Am Limit

Im Dokumentarfilm «Wonderful Losers» werden für einmal die im Schatten der Siegfahrer stehenden Helferinnen und Wasserträger in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt. 

Bruno Angeli, Autor (info@bruno-angeli.ch)
Film, 29.11.2018

Während sieben Jahren begleitete die Crew des Filmemachers Arunas Matelis die Veloprofis während des Giro d’Italia bei der Ausübung ihres Berufs. Entstanden ist eine äusserst kurzweilige Dokumentation, die selbst RadsportkennerInnen in ihren Bann zu ziehen vermag. Schnell wird einem klar, dass es auch einfachere Wege gibt, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Schinderei auf dem Velo ist in Bildern und – absolut gekonnt – akustisch eingefangen worden. Die Fahrer schnaufen, stöhnen, keuchen und fluchen. Es fliesst Schweiss und zwischendurch gar Blut.

Vier Radprofis hat die Filmcrew für «Wonderful Losers – A Different World» begleitet. Es sind dies die Italiener Daniele Colli und Paolo Tiralongo, der Kanadier Svein Tuft und der Niederländer Jos van Emden. Zwei weitere HauptprotagonistInnen sind die MedizinerInnen Massimo Branca und Elena Della Valle, die als Tourarzt und -ärztin in der Begleit­karawane des Giro mitfahren. Sie klären bei den schmerzgeplagten Rennfahrern im fahrenden Betrieb ab, ob ein Sturz etwa zu einer Hirnerschütterung geführt hat und der Athlet besser vom Rad steigen sollte. Die Abklärungsmethoden aus dem fahrenden Auto heraus lassen manchen Zuschauer erschaudern. Man sieht die unerbittlichen Regeln im Rennzirkus bestätigt: im Zweifelsfall auf dem Rad bleiben, damit der Betrieb weitergehen kann. Eine Fehldiagnose kann ja auch noch im Ziel korrigiert werden.

Die wahren Helden

Matelis ist ein erklärter Radsportfan. Die Website tuttobiciweb.it zitiert den Regisseur so: «Dieser Film ist für mich die Realisierung eines lang gehegten Traumes, den ich seit meiner Kindheit als junger Velorennfahrer hatte: nämlich die grössten Strapazen zu überwinden und die härtesten Berge des Giro zu überwinden. Mit dem Velo Radrennen zu bestreiten, ist nicht einfach nur ein Sport. Die Radrennfahrer sind wie Gladiatoren, es sind durch die Anstrengung abgehärtete Männer, die gegen ihre Gegner unter widrigen Umständen wie Wind, harte Steigungen, Regen und Schnee ankämpfen. Sie kämpfen dabei aber auch gegen die Fragilität und den Egoismus des Menschen.» Und weiter: «Der Radrennsport kann auch als Allegorie unseres sozialen Lebens gesehen werden, wo es Leader und Wasserträger gibt und jeder seine Rolle gemäss seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten einnimmt.»

Die militärischen Anleihen und das Weltbild des Regisseurs muss man nicht teilen, um den Dokumentarfilm «Wonderful Losers – A Different World» gelungen zu finden. Er bietet interessante Einblicke in einen faszinierenden Sport. Und zeigt auf: Die wahren Helden sind die Helfer und Wasserträger, die den Erfolg ihrer Chefs erst ermöglichen. Einzig das Thema Doping bleibt aussen vor. Dazu kann man aber auf andere Dokumentarfilme zurückgreifen: Filme wie «Die Armstrong-Lüge», der im Rahmen dieser Reihe bereits vorgestellt wurde.



«Wonderful Losers – A Different World» (2017)

Regie und Drehbuch: Arunas Matelis Kamera: Giacomo Becherini, Paolo Beniti, Giordano Bianchi, Valdis Celmins, Mark Olexa

Schnitt: Mirjam Jegorov

ProtagonistInnen: Massimo Branca, Daniele Colli, Paolo Tiralongo, Svein Tuft, Elena Della Valle, Jos van Emden

Musik: Alberto R. Lucendo

Sprache: Englisch 

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