Wie sich Cargobikes unterscheiden – Eine Typenkunde

Auf Schweizer Strassen sind immer mehr Lastenvelos unterwegs. Es gibt E-Cargobikes für verschiedenste Einsatzzwecke. Unsere Typenkunde erklärt die wichtigsten Unterschiede und hilft bei der Wahl des richtigen Lastenrads.

Marius Graber

Marius Graber, Redaktor (marius.graber@velojournal.ch)
News, Ratgeber, 22.02.2023

Schon immer wurden Lasten mit dem Velo transportiert. Auch Dinge, die grösser sind als das, was auf einem normalen Gepäckträger Platz findet.

Weil grössere Lasten mehr Wadenpower verlangen, war der Warentransport per Velo lange eine sportliche Angelegenheit. Mit dem Aufkommen der E-Bikes änderte sich das radikal.

Dank des Zusatzschubs der Elektromotoren braucht man kein Kraftprotz mehr zu sein, um zwei Kinder mit dem Transportvelo den Hang hochzubringen oder mit einer grösseren Lieferung auf der Ladefläche quer durch die Innenstadt zu radeln. Und dies selbst im hügeligen Lausanne oder in St. Gallen.

Angebot wird immer grösser

Das Angebot an Transportvelos hat sich in den letzten Jahren stark vergrössert. Waren es anfänglich nur wenige, spezialisierte Firmen, die mit viel Enthusiasmus an ihren Produkten werkelten, steigen zunehmend ganz grosse und traditionelle Firmen wie Cube, Bergamont oder Kettler ein und bieten Cargobikes an.

Doch nicht nur die Zahl der Anbieter nimmt zu, sondern auch die Vielfalt der Typen und Modelle. Einerseits verwischt sich mit kleineren Transportvelos die Grenze zum normalen Velo. Andererseits kommen auch immer mehr Grosstransporter auf den Markt, die das Gepäckvolumen eines kleinen Lieferwagens abdecken können.

Ein- oder mehrspuriges Lastenrad?

Die Grosstransporter sind für bis zu 300 Kilo Transportkapazität ausgelegt, was aufgrund der Gesetzgebung hierzulande aber leider bei Weitem nicht ausgenutzt werden kann.

Um so viel Last sicher transportieren zu können, ist neben einem starken Motor und guten Bremsen auch unabdingbar, dass diese Fahrzeuge als Mehrspurer – meist als Dreiräder – gebaut werden.

So muss das grosse Gewicht nicht balanciert werden, und die Fahrzeuge stehen sicher beim Be- und Entladen. Aus den gleichen Gründen bieten sich Dreiräder auch für leichtere Lasten an.

Sie haben jedoch den Nachteil, dass man sich mit ihnen nicht in die Kurve legen kann und deshalb keine rasante, dynamische Fahrt möglich ist. Aus diesem Grund sind einige Dreiräder mit einer Kurvenneigetechnik versehen, was eine schnelle Fahrt zulässt.

Allerdings brauchen diese Fahrzeuge meist etwas Angewöhnungszeit, bis man damit behände fahren kann. Dies ist aber bei fast allen Lastenvelos der Fall. Gerade wenn es gut beladen ist, verhält sich ein solches Gefährt anders als ein normales Velo, dessen Beherrschung man ja aber auch nicht in zwei Minuten gelernt hat.

Am neutralsten fahren die sogenannten «Backloader», was ein Vorteil ist, wenn sie von mehreren Personen allenfalls auch nur sporadisch genutzt werden.

Starker Motor, starke Bremsen

Insbesondere die starken Antriebe, die spezifisch für E-Mountainbikes entwickelt wurden, eignen sich von ihrer Charakteristik her gut auch für Transportvelos. So kommt bei vielen Modellen der Bosch-«Cargo Line»-Motor zum Einsatz, der sehr stark dem «CX»-Mountainbike-Motor ähnelt.

Auch der neue, starke Shimano-Mountainbike-Motor wird oft bei Transportvelos eingesetzt. In der Schweiz wären laut Gesetz zwar bis zu 1000 Watt starke Motoren erlaubt. Weil dies aber so gut wie in keinem anderen Land der Fall ist, gibt es nur ganz wenige Motoren mit so kräftigem Antrieb, die dann allerdings nicht in die auf einen internationalen Markt ausgerichteten Produkte eingebaut werden.

Knackpunkt: Bremsen

Leider hat die Entwicklung der Bremsen mit der Erstarkung der E-Bike-Motoren nicht Schritt gehalten. Das haben einige Cargobike-Besitzerinnen und -Besitzer durch einen sehr grossen Verschleiss an Bremsbelägen zu spüren bekommen.

Aus den Niederlanden oder Dänemark kommen immer wieder Lastenvelos mit Trommel- oder Rollenbremsen. Diese sind für die hiesige Topo­grafie absolut unterdimensioniert. Spezielle, auf Cargobikes ausgerichtete Bremsen kommen nun aber allmählich auf den Markt. Einige Hersteller greifen für die Grosstransporter auf Motorradbremsen zurück.

