E-Bikes anstatt Elefanten: Kraftprobe am Gotthard

Reicht der Akku eines Elektrovelos aus, um die Alpen zu überqueren? Velojournal macht mit drei unterschiedlichen E-Bikes den Härtetest am Gotthard. Ob es alle in den Süden geschafft haben, verraten wir hier.

Marius Graber

Marius Graber, Redaktor (marius.graber@velojournal.ch)
E-Bike, News, Test, 03.03.2025

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Die Anziehungskraft der grossen Alpenpässe ist ungebrochen: Es locken die raue Schönheit zerklüfteter Landschaften, historische Dörfer und grosse Strassenbaukunst.

Für den Zugang in die faszinierende Gebirgswelt mit dem Velo musste man bis anhin sportlich ambitioniert oder zumindest etwas ausdauernd sein. Doch mit Unterstützung moderner E-Bike-Technologie könnten sich ja vielleicht auch nicht ganz so sportliche Naturen an die grossen Pässe wagen und die Alpen per pedales überqueren?

Velojournal macht die Probe aufs Exempel und fährt mit drei unterschiedlichen E-Bike-Typen in Altdorf los. Bis zur Gotthard-Passhöhe auf 2106 Meter über Meer sind es 48 Kilometer und 1750 Höhenmeter. Bis Airolo kommen dann noch 14 Kilometer Talfahrt dazu, bis Biasca läppern sich fast 100 Kilometer zusammen.

Das steilste Stück bergauf ist in der Schöllenenschlucht mit 13 % Steigung. Ein Sonntagsspaziergang wird es daher weder für die E-Bikes noch für die Radlerin und die Radler werden. Immerhin winkt der Süden mit Sonne und Wärme, als die Velojournal-Crew sich auf Alpenfahrt begibt. Die Gewissheit um Elektrovelosupport für das Unterfangen sorgt an diesem grauen, niesligen Morgen in Altdorf schon einmal für guten Laune. Also los.

Drei E-Bikes – drei Konzepte

Für die Fahrt Richtung Süden hat sich die Redaktion drei unterschiedliche E-Bikes ausgesucht. Zum einen das Riese & Müller «Superdelite», einen Tourer mit Bosch-Mittelmotor. Ein Elektrovelo wie es viele Schweizerinnen und Schweizer fahren, ausser dass hier mit 1125 Wh der Akku besonders gross ist.

Dazu kommt mit dem Opium eine Superbolide: Akku 1400 Wh, 930 Watt Hinterradmotor, ein Kraftprotz, allerdings mit gut 40 Kilo auch schwer.

Einen Kontrapunkt setzt das Specialized «Creo», ein Rennvelo mit Zusatzmotor, mit 14 Kilo leichter als manch ein Mountainbike und damit für die Bergfahrt prädestiniert. Da es auf der Strecke schon bald bergauf geht, wird es kein grosses Handicap sein, dass der Motor ab 25 km/h keine Unterstützung mehr abgibt.

Um es vorwegzunehmen: Auf den Gotthard und damit über den Alpenkamm schafften es alle drei Elektrovelos. Und dies ziemlich mühelos.

Für die Motoren scheint weder die Steigung noch die Länge des Anstieges ein Problem zu sein, alle halten tapfer durch und erleichtern die Bergfahrt je nach Fahrzeug und Modus zwischen sanft und ungestüm. Kraft und Dauerleistung ist bei den getesteten Modellen also genügend vorhanden.

 

Den Akku immer im Blick

Bei den Akkus ist jedoch etwas Bedacht – oder Erfahrung – gefordert. Wer zu übermütig losfährt, verballert Energie, um die man am Schluss froh wäre. Wer ängstlich fährt, verzichtet unnötig auf Unterstützung, welche die Fahrt noch leichter und genüsslicher machen könnte.

Der Blick hängt immer an der Akkuanzeige, egal wie gross der Akku ist. Irgendwann zerrt das an den Nerven. Abhilfe schafft wohl nur die Erfahrung, mit der man das Vermögen des Akkus in Abhängigkeit von Steigung, Distanz und Unterstützungsstufe besser einschätzen kann.

Mit einem Standard-E-Bike-Akku mit den üblichen 500 bis 600 Wattstunden Kapazität ist ein Pass wie der Gotthard mit 1700 Höhenmetern in mittlerer Unterstützung nicht zu schaffen. Teilt man gut ein, zum Beispiel mit einer Übernachtung oder zumindest einer grossen Rast und Zeit zum Nachladen unterwegs, geht es aber sehr wohl.

Mit grösseren Akkus oder einem Zusatzakku auch. Beim E-Renner von Specialized hat die vergleichsweise geringe Akku-Kapazität gut gereicht, weil das Velo sehr leicht war und der Fahrer ein gutes Stück Eigenleistung beisteuerte.

