Eigentlich soll es ja gar kein Rennen sein – deshalb gibt es auch keine Rangliste. Vielmehr ist dieses erste Schweizer Vintage-Velo-Festival als «touristisch-historische Ausfahrt» gedacht. Für die echten Helden liefert die eigentliche Bergkönig-Runde gleichwohl eine rennmässige Herausforderung: 103 km mit 2400 Höhenmetern auf kleinen Bergstrassen – wie anno dazumal im Grenzgebiet von Berner Oberland, Freiburger und Waadtländer Alpen – mit Schlaglöchern, Schotterpassagen und gespickt mit Kuhfladen. Für die Pedaleurs de Charme hingegen bieten vier frei wählbare Runden zu je rund 20 Kilometern Cruisen mit überschaubaren Steigungen rund um Gstaad.
STILECHTHEIT WIRD BELOHNT
Der unermüdliche Initiant Alex Beeler hat nicht nur eine Affinität für alte Rennräder. Als Veranstalter von Vintage-Autorennen bringt er auch die nötige organisatorische Erfahrung mit. Weil Gstaad als eine der wenigen Alpendestinationen nicht nur für MountainbikerInnen, sondern auch für RennradlerInnen ein prächtiges Routennetz geschaffen hat, stösst er bei der Tourismusorganisation wie auch bei den Gemeinden auf tatkräftige Unterstützung.
Am 25. August fand als Prolog ein kurzer Bergsprint zum Gstaad Palace hinauf statt, wo die TeilnehmerInnen zu einem gediegenen Apéro im Ballsaal geladen waren. Beim erstmals ausgerichteten Concours d’élégance mit 25 drapierten Exklusivitäten aus mehr als 100 Jahren Fahrradbau konnten die TeilnehmerInnen ihren Favoriten küren. Umgekehrt durften sie ihre eigenen Raritäten von einer versierten Jury beurteilen lassen; dem Eroica-Vorbild entsprechend ist Baujahr 1989 Deadline für die Velos.
Besonders in die Kränze kamen heimische Renner. Da tauchten nicht nur jahrzehntealte Allegros, Cilos, Condors, Gerbers, Mondias und Titans aus der Versenkung auf, sondern auch rare Preziosen völlig vergessener Manufakturen. Aber auch für die besten Vintage-Styles winkten Pokale: Für einmal dominierten wie zu guten alten Zeiten Wolltrikots, Würstlihelme und umgebundene Collés. Um dem Anlass auch punkto Namen entsprechenden Glanz zu verleihen, waren heuer noch mehr Cracks aus den Siebziger- bis Neunzigerjahren geladen, etwa die Sprinterkönige und Weltmeister Urs Freuler und Gilbert Glaus, Albert Zweifel oder Paris-Roubaix-Held Thomas Wegmüller.
Die gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelte Teilnehmerzahl bewies das zunehmende Interesse an solchen Veranstaltungen. Erstaunlicherweise wählte die Mehrheit die «harte Tour»; Vintage-Gümmeler sind offenbar gut trainiert. Immerhin konnten sie auf der fordernden Fahrt an diversen Verköstigungsposten ihre Kaloriendepots wieder auffüllen. Noch ausgiebiger nutzten die Pedaleurs de Charme die Gelegenheit, sich mit überraschenden Produkten auf Bauernhöfen und Alpen zu stärken. Wer hätte da etwa gewusst, dass Mehlrost (mit Zucker und Konfitüre gebackenes Mehl) mindestens so sehr sättigt wie ein Energieriegel, aber noch viel leckerer schmeckt?
Bis zur Prämierung blieb Zeit, auf dem Vintage-Markt rare Edelteile zu ergattern. Inoffizieller Bergkönig wurde Noldy Eberli, der mit seinem originalen, nicht restaurierten 1936er-Rad von Imhof (mit Holzfelgen) und seinem Ovo-Verpflegungstäschchen gleich zwei Pokale einheimste. 2019 soll die Drittauflage des Bergkönigs mit einem zusätzlichen Bergrennen dem Namen noch mehr Ehre machen.