War es vor fünf oder sechs Jahren noch schwierig, ein Transportvelo mit starkem, verlässlichem Motor zu kaufen, hat der Wind inzwischen komplett gedreht. Nun sind Transportvelos ohne Motor nur noch schwer zu bekommen.

Die meisten Hersteller sind dazu übergegangen, ihre Velos ausschliesslich mit E-Antrieb zu produzieren. Die dänischen Hersteller Omnium und Larry vs. Harry sind mit ihren relativ leichten, ursprünglich für Velokuriere entworfenen Modellen unterdessen die Ausnahme – zusammen mit Christiania und Bakfiets, die sehr traditionelle Fahrzeuge anbieten.

Die Qual der Wahl

Bei der Wahl des richtigen Cargobikes ist neben dem Grundmodell fast entscheidender, welche Aufbauten dazu angeboten werden. So führen nicht sämtliche Hersteller Kindersitze, und ein praktisches Regenverdeck für die Kleinen ist auch nicht immer erhältlich.

Nicht alle Anbieter haben grosse, abschliessbare Kisten, und manchmal hat eine Plattform für den Verwendungszweck vielleicht einfach um ein paar Zentimeter die falschen Masse. So oder so lohnt es sich, vor dem Kauf mit dem präferierten oder gar mit ein paar verschiedenen Modellen eine Probefahrt zu machen. Denn auch bei den Cargobikes gilt: Ausprobieren hilft beim Studieren.

Cargobike Typenkunde

Leicht-Cargobikes

Beschreibung: Leichte Räder lassen sich auch ohne Motor gut fahren und können so als Ersatz für ein normales Stadtvelo dienen.

Mögliche Zuladung*: bis 100 kg

Transportkapazität**: Ladefläche bis zu 45 × 70 cm

Gewicht*: 16–25 kg

Bewertung: 

+ geringes Eigengewicht

+ auch ohne Motor zu fahren

– beschränkte Transportkapazität

Preis: ab ca. 2200 Franken

Marken: Omnium Cargo (Bild), Bullitt, Muli

Heavy-Load-E-Bikes

Beschreibung: Sehr massiv gebautes E-Bike mit massivem Gepäckträger vorne und hinten.

Mögliche Zuladung*: 40–60 kg

Transportkapazität**: Meist sind die Gepäckträger auf zwei 30 × 40 cm grosse Normbehälter ausgelegt.

Gewicht*: ca. 28–35 kg

Bewertung:

+ gewohntes Fahrverhalten 

+ kompakt, einfach zu parkieren

– begrenzte Transportkapazität

Preis: ab ca. 4000 Franken

Marken: Flyer (Bild), Bergamont, KTM

Backloader

Beschreibung: Der überlange hintere Fahrradteil mit langem Gepäckträger und seitlichen Abstellflächen zeichnet einen Backloader aus. Meist sind die Bikes mit zusätzlichem Frontgepäckträger ausgerüstet.

Mögliche Zuladung*: bis 100 kg

Transportkapazität**: Gepäckträger hinten bis zu 60 cm lang, Gepäckträger vorne meist für 30 × 40 cm

Gewicht*: 30–40 kg

Bewertung:

+ unterscheidet sich im Fahrverhalten kaum von einem normalen Fahrrad

+ vielfältige Beladungsmöglichkeiten

– ungeeignet für sehr grossvolumiges Transportgut

Preis: ab ca. 2200 Franken

Marken: Benno Bikes, Tern, Riese & Müller, Bergamont (Bild), Kettler, Yuba

Frontloader

Beschreibung: Grosse Gepäckfläche zwischen Lenker und Vorderrad, der Klassiker unter den Cargobikes.

Mögliche Zuladung*: bis 120 kg

Transportkapazität**: Ladefläche bis zu 80 × 60 cm

Gewicht*: 35–45 kg

Bewertung:

+ tiefer Schwerpunkt für Last, grosse Transportfläche

+ unterschiedliche Aufbauten erhältlich

+ Last im Blickfeld

– braucht etwas Angewöhnungszeit beim Fahren

Preis: ab ca. 3800 Franken

Marken: Riese & Müller, Bullitt, Urban Arrow (Bild unten), Triobike, Douze, Kettler, Hercules, Bergamont, Cube, Elian, Bakfiets, Babboe, Ca Go

Dreirad

Beschreibung: Grosse Ladefläche zwischen den beiden Vorderrädern, daher angesichts der Transportkapazität recht kompakt.

