Der Mech mit den schwarzen Händen stirbt aus

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Pete Mijnssen
08.01.2018

Der Schweizer Velohandel trifft sich traditionsgemäss im Januar zur Weiterbildung. An der Infotech wartete auf Händler und Mechanikerinnen ein breites Seminarangebot. Daneben wagte die Fahrradbranche einen Blick in die nahe Zukunft. Am 4. und 5. Januar 2018 fand in Nottwil die 16. Infotech statt.

Die Veranstaltung, zum ersten Mal im Seminarhotel Sempachersee in Nottwil durchgeführt, zog mehr als 600 interessierte Velofachändlerinnen und -händler an. Das Seminarangebot war gross. Mehr als 300 Workshops standen während zweier Tage auf dem Programm. Besucherinnen und Mechaniker hatten Gelegenheit, technisches und ch betriebswirtschaftliches Wissen aufzufrischen.

Wie schon in vergangenen Jahren war die Arena ein Höhepunkt des Anlasses. Das diesjährige Thema: Wie tickt die Velobranche in sieben Jahren? Der Blick in die Kristallkugel wurde schon zu Beginn etwas getrübt, als Moderator Marius Graber (Velojournal, Cyclinfo) die Kommunikationsforscherin Brigitte Gasser krankheitshalber entschuldigen musste. So verblieben vier gestandene Herren im Rund: Joachim Volland, Chef von Brose-Antriebstechnik, Reto Meyer, CEO von Tour de Suisse und Mitinhaber von Rent a Bike, Marco Puma, selbstständiger Fachhändler in Aarau und Suhr sowie Philipp Müller von Athleticum.

Da mit Brigitte Gassee eine prononcierte (und weit pessimistischere) Outsiderin im Gespräch fehlte, wurde die Arena zur Diskussion unter Kennern und Insidern. Einig war sich die Runde, dass in ein paar Jahren Kunden (noch) mehr online kaufen und der Handel noch mehr preisgetrieben sein wird.


Gut besuchte (Männer)Runde: Die Arena an der Infotech in Nottwil. 

Volland vertraut darauf, dass die Digitalisierung zur Vereinfachung der Wartung beiträgt. Da wollte ihm zumindest bei den E-Bikes niemand widersprechen. Er relativierte auch die Bedeutung des Onlineverkaufs. In Deutschland habe dieser trotz einiger starker Marken nur 13 Prozent Anteil am Gesamtmarkt. Dennoch machte er sich dafür stark, dass der Fachhandel auch die Kooperation mit Onlineanbietern eingehen sollte und damit neue Kunden gewinnen könne.

Die persönliche Kundenbeziehung ist auch für Händler Marco Puma wichtig und könnte noch mehr ausgebaut werden. So fragt er sich – und das nicht zu unrecht, wie wohl fast jede und jeder VelokäuferIn aus persönlicher Erfahrung weiss – warum eine Autokäuferin einen Blumenstrauss erhält, VelokäuferInnen aber leer ausgehen. Der Fachhändler müsse sich wappnen, denn Amazon und Facebook stünden in den Startlöchern, rief die Branche in die Runde. Aber: Den Händler, der sich den veränderten Umständen anpasst, wird es auch noch in 15 Jahren geben. Das sagte Tour-de-Suisse-Chef Reto Meyer, was von Marco Puma damit gekontert wurde: «Alle können etwas erzählen, aber einer muss schaffen. Die Arbeit wird uns nicht ausgehen.»

«Der Mech mit den schwarzen Händen stirbt aus»
Bei einem weiteren Blick in die Kristallkugel prognostizierte Volland, dass jedes zweite verkaufte Rad ein E-Bike sein wird. Deshalb würden auch die Ansprüche an den Fachhandel steigen. Gleichzeitig seien grosse Läden ein Auslaufmodell, denn vieles wird im Internet besser gezeigt. Es gebe eine Tendenz zu kleinen aber feinen Flagship-Stores. Die Kunden wählen im Geschäft aus und erhalten ihr Velo dann nach Hause geliefert.

Wird es 2025 den traditionellen, inhabergeführten Zwei- bis Fünfpersonenbetrieb noch geben, fragte Moderator Graber. Da waren die Fachhändler zuversichtlicher als die Branche. Auch dabei, wie viele Händler es 2025 noch geben wird. Aber: Wenn der Handel seine Hausaufgaben mache, dann werde er sich halten können, meinte Meyer. Doch so viel sei sicher: «Der Mech mit den schwarzen Händen stirbt aus, das ist nicht mehr sexy.»

Nun kam in die etwas schläfrige Arena Bewegung und eine junge Mechanikerin meldete sich energisch zu Wort: «Die Jungen finden das eben gerade sexy, dass im Laden ein Velomech mit dreckigen Händen steht.» So war man sich am Schluss einig, dass es für die Branche zwar nicht einfacher, aber dennoch weitergehen wird.

 


Fotos: ZVG

 

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