkommt. Die WM-Woche in Tirol brachte noch weitere positive Meldungen für die Rad-Schweiz: Die Strassentitelkämpfe 2020 und 2024 wurden hierher vergeben – es sind die ersten seit jenen in Mendrisio 2009. Erstere in die Romandie, Letztere in die Deutschschweiz. Wohin, entscheidet sich am 13. März. Sicher ist bereits jetzt: Es wird einen Verlierer geben, der nicht hätte verlieren dürfen. Denn mit Bern und Zürich bewerben sich zwei Schwergewichte um die Austragung, und beide tun das mit grösstem Elan und viel Herzblut.
Trauma wegen Tour de France
Es gibt aber schon Unterschiede zwischen den beiden Kandidaturen. So strotzt jene der Berner nur so von Velokompetenz. Mit Fränk Hofer installierte man einen Eventfachmann, der zwei entscheidende Kompetenzen kombiniert: jene für Radsport und jene für Nachhaltigkeit. Entsprechend detailliert kommt denn auch das Berner Dossier daher: Darin ist der Parcours für die einzelnen Rennen bereits bis ins Detail bestimmt. «Wir wissen von jedem Polizisten, wo er stehen wird», sagt Hofer, «wir könnten den Anlass 2019 durchführen.» Da profitieren die Berner natürlich von ihren jüngsten Radsport-Erfahrungen mit Tour de France und Tour de Suisse. Auch die WM würde ihr Zentrum auf der Allmend haben, das steht fest. Die Ausgaben im Budget sind alle mit Offerten hinterlegt – und damit realistisch.
Die Kandidatur überzeugte den Berner Gemeinderat, er sprach vor Weihnachten 3,5 Millionen Franken für eine WM 2024. Die Lobbyarbeit geht Hofer nicht aus: Anfang März muss der Berner Kantonsrat demselben Betrag zustimmen. «Der Kanton ist vom Defizit, das die Tour de France hinterliess, recht traumatisiert. Da müssen wir noch einige Arbeit leisten», sagt Hofer.
An der politischen Front ist auch in Zürich noch alles offen, aber die Zeichen sind deutlich freundlicher. Der Regierungsrat hat den Kantonsbeitrag (3 Millionen) bereits bewilligt, der Gemeinderat soll im Februar über 7,85 Millionen Franken entscheiden. Das Ja dort scheint sicher, wie die Nachfrage bei den grössten Fraktionen zeigt. Wohl wegen desdeutlich höheren Beitrags der Stadt Zürich liess sich der Berner Stadtrat Reto Nause so zitieren: «Zürich klotzt, Bern präsentiert eine Kandidatur der Herzen.»
Er tut den Zürchern damit etwas Unrecht, die Radpassion ist bei diesen sehr wohl zu spüren. Was auch damit zu tun hat, dass die WM nicht nur ein einwöchiger Sportevent sein soll, sondern ein Vehikel, um die Veloförderung generell zu intensivieren. Die Zürcher streichen ihre Kompetenz für Grossanlässe heraus, das Konzept der Rad-WM formulieren sie bewusst noch offen, etwa ob die Rennen am See, in der Stadt oder in Oerlikon zu Ende gehen werden.
Damit bleibt die Frage, was für den Vorstand von Swiss Cycling, der entscheiden wird, zentral ist. Er fordert sportlich hochstehende Wettkämpfe, die nachhaltig sind, wobei der sportliche Aspekt im Vordergrund steht. Es fragt sich also: Wie sehr wird der Verband von den Velo-Begleitmassnahmen der WM-Stadt profitieren? Welche Kandidatur wird der Nachwuchsförderung einen grösseren Dienst erweisen? Diese Fragen müssen die Bewerbungsdossiers klären, anhand deren am 13. März die WM vergeben wird.
Wer darf 2020 organisieren?
2024 wird die zweite Schweizer Rad-WM innert kürzester Zeit stattfinden – Aigle und Martigny übernahmen kurzfristig die Organisation der WM 2020, nachdem sich Vicenza wegen Finanzproblemen zurückgezogen hatte. Das ist ein sportliches Unterfangen, zwei Jahre sind ein knapper Zeitraum, um einen Event mit knapp 20 Millionen Franken Budget zu stemmen. Ursprünglich war denn auch die Finanzierung die grosse Sorge der Westschweizer. Diese löste sich aber Ende 2018 auf, als der Bund einen Beitrag von 3 Millionen sprach – Kantone und Gemeinden folgten.
Nun sind es Machtkämpfe, die die WM 2020 umtreiben: Da die Kantone Waadt und Wallis den Event nicht selber organisieren wollen, balgen sich mehrere Parteien darum, die WM umsetzen zu dürfen. Der Verband Swiss Cycling als Rechteinhaber der WM will bis Ende Januar Klarheit.