Mögliche Zuladung*: bis 170 kg

Transportkapazität**: Ladefläche bis zu 60 × 120 cm

Gewicht*: 40–50 kg

Bewertung:

+ grosse Ladefläche

+ einfach zu beladen, steht sehr gut

– lässt keine sehr dynamische Fahrt zu, ideal für gemütliche Fahrten

– breit, dadurch etwas weniger agil im Strassenverkehr

Preis: ab ca. 4000 Franken

Marken: Christiania, Bakfiets, Babboe, Triobike (Bild), Winther

Dreirad mit Neigetechnik

Beschreibung: Ladefläche zwischen, hinter oder über den Vorderrädern. Neigetechnik ermöglicht dynamisches Fahren trotz Mehrspurigkeit.

Mögliche Zuladung*: bis 100 kg

Transportkapazität**: Ladefläche bis zu 80 × 60 cm

Gewicht*: 40–50 kg

Bewertung:

+ lässt dynamisches Fahren trotz Mehrspurigkeit zu

+ grosse Ladefläche

– braucht Angewöhnungszeit beim Fahren

Preis: ab ca. 6000 Franken

Marken: Butchers & Bicycles, Chike (Bild), HNF-Nicolai, Babboe

Schwerlast- / Grossraum-Cargbobike

Beschreibung: Grosse Ladefläche in Palettengrösse, hohe Lasten möglich, als Dreirad, zum Teil mit Motorradtechnik, ausgestattet.

Mögliche Zuladung*: bis 300 kg

Transportkapazität**: Ladefläche bis zu 145 × 80 cm

Gewicht*: 60–90 kg

Bewertung:

+ grosse Ladeflächen

+ hohe Lasten möglich

– schwer, dadurch auch etwas schwerfällig

– Transportkapazität kann mit den Schweizer Gesetzen nur mit Bewilligung ausgeschöpft werden

Preis: ab ca. 8000 Franken

Marken: Radkutsche*** (Bild), Gleam Bike, Urban Arrow

Fahrradanhänger

Beschreibung: Zusammen mit einem starken E-Bike wird der Anhänger zum Cargobike.

Mögliche Zuladung*: bis 100 kg

Transportkapazität**: Ladefläche bis zu 80 × 160 cm, bis zu 400 l Volumen

Gewicht*: 10–45 kg

Bewertung:

+ flexibel (kann bei Nichtgebrauch vom Velo getrennt werden)

+ bei geringer/mittlerer Zuladung einfach zu fahren

– Last wird in der Regel nur durch Zugfahrrad gebremst

Preis: ab ca. 800 Franken

Marken: Carla Cargo, Carry Freedom, Hinterher (Bild), Polyroly, Vitelli

Das sagt das Gesetz 

Transportvelos dürfen in der Schweiz eine Maximalbreite von 100 cm nicht überschreiten, bezüglich Maximallänge gibt es keine Vorgaben. Das Maximalgewicht ist auf 200 kg beschränkt. Das heisst, dass bei einem Cargobike, das 45 kg wiegt und von einem Fahrer mit 90 kg Körpergewicht gefahren wird, maximal 65 kg befördert werden dürfen.

Einspurige Transportvelos sind als Leicht-Motorfahrräder (Motorunterstützung bis 25 km/h, maximale Motoren-Nennleistung 500 Watt) oder als Motorfahrräder (Motorunterstützung bis 45 km/h, maximale Motoren-Nennleistung 1000 Watt) zugelassen. Mehrspurige Fahrzeuge sind nur als Leicht-Motorfahrrad zugelassen. 

Maximal 3 Kinder 

Mit Cargobikes können maximal zwei Kinder in dafür eingerichteten Sitzplätzen plus eines auf einem zusätzlich montierten Kindersitz mitgeführt werden, auch wenn weitere Sitzplätze zur Verfügung stehen würden. Mit als Motorfahrrad klassifizierten Cargobikes darf allerdings nur ein Kind in einem Kindersitz transportiert werden.

Cargobikes dürfen mit Anhängern kombiniert werden. Auch der Anhänger darf maximal 100 cm breit sein, zur Länge gibt es keine Regelung. Das Maximalgewicht (Anhänger plus Last) ist auf 80 Kilo beschränkt. Wird ein Lastenvelo mit einem Kinderanhänger kombiniert, darf zu den zwei Kindern im Anhänger auf dem Cargobike maximal ein Kind in dem anmontierten Kindersitz (nicht in den Cargobike-Sitzen) mitgenommen werden.

Gesetz hinkt technischer Entwicklung hinterher

Die zum Teil aus derzeitiger technischer Sicht schwer nachvollziehbaren Bestimmungen machen deutlich, dass diese in der Zeit vor den modernen Cargobikes entstanden sind. Eine Anpassung auf den aktuellen Stand der Technik wäre dringend nötig.


* Unterschiedlich, je nach Marke/Modell, in der Schweiz eine etwas theoretische Zahl, da das Maximalgewicht von Fahrzeug, Fahrer und Zuladung auf 200 Kilo beschränkt ist.

** Unterschiedlich nach Marke/Modell.

*** Mit Zulassung/Nummernschild Maximalgewicht von 300 Kilo erlaubt.

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