Velofahren ist angesagt. Vier von zehn Schweizerinnen und Schweizern schwingen sich regelmässig auf den Sattel. Die Infrastruktur – durchgängige und gut ausgebaute Radwege – ist aber noch deutlich ausbaufähig. Weniger im Freizeit- als vielmehr im Alltagsveloverkehr. So auch im Kanton Graubünden. Der Tourismuskanton besitzt ein auf Mountainbikes ausgelegtes Streckennetz von gegen 4000 Kilometern Länge. Beim Alltagsnetz gibt es Verbesserungspotenzial. Abhilfe schaffen soll der Sachplan Velo. Der Kanton hat das Dokument im April 2018 vorgelegt. Bis Anfang Juni läuft die Vernehmlassung.
Wohin es künftig gehen soll
Der flächenmässig grösste Kanton der Schweiz hat sein gesamtes Radroutennetz untersucht. Der Ist-Zustand zeigt, welche Strecken aus Kantonssicht wichtig sind und gefördert werden sollten und wo Verbesserungspotenzial geortet wird. Der Sachplan unterteilt die Velostrecken in ein Netz für den Alltags- und eines für den Freizeitverkehr. Für beide Bereiche wurden zusätzlich ein Grundnetz und ein Ergänzungsnetz festgelegt. Da, wie der Kanton festhält, das Freizeitnetz bereits auf hohem Niveau ist, kommt dem Grundnetz des Alltagsverkehrs die höchste Bedeutung zu. «Pendlerinnen und Pendler sollen vermehrt von den Vorteilen des Velofahrens profitieren können», sagt der Bündner Regierungspräsident Mario Cavigelli. Mit dem Sachplan Velo schaffe der Kanton die planerische Grundlage für die Förderung des Velos als Transportmittel für den Alltagsverkehr.
Von Beginn an in den Sachplan involviert war Pro Velo Graubünden. Der Verband wirkte in den vergangenen zwei Jahren im Beirat an der Erarbeitung mit. «Der Kanton Graubünden hat einen wichtigen und grossen Schritt zur längerfristigen und systematischen Veloförderung gemacht», konstatiert Edi Rölli. Der Geschäftsführer des Bündner Regionalverbands zeigt sich angetan von der Arbeit des Kantons. Man stehe voll hinter dem Sachplan und erachte ihn als Basis für die künftige Arbeit. Rölli äussert aber auch Bedenken. Er bedauert, dass es sich um ein reines Wegbauprojekt handle. Mit dem Sachplan stellt der Kanton Graubünden den Gemeinden Geld für die Veloförderung in Aussicht. Die höchsten Beiträge winken für die Umsetzung von Etappen mit «überwiegend kantonaler Bedeutung». Der Kanton trägt bis zu 80 Prozent der Kosten von als wichtig definierten Pendelstrecken.
Gemeinden als Hürde
Andere Massnahmen als Velowegbau sind im Sachplan aber nicht vorgesehen. Für die Förderung des Velofahrens im Alltag sei die geeignete Parkierung aber von ebenso entscheidender Bedeutung wie das Velonetz selbst, sagt Rölli. Ein Kritikpunkt, den Pro Velo von Beginn weg geäussert habe und nun auch in die laufende Vernehmlassung mit einfliessen lasse. «Aber nicht, dass wir uns falsch verstehen: Der Sachplan als Ganzes ist gut und ein richtiges Instrument.» Er sei in der vorliegenden Form aber nicht optimal.
Während Edi Rölli dem Kanton den Willen zur Veloförderung attestiert, hat er bei den Gemeinden etwas Zweifel. «Die Gemeindeautonomie verhindert eine zügige Umsetzung.» Das kantonale Velonetz werde nur so gut, wie die Kommunen am Aus- und Weiterbau mitarbeiteten. Mit dem Sachplan hat der Kanton Wege mit «überwiegend kantonaler Bedeutung» – sprich das Pendelnetz – definiert. Anders als beim Autoverkehr, wo der Kanton die Kantonsstrassen plant, finanziert und unterhält, liegt das Velowegnetz aber in Gemeindehoheit. «Das hemmt eine effektive, kommunenübergreifende Veloförderung, weil die Gemeinden meistens nur innerhalb der eigenen Grenzen denken und planen», erläutert Rölli. Ein Beispiel dafür sei der immer wieder hinausgezögerte Bau eines Velowegs zwischen Trimmis und Chur – ein Vorhaben, das bereits seit 30 (!) Jahren auf der Agenda stehe. Für Pro Velo ist klar, dass die Umsetzung des Sachplans noch einige Arbeit – nicht zuletzt auf Gemeindeebene – mit sich bringt. «Wir treten weiterhin mit dem Kanton in die Pedale», so der Pro-Velo-Graubünden-Geschäftsführer.
www.provelogr.ch
Fabian Baumann
30.05.2018







