Velofahren hat ein grünes Image. Doch bei der umwelt- und sozialverträglichen Fertigung der Produkte und deren Entsorgung gibt es vielerorts Nachholbedarf. Seit ein paar Jahren sind jedoch durchaus bemerkenswerte Bestrebungen in der Fahrradbranche zu beobachten. Vor allem im Textilbereich: So setzen Unternehmen wie etwa Vaude auf Transparenz, soziale Standards sowie eine umweltverträgliche Produktion. Aber wie schaut es in der Veloindustrie aus? Versuchen sich die Unternehmen mit ihren grünen Werbeslogans nur ins rechte Licht zu rücken, oder stecken gesamtheitliche Strategien dahinter?
Das Prinzip «Nachhaltigkeit» umfasst Ökonomie, Soziales und Ökologie, ist vielschichtig und komplex. Um die Welt für die kommenden Generationen zu bewahren, muss die Fahrradbranche ganzheitlich ans Werk. So differenziert «Nachhaltigkeit» eigentlich ist, so inflationär und pauschal wird damit von vielen Unternehmen in ihrer Marketingstrategie ohne konkrete Detailangaben geworben. Da ist genaues Hinschauen gefragt. Letztlich muss es für die Velobranche aber darum gehen, möglichst transparente Angebote zu schaffen. Denn klar ist: Das Velo ist in der Gesamtschau kein Null-Emissionen-Fahrzeug. Mit seiner Elektrifizierung noch weniger.

Die langen Transportwege nach Europa lassen sich nicht wegdiskutieren. Bei den Arbeitsbedingungen geht fair aber auch in Asien, wie etwa Vaude zeigt. (Bild: Vaude)
Geht es nach den Plänen der EU, werden Unternehmen künftig per Gesetz zu Transparenz verpflichtet. Und das nicht zum Spass. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Unternehmen mittelfristig für ihre verursachten Kosten für die Umwelt und die Gesellschaft steuerlich bepreist werden. Und wenn es dazu kommt, wird auch in der Schweiz ein gewisser Anpassungsdruck spürbar sein.
Noch sind aber wenige Unternehmen in der Velobranche darum bemüht, die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu veröffentlichen. Als gutes Beispiel geht hier etwa Riese & Müller voran. Im letzten Jahr publizierte der Hersteller seinen ersten Verantwortungsbericht. Dieser gewährt einen detaillierten Einblick, wo der Hersteller heute steht und wie er bis 2025 zum nachhaltigsten Unternehmen in der E-Bike-Branche werden will. Kritiker monieren, dass die Evaluierung nicht von externen Umweltprüfern stammt, sondern von Riese & Müller selbst. Betrachtet man das Engagement des Unternehmens, erscheint der Bericht aber glaubwürdig.
Mit Vorbildcharakter
Einen Schritt weiter ist das Zedler Institut für Fahrradtechnik und -sicherheit. Nachhaltigkeit und Transparenz gehören dort schon länger zur Unternehmenskultur: Das 2018 nach dem Cradle-to-Cradle-Ansatz fertig gebaute Firmengebäude wurde für seine negative CO2-Jahresbilanz mit Bestnote zertifiziert. Dazu erhielt die Zedler Gruppe 2020 den Umweltpreis für Unternehmen.
Auch in der Schweizer Branche finden sich vorbildliche Bemühungen. Etwa bei Veloplus oder beim Traditionshersteller Tour de Suisse Rad (TdS): Dort wird etwa der Strombedarf zu drei Viertel durch die hauseigene Photovoltaikanlage gedeckt. Überdies bezieht das Unternehmen ausschliesslich Biogas als Wärmequelle. Und seit dem letzten Jahr werden die Velos in der Kreuzlinger Manufaktur gemäss eigenen Angaben nahezu CO2-neutral produziert.

Produkt der Globalisierung: Das Velo aus der Region für die Region gibt es (noch) nicht. (Bild: Flyer)
Hinzu kommt, dass eine marktnahe Montage gemessen am Nachhaltigkeitsprinzip grundsätzlich positiv zu beurteilen ist: So erfolgt der Einkauf der Ware bei TdS in Einzelteilen und wird platzsparend transportiert, andererseits stösst der aufs Inland beschränkte Versand der Velos relativ wenig Treibhausgase aus. Auch unterhält das Unternehmen Arbeitsplätze im Inland und bildet Nachwuchs aus. Entsprechend ist «Nachhaltigkeit» im Leitbild von TdS verankert. Andere Schweizer Lieferanten sind damit zurückhaltender, was aber nicht heisst, dass sie untätig sind, wie Recherchen von Cyclinfo zeigen.
Ein konzertiertes Vorgehen, wie in Deutschland, zeichnet sich in der Schweizer Branche allerdings nicht ab. Ende des letzten Jahres haben dort 22 Unternehmen eine «Bike Charta» für nachhaltiges Handeln ins Leben gerufen. Unterzeichner waren unter anderem Riese & Müller, Croozer oder Schwalbe.
Die «Bike Charta» zielt auf eine nachhaltige Produktion des Fahrrades ab.
Über zwölf Monate entwickelten sechs deutsche Branchenunternehmen den Aktionsplan für Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz rund um die Produkte und Dienstleistungen der Fahrradindustrie. Damit wollen sie die nachhaltige Produktion des Velos von den Ressourcen über die Lieferkette bis hin zu den Unternehmen und der Beleg- und Kundschaft unter die Lupe nehmen, um ihrer Verantwortung ganzheitlich Rechnung zu tragen.
Ganzheitlich ans Werk
Die «Bike Charta» orientiert sich an deutschen sowie internationalen Gesetzen und stellt Massnahmen in den Bereichen Markt und Umwelt, aber auch Arbeitsplatz und Gesellschaft vor. Zudem umfasst sie 18 Themenbereiche rund um Produktion, Standort, soziale Relevanz und strategisches CSR-Management mit total 110 konkreten Handlungsmöglichkeiten.
Ähnliche, aber nicht so weitreichende Ziele verfolgt der Schweizer Wirtschaftsverband Swisscleantech. Mit seinen rund 600 Mitgliedern aus allen Branchen setzt sich dieser für eine nachhaltige Wirtschaft ein; darunter mit Ruuf Cargomobil oder Veloplus auch Vertreter der Fahrradbranche. Auch Swisscleantech hat eine Charta mit dem Ziel erlassen, die Schweiz bis spätestens 2050 zur CO2-Neutralität zu bringen. Nach Eile klingt das nicht.
(Aus Cyclinfo Magazin 1/2022 zum Thema «Nachhaltigkeit».)







