Marius Graber, Aline Künzler, Simon Joller, Pete Mijnssen
Reisen,
11.07.2025
Entdecken Sie die schönsten Gravel-Touren im Berner Oberland und Jura, in der Zentralschweiz und im Bündnerland. Erleben Sie Alpenpanoramen, knackige Anstiege und idyllische Natur. Hier warten Gravel-Abenteuer.
Marius Graber, Aline Künzler, Simon Joller, Pete Mijnssen
Reisen,
11.07.2025
Die Schweiz ist ein Gravel-Paradies. (Foto: Simon Joller)
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Es ist ein Postkartenbild: Hinter saftgrünen Alpweiden thronen schneeweiss Wildstrubel und Wildhorn. Unter meinen Reifen knistert staubgrauer Schotter. Exakt so habe ich mir die Gravel-Tour im Berner Oberland vorgestellt. Ich rolle vom Jaunpass zurück ins Simmental und geniesse. Doch diesen Genuss finde ich erst beim zweiten Versuch.
Zwei Tage zuvor. Ich bin unschlüssig, in welche Richtung ich heute die Rundtour über Simmental, Saanenland und Jaunpass fahren soll. Denn zwei Dinge hat das Berner Oberland immer parat: deftige Steigungen – und deftigere Steigungen. Zuerst auf den Jaunpass ist deftiger, dafür der Rest angenehmer wellig. «Ich würde nicht zuerst steil, da ist man danach total kaputt», meint Pia, meine Frau.
Vom Bahnhof Boltigen fahre ich gemäss ihrem Rat also zuerst taleben Richtung Zweisimmen. Das perfekte Warmfahren. Doch aus einem kurzen Umfahren der Hauptstrasse wird bald die erste Kletterpartie: 16 Prozent Steigung. Das kann ja nur weniger werden.
Denkste, nach Zweisimmen klettere ich die asphaltierte Nebenstrasse hoch. Der Prozentwert klettert mit – auf 22 Prozent. Doch wo ein Aufstieg, ist eine Aussicht. Schon bald liegen die Talschaften weit unten, säumen Alpenrosen die Schotterstrasse und recken die Gastlosen ihre Felszähne in den Horizont.
Die Richtung stimmt wohl: Statt total kaputt bin ich nur ein wenig kaputt.
Halbhoch unter dem Hundsrügg grüsse ich nun entspannt Älplerinnen und Wanderer. Schnell lande ich auf dem Jaunpass. Bei der Planung habe ich nach einer Alternative zur Abfahrt auf der Hauptstrasse gesucht. Doch der Wanderwegabschnitt existiert nur noch auf der Karte. Im Tal angekommen mein Fazit: kein Genuss.
Zwei Tage später eine neue Routensuche. Und wie wäre es, doch zuerst steil zu gehen? Ich fahre umgekehrt, direkt zum Jaunpass. Die Alpstrasse geht über in Schotter, in Wiese, und das Berner Oberland zeigt: Hier gibt es nicht nur deftige, sondern auch die deftigsten Steigungen. 24 Prozent! Auf dem Pass bin ich kaputt, Pia hatte recht. Ich drehe um und geniesse die empfehlenswerte Abfahrt mit dem Postkartenpanorama umso mehr.
