Bern, Luzern, St.?Gallen und Zürich haben im Rahmen eines Pilotversuchs Velostrassen getestet (Velojournal berichtete). Radlerinnen – aber auch Töfffahrer und Autolenkerinnen – hatten darauf gegenüber dem von rechts kommenden Verkehr Vortritt. Als Versuchsabschnitte wurden jeweils Strecken mit Tempo 30 gewählt, auf denen die Velos mindestens einen 50-Prozent-Anteil am Gesamtverkehr haben. Fast ein Jahr lang, nämlich bis Ende September 2017, wurden die Pilot-Velostrassen beobachtet. Seit Januar 2019 liegt die detaillierte Auswertung vor. Die gute Nachricht ist: Das Bundesamt für Strassen (Astra) sieht in der Einführung von Velostrassen kein Sicherheitsrisiko. Zwar wurden während der Pilotphase in einigen Städten Unfälle verzeichnet. Es bestehen aber keine «belastbaren Hinweise auf vermehrte Konflikte oder auf eine Sicherheitseinbusse», ist im Schlussbericht nachzulesen. Trotzdem fällt die Bilanz durchzogen aus. Gemäss Astra konnte kein Nutzen der Velostrassen für die Veloförderung, den Velokomfort oder die Velosicherheit nachgewiesen werden.
Positive und negative Auswirkungen
Die Gründe für die Skepsis des Astra sind vielfältig. In den betroffenen Stadtquartieren stiessen die Velostrassen auf eine hohe Akzeptanz. Zudem fühlten sich die Verkehrsteilnehmer auf den Streckenabschnitten sicher. Allerdings zeigten begleitende Befragungen, dass jeder zweite Anwohner das neue Verkehrsregime des aufgehobenen Rechtsvortritts nicht verstand. Die Radfahrenden selbst waren mit den Velostrassen zufrieden. Auf einigen Strecken – etwa in Basel oder Bern – nahm der Veloverkehr auf den Testabschnitten deutlich zu. Das neue Verkehrsregime schien aber nicht nur den Radlerinnen zu gefallen. Denn auch der Autoverkehr stieg vereinzelt an. Und nicht nur das: Auf einer Pilotstrasse in Bern erhöhte sich das Durchschnittstempo der Autos. Eine «unerwünschte Entwicklung», wie es im Schlussbericht heisst. Unerwünschte Entwicklungen stellte das Astra auch mit Blick auf die Radfahrenden fest. So wurden mancherorts mehr nebeneinanderfahrende Velos beobachtet als zuvor. Weil die Autoren des Schlussberichts weder zu einem klar positiven noch zu einen negativen Fazit gelangen, will das Astra vorerst keine Empfehlung für die Einführung von Velostrassen abgeben.
Städte wollen Velostrassen
Bei den am Pilotprojekt beteiligten Städten stösst das Bundesamt mit seiner Haltung auf Unverständnis. «Aus Sicht der Stadt Zürich ist nicht nachvollziehbar, dass Velostrassen im Rahmen der vorliegenden Revision der Verkehrsregeln und Signalisationsvorschriften keine Aufnahme in die Strassensignalisationsverordnung gefunden haben», sagt Heiko Ciceri, Kommunikationsverantwortlicher der Dienstabteilung Verkehr. Ähnlich tönt es aus Basel. Die Stadt am Rheinknie hält es für zentral, dass die Velostrassen auf Bundesebene gesetzlich verankert werden. «Insbesondere mit Blick auf den ‹Bundesbeschluss Velo› ist die Veloförderung voranzutreiben», schreibt das Basler Bau- und Verkehrsdepartement in einer Mitteilung. Luzern sieht in den Resultaten des Velostrassenversuchs «die positiven Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern bestätigt». Längst sind Velostrassen nicht nur in den Zweiradhochburgen Amsterdam und Kopenhagen, sondern auch in deutschen und österreichischen Städten ein Erfolgsmodell. Die am Pilotprojekt beteiligten Städte sprechen sich geschlossen für die definitive Einführung der Velostrassen in der Schweiz aus. Diese seien ein wichtiger Mosaikstein in der Veloverkehrsförderung, heisst es aus Basel, Bern, Luzern, St.?Gallen und Zürich.
Offener Ausgang
Gestützt auf die nun vorliegenden Resultate wolle man sich als Nächstes mit Fachgremien und Interessenverbänden austauschen und danach über das weitere Vorgehen entscheiden, heisst es beim Astra. Einen Zeithorizont gibt es dafür nicht. Ob Velostrassen dereinst auch in der Schweiz eingeführt werden, steht in den Sternen.







