Pete Mijnssen,
Chefredaktor
(pete.mijnssen@velojournal.ch)
02.07.2021
Der profilierte Energiejournalist Hanspeter Guggenbühl ist Ende Mai bei einem Verkehrsunfall in der Waadt tödlich verunglückt. Erinnerungen an einen Freund und Kollegen.
Pete Mijnssen,
Chefredaktor
(pete.mijnssen@velojournal.ch)
02.07.2021
«Nach dem Lesen von Hanspeters Unfalltod konnte ich drei Tage nicht mehr aufs Velo steigen», sagt Dres Balmer anlässlich einer Gedenkrundfahrt für den verstorbenen Kollegen. Dieser war Ende Mai in den Veloferien oberhalb von Aigle von einem riskant überholenden Töfffahrer frontal erfasst worden und verstarb noch auf der Unfallstelle. Er war 72 Jahre alt.
Wie Dres Balmer ging es wohl vielen: Beim Lesen der Zeitungsmeldung hofft man, dass es nicht jemanden getroffen hat, den man kennt. In diesem Fall traf die Hiobsbotschaft das nahe Umfeld. Der Tod von Guggenbühl ist auch ein Verlust für die schreibende Zunft der Schweiz, Nachrufe sind quer durch die Medienlandschaft erschienen.
Hanspeter war nicht nur ein ausgewiesener Wirtschafts- und Energiespezialist. Sein unschlagbares Alleinstellungsmerkmal war das Lesen und Ausdeutschen von komplizierten Vorgängen. Nicht wenige sagen, dass HPG (so sein Kürzel) der Einzige der Schweizer Schreibzunft sei, der die dicken Dossiers der Energiekonzerne und der Bundesverwaltung richtig interpretieren könne.
Wie hartnäckig er sein konnte, musste auch Bundesrat Moritz Leuenberger erfahren, als ihn Guggenbühl anlässlich einer Medienkonferenz im Jahre 2008 so lange mit unbequemen Fragen löcherte, bis er entnervt aufgab.
Stummes Mahnmal an der Unfallstelle. (Foto: Simon Bischof)
Hanspeter schrieb hin und wieder auch für das Velojournal. Denn neben dem profunden Wissen zu Energiethemen war das Velo seine Leidenschaft. Deshalb fragte ich ihn 2008 zum Thema Elektrovelo-Boom an und wollte wissen, wie es denn um den wirklichen Energiebedarf bei den abfällig als «Atomtöfflis» bezeichneten Vehikeln stehe. Anfänglich auch von diesem Vorurteil überzeugt, lieferte er ein paar Wochen später eine einleuchtende, nach wie vor gültige Formel: Entscheidend ist (fast) nicht der Strom, der in die Batterien fliesst, es ist vor allem die graue Energie, die wir mitessen. Frei nach dem Motto: «It’s not the electricity – it’s the food, stupid.»
Christine Schwyn, seine Velo- und Skifreundin seit über zehn Jahren, blickt zurück auf glückliche und auch herausfordende Veloreisen und längere Passfahrten mit leichtem Gepäck. «Unzählige» davon hätten sie absolviert. Während den ambitionierten Guggenbühl vor allem die sportliche Leistung herausgefordert habe, habe sie ihn manchmal auch zu kulturellen Abstechern überreden können. So ist das nebenstehende Foto vor den Trulli von Alberobello entstanden.
«Wenn man mit Hanspeter unterwegs war, brauchte man keinen Fahrplan. Es kannte das Kursbuch auswendig und wusste immer, wo man beim Perron warten musste, damit man Zugang zum Velowaggon hatte.»
Mit seiner Lebenspartnerin Beatrix Mühletaler teilte er ein Öko-Reihenhaus in Illnau. Dort war jeweils auch der Treffpunkt für die jährliche Seven-Hills-Rundfahrt mit anschliessender Risotto- und Rotwein-Bewirtung. Noch vor seinen Veloferien hatte er die Einladung verschickt, kurz, knapp und mit präzisen Angaben zu den ÖV-Verbindungen. Zusätzlich der launige Zusatz an die Auto-Kolleginnen und -Kollegen: «Wers nicht lassen kann – Parkplätze beim Bahnhof Illnau.»
Diese Rundfahrt wurde Mitte Juni zur Gedenkfahrt. Die Gedanken auf der oft schweigsamen Ausfahrt waren ganz bei ihm. Der langjährige Weggefährte Marc Locatelli etwa sagt: «Sein Ehrgeiz auf dem Velo und sein Engagement in Diskussionen haben mich immer sehr gefordert und nachhaltig gefördert.»
René Hilpertshauser erinnert sich: «Wenn man mit Hanspeter unterwegs war, brauchte man keinen Fahrplan. Es kannte das Kursbuch auswendig und wusste immer, wo man beim Perron warten musste, damit man Zugang zum Velowaggon hatte.» Kein Wunder hatte Hanspeter kein Handy – im Gegenteil, er hasste diese Dinger. Er, der die kompliziertesten Formeln auswendig konnte und ein As im Kopfrechnen war, stand mit diesen modernen Geräten auf Kriegsfuss.
Alte Schule also und damit auch ein unbestechlicher Verfechter des klassischen Journalismus, wie es ihn immer weniger gibt. Gerade kürzlich hatte er mich zu den Doppelrollen der schreibenden Velo-Exponenten (darunter auch beim Velojournal) befragt. Das war der letzte Kontakt, am Unfalltag hatte ich ihm noch geantwortet. Er wird dies nicht mehr lesen. Wir vermissen dich, Hanspeter – deinen Scharfsinn, deinen Witz – alles. Unser Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen.
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