Fazit

Bestens bewährt hat sich für die Alpenüberquerung der Mittelmotor, wie er beim Riese & Müller verbaut ist: Er unterstützt sehr gut und energieeffizient.

Überraschend gut hat sich das Opium mit dem Hinterrad-Motor geschlagen. Dass der grösste Akku auf der Passhöhe am leersten war, hängt wahrscheinlich nicht nur mit dem Übermut des Fahrers zusammen, sondern auch damit, dass der Heckmotor am Berg die Energie nicht optimal verarbeitet. Pässe sind damit zu schaffen, der grosse Akku ist dabei aber nicht der grosse Vorteil, wie man auf den ersten Blick meinen könnte.

Gut funktioniert hat auch das E-Gravelbike: Dank dem geringen Gewicht erfährt man auch mit kleiner Unterstützung einen guten Support am Berg, was den Pässen schon mal ein bisschen den Schrecken nimmt. Mit welchem Typ auch immer: Auf modernen E-Bikes muss die Fahrt keinesfalls am Alpenrand enden.

Das sagt die Testcrew

Unterwegs mit dem Supertourer

«Das ‹Superdelite› sieht nicht nach einer flinken Bergziege aus. Schliesslich bringt das schnelle E-Bike von Riese & Müller mit Vollfederung rund 32 Kilo auf die Waage. Doch mit dem 1125-Wh-Akku hat es zumindest ein paar Ausdauersportler-Gene. Ob das reicht? Ich trete in Altdorf ebenso kräftig wie zuversichtlich in die Pedale und fahre vorerst im ‹Eco›-Modus. Damit verliere ich in der Fläche Richtung Erstfeld den Windschatten des Opium. Ich nehms gelassen, abgerechnet wird schliesslich auf der Passhöhe. Auch als die Strasse ab Amsteg zu steigen beginnt, bleibe ich im ‹Eco›-Modus. Das geht ganz gut: Mit ambitionierter Eigenleistung erklimme ich die anspruchsvollen Steigungen mit zügigen 12 km/h und lasse das Specialized triumphierend hinter mir. Dabei komme ich aber ordentlich ins Schwitzen. Wer sich mit dem ‹Super­delite› an einem Alpenpass nicht verausgaben will, wählt besser die Stufe ‹Tour›. Um sicher anzukommen, bewältige ich die ersten 1000 Höhenmeter inklusive des Steilstücks in der Schöllenenschlucht mit der schwächsten Motorunterstützung. Mein schweisstreibendes Akkusparen hat sich gelohnt: In Andermatt zeigt der Blick auf die Akku­anzeige eine beruhigende Reserve. So wähle ich für die letzten 700 Höhenmeter gar den Turbomodus. Mit nun über 30 km/h fliege ich der Passhöhe entgegen. Fabian mit dem ‹Creo› fällt weit hinter mich zurück. In meinem Windschatten versteckt sich aber noch immer das Opium. Sobald die Passhöhe in Sicht­weite ist, mobilisiere ich meine letzten Reserven. Zwecklos, das Opium schaltet ebenfalls auf ‹Turbo›, überholt mich und passiert das Passschild Dutzende Meter vor mir. Es verbleiben 57 % Akkukapazität. Für die restlichen Kilometer muss ich mir keine Sorgen machen. Den Reichweiten-test hat das Riese & Müller bestanden. Für den Bergpreis hätte ich den ‹Turbo›-Modus früher einsetzen müssen.»

Modell: Riese & Müller «Superdelite Touring HS»

Motor: Bosch-«Performance Line Speed»-Mittelmotor, max. Drehmoment 85 Nm

Akku: Dual-Battery, 1125 Wh

Ausstattung: Shimano-«XT»-11-Gang-Kettenschaltung, Magura-«MT4/MT5»-Scheibenbremsen