Infos zur Tour
48 km, 1380 Hm
Route: Boltigen – Seenroute 9 von Schweiz Mobil bis Saanenmöser (empfohlene Ausnahme: Umfahrung Hauptstrasse nach Garstatt über die Laubegg) – über Simne auf Bire – über Schlündi nach Suubode – Jaunpass – Ginggeweid – Ruhren – Garstatt – Boltigen
Fahrzeit: 3–5 Stunden, konditionell anspruchsvoll, technisch mittelschwer
Anreise: Per Bahn bis Boltigen (stündlich direkt ab Bern ohne Umsteigen)
Verpflegungsmöglichkeiten: Boltigen, Zweisimmen, Saanenmöser und Jaunpass
Ausrüstung: Gravelbike mit 40mm-Reifen oder breiter, leichte Übersetzung (der Autor fuhr vorne 38 und hinten 52 Zähne), möglich auch mit Mountainbike
Der Einstieg in die Gebirgswelt erfolgt ab Scuol über das wilde Val d’Uina. Hier wartet sogleich die steilste Steigung der Tour in der spektakulären Felsschlucht. Oben angekommen, öffnet sich das Gelände zu einer überraschend weiten Ebene auf den Schlinigpass. Ein verspielter Pfad führt durch die eindrucksvolle Szenerie bis zur Sesvenna-Hütte.
Auf österreichischem Boden empfiehlt es sich, dort den legendären «Kaiserschmarren» zu bestellen. Im Zuckerhoch rollt es sich beschwingt ins Münstertal, wo ein perfekt ausgebauter Veloweg zurück zur Schweizer Grenze führt.
Bereits im zweiten Dorf nach dem Grenzübergang, in Sta Maria, wartet der nächste Anstieg. Vergleichsweise entspannt führt die Passstrasse mit imposantem Ausblick auf das Stilfser Joch hoch auf den Umbrailpass. Dort wird abermals die Grenze überquert. Nun in Italien, ist der Anstieg aber noch nicht vorbei: Die letzten 300 Höhenmeter führen über einen schmalen Pfad zur «Bocchetta di Forcola», Höhepunkt der Tour. Nicht nur der Lage von 2740 m ü. M., sondern auch dem atemberaubenden Panoramaausblick auf die karge Geröllwüste wegen.
Durch diese felsige Mondlandschaft schlängelt sich der Weg hinunter zum Lago di Cancano. Dieser ist ein beliebtes Touristenziel, weshalb man trotz der abgelegenen Routenführung hier sogar ein Gelato finden kann. Wenige asphaltierte Kehren führen talwärts Richtung Bormio, bevor ein Kiesweg in das malerische Val Viola abzweigt. Anfangs fast flach, steigt das Gelände gemächlich an. Vorbei am gleichnamigen See geht es auf einem steinigen Pfad weiter bis zum Passo di Val Viola, wo man erneut die Grenze zur Schweiz überquert.
Es folgt eine anspruchsvolle, technisch fordernde Passage hinab zum Lai da Saoseo, einem der wohl schönsten Bergseen Graubündens. Nahtlos schliesst sich der Aufstieg zur Forcola di Livigno an, erst über einen Waldweg, später auf der Passstrasse Richtung Italien. Der erneute Abstecher nach Italien lohnt sich aber nicht nur für den anschliessenden Trail-Abschnitt zum Berninapass, sondern auch der Marktstimmung wegen, die beim Käse- und Wurstverkauf auf dem Grenzpass herrscht.
Von dort aus führt die Fahrt über einen kurvenreichen Pfad mit atemberaubendem Blick auf das Berninamassiv zum letzten Alpenpass der Tour sogar abwärts zum Bernina-Hospiz. Dort wartet zum Abschluss eine spektakuläre Abfahrt: Der abwechslungsreich ausgebaute «Bernina Express»-Trail führt entlang der historischen Bahnlinie nach Pontresina. Veloverlad ist dort, wie auch in Scuol, über die Rhätische Bahn möglich.
Infos zur Tour
135 km, 4920 Hm
Route: Scuol – Sur En – Schlinigpass – Laatsch – Müstair – Umbrail – Cancano – Lag di Cancano – Forcola di Livigno – Berninapass – Morteratsch
Art: Zwei- bis dreitägige Tour, Mountainbike-Routen Nr. 1 und Nr. 32 von SchweizMobil
Untergrund: 30 % Asphalt, 70 % Natur, davon 10 km Single Trail
Ausrüstung: Bikepacking, 42 mm breite Reifen
Saison: Juni bis September, auch im Sommer kann man Schneefeldern begegnen
Auf den Geschmack komme ich, als ich den schön aufgemachten Gravelland-Schweiz-Führer von Rainer Bühler und Roland Tännler in der Hand halte. Zudem will ich die Gelegenheit packen, das prämierte Bike des Zürcher Rahmenbauers Stefan Süess zu testen. Los gehts!
