«Haaalllooo, Veeelllooo!» Zunächst verhallt der Ruf unerwidert. Doch schon ein paar Rufe später, folgt auf das lang gezogene «Hallo» aus unzähligen Kindermündern das Echo. Fortan wird jedes «Hallo» mit einem lauten «Velo»-Ruf quittiert. Die Kidical Mass ist in vollem Gang. Im Tross radeln die Kleinsten, einige auf Laufvelos, in Begleitung ihrer Eltern durch die Stadt.
Wenn man so will, ist die Veranstaltung die kleine Schwester der bekannten Critical-Mass-Ausfahrten. Während die Critical Mass gemäss Definition aber ein spontanes Treffen von Gleichgesinnten ist und ohne offizielle Organisatoren oder Bewilligungen auskommt, verhält es sich mit der Kidical Mass ein wenig anders. In Zürich beispielsweise steht der Verein Vélorution hinter den Veranstaltungen. Dieser hat sich die Förderung der Velokultur in der Schweiz auf die Fahne geschrieben – insbesondere mit der «Durchführung von Aktionen rund ums Velo in der Gesellschaft», wie in den Statuten nachzulesen ist.
Mit der Kidical Mass wolle man beim Nachwuchs die Freude am Radfahren wecken. «Die Kinder sind unsere Zukunft», heisst es beim Verein dazu. «Wenn sie heute aufs Velo steigen, fahren sie auch morgen damit.» Denn: In der Schweiz ist die Velonutzung bei Kindern und Jugendlichen rückläufig. Der Verein sieht einen Grund dafür in den unsicheren Strassen. Mit den Veloumzügen wolle man der Forderung Nachdruck verleihen, den Strassenraum für Kinder sicherer und angenehmer zu gestalten.
Bewilligte «Demo»
Die Kidical-Mass-Ausfahrten werden durch Vélorution bei der Polizei angemeldet und finden mit Bewilligung statt. Uniformierte Beamte und Vereinsmitglieder begleiten den Tross und sorgen unterwegs – speziell an Kreuzungen – für die Verkehrssicherheit. Für die Kinder ist das toll. Die Tochter des Schreibenden war bei ihrer ersten Kidical Mass ganz stolz darauf, endlich einmal wie «die Grossen» auf der Strasse zu radeln. Zudem fand sie grossen Spass daran, mit Gleichaltrigen herumzukurven.
«Haaalllooo, Veeelllooo!»
Am Ende war sie aber auch sichtlich geschafft. Das Fahren in der Gruppe ist anstrengend für ein Kind im Vorschulalter. Es gibt viel zu sehen. Gleichzeitig muss auf die Strasse und die anderen Teilnehmerinnen geachtet werden. Wer zur Seite statt nach vorne schaut und nicht merkt, dass der Tross bremst, fährt in den Vordermann. Da das Tempo aber gemächlich ist, verlaufen Stürze in der Regel glimpflich.
Lobende Worte von Pro Velo
«Die Kidical Mass ist eine super Sache», sagt Andrea Freiermuth, Kommunikationsverantwortliche von Pro Velo Zürich. «Sie verfolgt dieselbe Stossrichtung wie unsere eigenen Initiativen Bike2School oder Défi Vélo: Sie will für das Velofahren begeistern. Dass es nun einen speziellen Event für die ganz Kleinen gibt, ist toll.» So hätten bereits Vorschulkinder die Möglichkeit, die Stadt einmal aus einer ganz anderen Perspektive zu erleben, fügt Freiermuth an. Denn leider sei es ja so, dass man mit Kindern nicht sorglos durch die Stadt fahren könne. Im geschützten Rahmen der Kidical Mass sei das möglich. Und natürlich hoffe man ebenfalls, dass die Kinder einst zu begeisterten Alltagsvelofahrerinnen werden.
Pro Velo unterstützt die Veranstaltungen darum ideell und weist jeweils über die eigenen Kanäle darauf hin. Pro-Velo-Vorstandsmitglieder nehmen selbst auch regelmässig teil.
Weitere Städte springen auf
Eine Anfrage von Velojournal bei verschiedenen Pro-Velo-Regionalverbänden zeigt, dass das Thema auch bei ihnen auf Interesse stösst. Derzeit laufen etwa in Baden Bemühungen, im kommenden Jahr eine Ausfahrt zu organisieren. «Im November werden wir die Jahresplanung machen», sagt Marianne Müller. Sie sieht in der Kidical Mass eine Chance für ihren Verband. Über die Kinder erreiche man die Eltern, denen an einer sicheren Veloinfrastruktur gelegen sei. Die auf den Nachwuchs ausgerichteten Anlässe sind damit auch ein gutes Mittel zur Pro-Velo-Mitgliederwerbung.
