Online-Handel boomt auch in der Velobranche

Der Online-Handel legte in der Schweiz im vergangenen Jahr wieder um 10 Prozent zu - und das zu Lasten des stationären Handels. Wie schaut es in dieser Hinsicht in der Schweizer Velobranche aus? Cyclinfo wollte es wissen und hat verschiedene Akteure um Statements gebeten. Und interessante Antworten erhalten.

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Branche, 08.03.2019

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Im Kalenderjahr 2018 konnte der Onlinehandel seinen Umsatz nochmals um rund 10 Prozent steigern. Somit floss rund eine Milliarde Franken aus den Taschen der Konsumierenden nicht mehr in die Kassen des stationären Handels, sondern in diejenigen von Versendern. Deren Gesamtumsatz verpasste 2018 haarscharf die 10-Milliarden-Franken-Grenze. Von diesem Umsatz entfallen rund drei Viertel oder CHF 7.6 Milliarden auf Anbieter aus dem Inland und rund ein Viertel oder CHF 2.3 Milliarden auf internationale Anbieter. Letztere wuchsen zuletzt aber deutlich schneller, was nicht zuletzt an der Paketlawine aus Fernost liegt, hinter der immer populärere Versender aus China stehen. Dies alles geht aus der Studie «Umsatzzahlen für den Schweizer Online-Versandhandel» hervor, die im Auftrag des Verbands Schweizer Versandhändler, der Post und des Marktforschungsinstituts GFK Schweiz erstellt wurde. Ausser auf die direkte Erhebung von Daten bei Händlern stützen sich die Autoren der Studie auch auf Versand- und Importstatistiken.

Mit 9.9 Milliarden Franken kratzte das Volumen des Onlinehandels hart an
der 10-Milliarden-Grenze - und legte um eine volle Milliarde zu.
Der Velohandel ist keine Insel
Wie aber sieht das Bild aus Sicht der Velobranche aus? Um sich ein Bild zu verschaffen, hat Cyclinfo eine Reihe von Branchenakteuren kontaktiert, die punkto Omnichannel-Strategie und der Nutzung des Internets zwecks Kundenansprache zu den Pionieren im Lande zählen. Als Mediensprecher von Galaxus bestätigt Alex Hämmerli die Tendenz, die von der Studie aufgezeigt wird: „Die beiden Versender Digitec und Galaxus konnte ihren Umsatz 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent steigern. Bei Velos und Velozubehör war der Zuwachs mit rund 40 Prozent nochmals markant stärker.“ Aus Sicht vom Migros Genossenschaftsbund fügt Mediensprecher Patrick Stöpper hinzu: „Wir geben grundsätzlich keine Auskunft zum Split zwischen stationärem und Online-Verkauf. Bestätigen können wir, dass der Onlinehandel für SportXX und Bike World markant an Relevanz gewonnen hat.“ Auch Velo Plus-Geschäftsführer Dominique Metz bestätigt die Grundtendenz, ohne exakte Zahlen zu nennen: „Das Jahr 2018 war aufgrund des sehr guten Wetters und der regen Nachfrage ein erfreuliches Jahr. Wir konnten sowohl on- wie auch offline deutlich wachsen und Marktanteile gewinnen.“


Der Einkaufstourismus ist auch Online ein Thema, denn ausländische
Anbieter wachsen schneller - besonders solche aus China.
Die passende Schiene für jedes Produkt
Dass der Fachhandel die Bedeutung der Online-Schiene erkannt hat, zeigt eine andere Zahl: Laut Veloplace-Leiterin Clara Esteve konnte die Anzahl der am Online-Marktplatz angeschlossenen Fachhändler auf dieses Jahr hin glatt verdoppelt werden. Zu beachten ist jedoch, dass sich längst nicht alle Produktkategorien gleich gut für die Online-Schiene eignen. Mit Verweis auf von Intercycle belieferte Online-Shops meint Marketing-Abteilungsleiter Manuel Meier: „Während Sportnahrung, Camelbak-Flaschen und Kinderartikel öfters online gekauft werden, sieht dies bei Produkten, die technisch einen höheren Erklärungsbedarf haben, sowie bei Velos mit einem Verkaufspreis über 2000 Franken anders aus.“ Den letzteren Befund bestätigt auch Dominique Metz und verweist dabei auf den ROPO-Effekt: Diese Abkürzung steht für «research online, purchase offline» und verweist auf die Tatsache, dass sich moderne Konsumenten vor dem Kauf eines Velos in der Regel zuerst im Netz informieren, der Kauf aber dann doch bei einem stationären Fachhändler getätigt wird. Auch bei shopvelo.ch verlief der Verkauf von Anbauteilen laut Roland Kathriner zuletzt so schleppend, dass die Einstellung dieser Sparte zur Diskussion steht.