Der Weg ist das Ziel, und die beschriebene Etappe La Chaux-de-Fonds nach Vallorbe ist für Geübte in umgekehrter Richtung in einem Tag machbar. Denke ich. Gestartet wird in La Chaux-de-Fonds, zwei Bahnstunden von Zürich entfernt. Die auf knapp 1000 Meter gelegene «Uhren- und Le-Corbusier-Stadt» ist seit 2009 Unesco-Kulturerbe. Die nach einem Brand 1794 geometrisch wiederaufgebaute Planstadt allein wäre einen Ausflug wert. Heute gehts aber schnurstracks nach Le Locle und danach weiter in die jurassischen Gefilde.
Nach Le Locle führt mich der Führer mit Komoot-Daten schon mal knackig den Berg hoch. Dabei verläuft diese Route meist gleichzeitig auf der Jurabike Route 3 von SchweizMobil oder regionalen Mountainbike-Routen. Auf dem La Combe-Jeanneret angekommen, entscheide ich mich dagegen, weiter auf den Grand Sommartel (1337 m ü.M.) weiter hochzusteigen. Schliesslich liegen noch 70 Kilometer vor mir, bis nach Vallorbe, was auch die zwei Mountainbiker mit etwas Verwunderung bemerken, die ich unterwegs antreffe. So kreuze ich bald die Velolandroute 54, die später in die Juraroute 7 mündet. Dazwischen fahre ich zwischen Les Ponts de Martel und La Brevine zum Teil querbeet über Waldstrassen, mal beschaulich, mal mit knackigen Anstiegen. Manchmal wäre der Verlauf tourenradtauglich, manchmal wünschte ich mir ein Mountainbike. Handkehrum macht genau dies den Reiz aus, mit einem Gravelbike unterwegs zu sein.
Bei La Brevine wechsle ich auf die Route 54, die mich in diesem im Winter für seine sibirische Kälte bekannte Hochtal nach Les Verrières führt. Von sibirischer Kälte ist heute nichts zu spüren. Überhaupt scheint sich der Skitourismus dem Ende zuzuneigen, der letzte Eintrag stammt vom letzten Jahr. Hingegen haben die Einwohner kürzlich die Schliessung eines Asylzentrums erzwungen, entnehme ich Medienberichten. An diesem heissen Sommertag ist aber alles ruhig, keine Menschenseele ist zu sehen.
Da ich noch nach Vallorbe kommen will, nehme ich die Hauptstrasse unter die Räder, die mich nun auch über die Landesgrenze und kurz vor Vallorbe wieder zurückbringt. Zwischen Les Verrières und Le Frambourg gibt es eine stillgelegte Eisenbahnlinie und viel motorisierten Verkehr. Schade, denkt der Velotourist, es gäbe hier doch jede Menge «instagrammable», sprich pittoreske Stellen und verlassene Orte. So aber dämmert in diesem grenznahen Seitental alles etwas vor sich hin, denkt der Radler.
Kurz vor Vallorbe gehts rasant die Strasse runter, der Appetit steigt – die Nachtessenszeit naht. Die frisch gefangene und vorzüglich zubereitete Forelle aus der Torche in der Auberge Communal schmeckt doppelt so gut wie sonst. Am nächsten Morgen gehts erholt kurz etwas hoch, dann auf lang gezogenen Schlaufen zurück nach Estavayer-Le-Lac, meist abwärts auf der Hauptstrasse. Auch diese Schnellfahrt heimwärts bewältigt mein Schottervelo bravourös.