Gewicht: 32,5 Kilo

Preis: 8478 Franken

r-m.de

Unterwegs mit dem Leichtgewicht

«Noch vor ein paar Jahren hätte ich mit dem 480-Wh-Akku meines E-Gravelbikes gut dagestanden, doch im Vergleich zu den Boliden meiner Mitfahrenden bin ich damit geradezu schwach ausgestattet – auch was die Kraft des Motors anbelangt. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass ich es damit über den Pass schaffe: Das ‹Creo› ist leicht und lässt sich gut auch ohne Motor fahren – zumindest geradeaus. Raus aus Altdorf fahre ich ohne Unterstützung und zunächst vorne. Doch schon bald sehe ich von meiner Kollegin und meinem Kollegen nur noch die Hinterräder, dann bald nichts mehr. Ab Amsteg lasse ich mich vom kleinen Mittelmotor unterstützen. Specialized verspricht ‹epische Reichweite›, das Zusammenspiel von Akku und Motor soll bis zu fünf Stunden Fahrspass bieten. Doch reicht das bis über den Gotthard? Vorsichtshalber fahre ich bis Göschenen im ‹Eco›-Modus, was mit etwas Beineinsatz und Schweiss ganz gut geht. Dass die beiden andern anscheinend viel leichter unterwegs sind und mir davonfahren, quittiere ich mit einem Lächeln und stelle mir vor, wie ich vor der Passhöhe mit meinem leichten E-Renner an den beiden mit leeren Akkus vorbeiziehe. In der Schöllenenschlucht habe ich genug von der Askese und wechsle in den ‹Sport›- und wenig später in den ‹Turbo›-Modus. Der Motor ruft nun seine volle Kraft ab, der Fahrspass steigt, der Akkustand schrumpft. Egal: In Andermatt liegen ein grosser Teil der Strecke und viele Höhenmeter hinter mir. Der Zusatzakku ist leer, doch ich habe noch die volle Ladung des Hauptakkus übrig. Schonung scheint nicht mehr nötig, ich gleite mit voller Unterstützung und guter Laune die Passstrasse hoch. Im flotten Tempo erreiche ich den Pass. Ich bin zwar Letzter, dafür habe ich noch viel Saft im Akku übrig. In Airolo steht die Anzeige des Hauptakkus gar bei 70 Prozent. Mit Genugtuung stelle ich mir vor, wie ich nun noch den Nufenen hochtänzeln könnte, während die beiden E-Boliden irgendwo an einer Steckdose hängen.»

Modell: Specialized «Creo 2 Expert»

Motor: Specialized-«SL 1.2»-Mittel­motor, max. Drehmoment am Tret­lager 50 Nm, Maximalleistung 320 Watt

Akku: integrierter Rahmenakku 320 Wh, Zusatzakku 160 Wh (Total 480 Wh)

Ausstattung: Sram-«GX»-12-Gang-Kettenschaltung, hydraulische Scheibenbremsen

Gewicht: 14 Kilo

Preis: 8500 Franken

specialized.com

Unterwegs mit dem Kraftprotz

«Als das Los bestimmt, dass ich mit dem Opium über die Alpen soll, juble ich nicht. Ich würde dem Kraftprotz zwar auf der Ebene viel zutrauen, doch ich fürchte, dass er als Bergläufer viel zu schwer ist. Als wir in Altdorf losfahren, ändert sich mein Eindruck: Die spürbare Kraft und der optisch riesige Akku geben einem das Gefühl, dass man mit dem Opium überall hinkommt. Als in Amsteg die Strasse ansteigt, probiere ich die unterschiedlichen Unterstützungsstufen aus: ‹Eco› geht, fährt sich aber zäh. Mit der mittleren Unterstützungsstufe gehts locker. In der stärksten Unterstützungsstufe meine ich zu fliegen. Ich vertraue dem Akku und düse so Richtung Gurtnellen, der Tacho zeigt Geschwindigkeiten zwischen 30 und 38 km/h. Ich fahre ohne grosse Anstrengung mit leichtem Tritt. Pässefahrt ohne Krampf, warum nicht? Weiter gehts nach Wassen und Göschenen, die Akkuanzeige geht zwar kontinuierlich zurück auf 70 und 60 %. Ich bleibe im Voll- und Spassmodus, auch wenn ich mir zugestehen muss, dass das, was ich da mache, nicht mehr viel mit Velofahren zu tun hat. Der Motor arbeitet ununterbrochen mit grosser Kraft, von Überhitzen – wie kritische Stimmen mir prophezeit hatten – keine Spur. Vielleicht war der Geheimtipp, einfach immer schön das Tempo zu halten, das Richtige. In Andermatt ist Mittagspause. Täusche ich mich, oder sind Fabian und Aline schon etwas erschöpft? Ich fühle mich purlimunter. Doch der Blick auf die Akkuanzeige lässt mich zusammenzucken: Noch 25 %. Ich schalte auf die mittlere Unterstützungsstufe. Kurz darauf eine kleine Panikattacke, die Akkuanzeige zeigt 20 %. Ich gehe auf ‹Eco›. Doch so macht es keinen Spass, das Radeln wird zäh, der Rausch der Fahrt ist weg, erst recht, als Aline froh gelaunt an mir vorbeizieht. Ich schalte nochmals hoch, brause mit einem Leichtigkeitsgefühl übermütig an ihr vorbei und erreiche jubelnd als Erster die Passhöhe. Die Akkuanzeige ist bei 5 %. Egal, von nun an gehts ja bergab.»

Modell: Opium «S-Serie»

Motor: Opium-Hinterradmotor, 1450 Watt Maximalleistung, max. Drehmoment am Hinterrad 50 Nm

Akku: 1400 Wh

Ausstattung: Pinion-12-Gang-Getriebeschaltung, Zahnriemen­antrieb, Magura-«MCi»-Scheibenbremsen mit Bluebrake ABS

Gewicht: 37 Kilo

Preis: 9990 Franken

rideopium.com

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