Auch wenn der Food-Bereich im Online-Handel deutlich hinterher
hinkt, verkauft sich gerade Sporternährung im Internet gut.
Internet als Chance statt als Gefahr
Dominique Metz von Velo Plus gibt zu bedenken, dass nicht alle Verschiebungen zu Gunsten der Online-Schiene durch das Verhalten der Konsumenten zu Stande kommen: „Elektronikartikel wie zum Beispiel GPS-Geräte und Velocomputer sind margenmässig stark unter Druck und werden für den beratungsintensiven Fachhandel zunehmend uninteressant.“ Auch Clara Esteve von Veloplace sieht bei einigen Produktkategorien eher eine Symbiose als eine knallharte Konkurrenz zwischen den Offline- und Online-Schiene: „Wir sehen eine klare Tendenz bei Produkten, die der Handel sich nicht gerne ans Lager legt. Bekleidung, Taschen und Körbe sowie Komponenten sind passende Beispiele. Damit ergänzen sich die Kanäle auch für den Handel ideal.“ Das trifft so laut Manuel Meier von Intercycle auch für sperrige Artikel wie die Heckträger von Atera zu. Auf Grund der schlanken Kostenstruktur sieht Roland Kathriner ein weiteres Beispiel, wo sich die beiden Schienen gut ergänzen: „So wie unser Shop aufgesetzt ist, dient er uns als gutes Marketing-Instrument für unsere Nischen-Produkte, insbesondere in der Sparte Bikes.“
 

Der Fachhandel beklagt sich oft, als Showroom von Online-Anbietern herhalten zu
müssen, profitiert aber selbst, wenn sich Konsumenten im Internet informieren.

Der Kunde steht im Zentrum
Omnichannel- und Crosschannel-Strategien sorgen dafür, dass der stationäre Fachhandel vom geänderten Konsumentenverhalten profitieren kann. Velo Plus war in dieser Hinsicht ein Pionier, wie Dominique Metz betont: „Crosschannel-Strategien setzen wir seit vielen Jahren permanent um. Sei dies Click & Collect oder Onlinekauf und Retouren über die Läden, sei dies Online-Terminbuchungen der Werkstatt oder eines Velokaufs. Natürlich findet auch Beratung im Laden statt, aber gekauft wird dann Online. Das Kanaldenken haben wir verlassen, für uns steht der Kunde als ganzes im Zentrum.“ Auch Intercycle baut das Click&Collect-Angebot weiter aus und bietet mit Dropshipping Fachhändlern die Möglichkeit, Waren in ihrem Auftrag direkt an Endkonsumenten zu schicken. Clara Esteve kommentiert: „Das gesamte Veloplace-Konzept ist von Anfang an darauf ausgelegt, die Stärken der beiden Schienen zu kombinieren. Der Kunde entscheidet, ob Beratung, Bestellung, Bezahlung und Retouren online oder offline stattfinden sollen. Somit ist der Velohandel sein eigener Touch Point. Angeschlossen ist der Händler mit Monitor und einer Station am Veloplace-Tisch. Die Händler sind wiederum auf der Website lokalisierbar.“

Velo Plus zeigt mit der Online-Variante des hauseigenen Vermessungstool,
was eine erfolgreiche Crosschannel-Strategie im Detail ausmacht.
Grösse hilt - oder Kooperation
Keine Überraschung ist, dass der auf beiden Schienen operierende Migros Genossenschaftsbund das enge Filialnetz von Sport XX und Bike World in der Schweiz nutzt. „SportXX bietet sämtliche Crosschannel-Prozesse und Pick'M up Möglichkeiten über das eigene Filialnetz sowie über das Migros Pick Up-Netzwerk an und nutzt diese sehr erfolgreich. Bike World bietet sämtliche Crosschannel-Möglichkeiten, arbeitet aber nicht mit Pick’M up“, erklärt dazu Mediensprecher Patrick Stöpper. Wie sich beide Kanäle innerhalb vom Migros-Universum kombinieren lassen, zeigt Galaxus-Mediensprecher Alex Hämmerli auf: „Seit etwa zwei Jahren hat Galaxus M-Way als Händlerpartner auf dem Online-Marktplatz mit dabei. Im April bauen wir das M-Way-Angebot deutlich aus: Dann werden wir knapp 10'000 Produkte aus deren Sortiment auf Galaxus präsentieren können. Übrigens verkaufen wir seit kurzem auch Eigenmarken von SportXX via Galaxus.“ Angesichts solcher Aktivitäten sollte auch dem letzten Fachhändler klar werden: Die Online-Schiene kann man nicht mehr ungestraft ignorieren. Und wenn deren gezielte Beackerung die Kapazitäten eines einzelnen Fachgeschäfts übersteigt, ist eben Kooperation mit anderen angezeigt.
Eine Zusammenfassung der Studie «Umsatzzahlen für den Schweizer Online-Versandhandel» findet sich auf dem Carpathia-Blog (Link). Zudem hat Cyclinfo den digitalen Wandel in der Ausgabe 1/2018 als Titelgeschichte im Detail aufgearbeitet und Stimmen aus der Branche dazu eingeholt.
www.gfk.com

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