Infos zur Tour
120 km, 1300 Hm
Route: La-Chaux-de-Fonds – Vallorbe
Art: Zweitagestour
Gravel: ca. 30 km
Technik: Gravelbike mit Cane Creek Upsidedown-Federgabel, Pneubreite 47mm
Das schmale Passsträsschen windet sich in Kurven von Obwalden ins Entlebuch, was neben Velofahrenden auch knatternde Töffs anzieht, die den Glaubenberg zur Aufwärm- oder Dessertfahrt vor oder nach Brünig und Grimsel nutzen. Mit dem Gravelbike kann man dem motorisierten Verkehr jedoch über weite Strecken aus dem Weg gehen und das Pässchen in aller Ruhe und Stille geniessen.
Dafür fährt man von Luzern kommend nicht bis nach Sarnen als Ausgangsort für die eigentliche Passstrasse, sondern biegt bereits in Alpnach-Dorf rechts ab Richtung Horweli. In eleganten Schwüngen und Kurven, manchmal auch mit ein paar kräftigen Steigungen, zieht sich das Strässchen an vielen Bauernhöfen und über gut zehn Kilometer und 900 Höhenmeter hoch zur Alp Horweli. Es folgt ein rund zwei Kilometer langer Abschnitt auf einem Wanderweg, der ein Bächlein überquert und sich durch den Wald schlängelt. Gravelbikerinnen und -biker mit strammen Waden und gutem Fahrkönnen fahren den Trail. Wer nicht so geübt ist, läuft das kurze Stück. Ab der Lochalp geht es auf einer breiten Schotterstrasse dem idyllischen unteren Schlierental entlang bis ins Langis. Hier biegt man auf die Glaubenbergpassstrasse ein, nach rund zwei Kilometern und 100 Höhenmetern ist die Passhöhe auf 1540 Meter erreicht.
Weiter auf der Passstrasse fährt man nun bergab in die Biosphäre Entlebuch. Bei Finsterwald gilt es, das Tempo etwas zu drosseln, damit man den Abzweiger nicht verpasst. Während die Gümmeler weiter auf der Passstrasse bleiben, biegen die Gravel-Fahrerinnen am Ende des Dorfs rechts auf den Wanderweg ab und rollen über einen kurzen Schotter-Single-Trail-Abschnitt Richtung Rengg – ohne Höhe zu verlieren. Auf dem schönen Moor wartet ein Strecken-Highlight: Am Wegrand ist ein Torf-Kneipp-Bad eingerichtet, das erfrischt müde Waden.
Erfrischt geht es zuerst auf der Höhe zum Renggpass und dann bergab nach Schachen, während der Blick übers Mittelland bis zur Rigi schweift. Von da an führt die Route gemächlich der kleinen Emme, später auf dem Velo-Highway der Reuss entlang zurück nach Luzern. Wer die Tour mit einem kühlen Bad und einem kühlen Getränk ausklingen lassen möchte, dem sei die Buvette Nordpol an der Reuss empfohlen.
Infos zur Tour
81 km, 1600 Hm
Route: Luzern – Alpnach-Dorf – Horweli – Lochalp – Langis – Glaubenberg Passhöhe – Finsterwald – Rengg – Schachen – Malters – Emmenbrücke – Luzern Bahnhof
Untergrund: 70 % Asphalt, 30 % Natur, davon 3,8 km Single-Trail
Saison: April bis November
Anreise: Start und Ziel ist der Bahnhof Luzern, Anreise per SBB
Verpflegung: Restaurants im Langis, auf der Glaubenberg-Passhöhe und in Gfellen
Tipp: Nach Finsterwald macht ein Moor-Kneipp-Bad müde Waden wieder munter.
Varianten: Wer die Tour verkürzen möchte, fährt mit dem Zug bis Alpnach-Dorf und/oder nimmt nach Finsterwald die Abfahrt nach Hasle und steigt dort in die Bahn.

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