Dominic Redli,
Autor
(redli@cyclinfo.ch)
News,
21.08.2020
Marcel Bieri repariert und lackiert Velorahmen. Wie er vom Angestellten einer Autocarosserie zum Inhaber seiner eigenen Firma wurde, und was Petrus damit zu tun hat.
Dominic Redli,
Autor
(redli@cyclinfo.ch)
News,
21.08.2020
«Schon als Primarschüler wünschte ich mir sehnlichst eine Airbrush-Pistole», erinnert sich Marcel Bieri. Lange habe er gespart, um sich seinen Wunsch zu verwirklichen. Als es soweit war, habe er damit schon als Bub auf «Auftrag» seiner «Kunden» Spielzeuglastwagen oder Gummibootpaddel verschönert, schmunzelt Bieri.
Während er erzählt, raut er mit einem 3000er-Schleifpapier den Lack eines Specialized «Stumpjumper» Rahmendreiecks in seiner Werkstatt auf. Heute besitzt Marcel Bieri nicht nur mehrere Airbrush-Pistolen, sondern eine eigene Firma.
In den Räumlichkeiten einer ehemaligen Autowerkstatt in Steffisburg repariert er Schäden an Velorahmen aus Carbon und Alu und lackiert Fahrräder auf individuellen Wunsch. Zu seinen Kunden gehören Importeure, Fach- und Grosshändler, Profiathleten, Privatpersonen und Schweizer Velohersteller.
Auf dem weissen Falttor seiner Werkstatt prangt das Logo seiner Firma. Es besteht aus einem schwarzen Rechteck, das aussieht wie der Buchstabe «I» in Fettdruck. Darauf steht in weisser Farbe «Bieri Bike Care» geschrieben. Quer darüber das Abbild eines Pflasters. Gleich neben der Werkstatt fliesst die Zulg, die ein paar hundert Meter entfernt in diesem von Hügeln umgebenen Vorort von Thun in die Aare mündet.
Prüfend streicht Bieri mit den Fingerspitzen über die Rohre des frisch lackierten «Stumpjumper». Der Besitzer des Rahmens ist Marcel Hardegger. «Marcel hält mit zwei Urner Kollegen den inoffiziellen Weltrekord für die meisten auf Singletrails bergab gefahrenen Höhenmeter an einem Tag», erläutert er den Hintergrund seines Kunden.
Ford-Grau heisst die Farbe, in der er Hardeggers Rahmen neu lackiert hat. Logo und Schriftzüge leuchten im gleichen Orange, das der Federelemente-Hersteller Fox für Decals, Gabelcastings und SLS-Federn gebraucht.
«Ich koche auch nur mit Wasser.»
Marcel Bieri
Lackfarbtöne gebe es unzählige, sagt Marcel Bieri. Dazu komme die Option Matt oder Glanz. Für die Beratung seiner Kunden helfen ihm Musterkarten in mehr als 8000 Spritzlackfarben und Varianten. Ist die Entscheidung gefallen, errechnet er mithilfe eines Computerprogramms die Anteile der benötigten Mischfarben für den Ton.
Zur Nasslackierung eines Rahmens ist rund ein Deziliter Farbe nötig. Zwei bis drei Wochen dauert es, einen Rahmen neu zu lackieren.
Behutsam schleift er Hardeggers Rahmendreieck an. Vor der Politur entfernt Bieri so allfällige Staubeinschlüsse. Diese liessen sich während des Lackierens kaum vermeiden, sagt er. Zum Polieren setzt er eine mit Druckluft betriebene Poliermaschine ein. Auf den Polierschwamm trägt der Lackierer eine weisse Paste auf.
«Das ist dieselbe Paste, die Zahnärzte bei einer Dentalhygiene-Behandlung verwenden – ausser, dass sie nicht nach Minze schmeckt», witzelt er, während er mit der Maschine entlang des Oberrohrs von der Sattelklemme zum Steuerrohr fährt. Alle paar Zentimeter unterbricht er den Vorgang, um eine neue Portion Paste aus der Kunststoffflasche auf den Schwamm zu quetschen.
Das Geschäft läuft gut. In jedem der vier Montageständer in seiner Werkstatt klemmt ein Carbon-Reparaturauftrag. An Wandhaken hängen weitere Rahmen. Manche trocknen, andere warten auf die Behandlung. Darunter ein Enduro des Kultherstellers Turner, ein Trailbike der Premiummarke Santa Cruz, ein Hardtail des Highend-Brands Open Cycle und ein Bergrenner des Custom-Carbon-Produzenten Dicolli.
Nicht immer war seine Werkstatt so voll wie heute – vor allem nicht mit Velos. Denn ursprünglich gründete der auf Hagelschäden spezialisierte Autolackierer seine Firma, um Dellen an Autos auszubeulen. Petrus machte ihm aber einen gehörigen Strich durch die Rechnung: Nicht ein Mal hagelte es in der Region Thun in den ersten zwei Jahren nach seiner Firmengründung.
Beinahe hätte ihn das ausbleibende Huddelwetter in den Ruin getrieben. Weder habe er einen Financier noch einen Haufen Geld auf der Seite gehabt, sagt er. Bevor er sich selbstständig machte, arbeitete Marcel Bieri zehn Jahre lang in einer Autocarosserie.
«Kaputte Carbonrahmen sind Sondermüll. Und ein Grossteil der Schäden ist reparierbar.»
Marcel Bieri
In diesem modernen Betrieb hätte er zwar viel über das Handwerk des Lackierers gelernt, reich geworden sei er dabei aber nicht. So überdauerte seine Firma, die ursprünglich Bieri Car Care hiess, die buchstäbliche Trockenzeit vor allem dank seines sparsamen Lebensstils.
So begann der begeisterte Biker damit, sich mit der Reparatur von Velorahmen ein zweites Standbein aufzubauen. Bieri Bike Care war geboren. Aus einem Werkstatt-Praktikum in einer Surfschule brachte er bereits Erfahrung beim Reparieren von Carbon mit, aus dem ein Grossteil der Surfbretter gefertigt ist.
Über den Umgang mit Epoxyd- und Polyesterharzen wusste der Lackierer dank seiner Arbeit in der Autocarosserie Bescheid. Im Bikeshop seines Cousins besorgte sich Bieri beschädigte Rahmen, um seine Technik zu verfeinern. Er experimentierte mit verschiedenen Faserarten, Gelegen und Klebstoffen. So eignete sich der Carbon-Chirurg sein heutiges Know-how komplett selber an. Not macht bekanntlich erfinderisch.
Für eine möglichst feste Verbindung zwischen Rahmen und neuem Laminat ist die Vorbereitung entscheidend.
Sein erster Auftrag war die gebrochene Kettenstrebe eines Hardtail-Mountainbikes, das bei voller Fahrt vom Autoträger fiel und mit Wucht auf dem Asphalt aufschlug. Das war 2012. «Bei der Reparatur eines beschädigten Carbonrohrs geht es prinzipiell darum, eine perfekte Adhäsion zwischen dem beschädigten Teil des Rahmens und dem neuen Laminat zu schaffen», erklärt Marcel Bieri. «Dabei ist die Vorbereitung des Rahmens das Wichtigste». Zu viel will er nicht verraten. «Ich koche aber auch nur mit Wasser», spielt er sein Schaffen herunter.
Am Anfang hätte er schon ein wenig Bedenken gehabt, ob die reparierten Rahmen halten würden. Denn als Liebhaber schneller, ruppiger Biketrails weiss Bieri Bescheid, welch immensen Kräften Velos ausgesetzt sein können.
Bis heute nahm sich Bieri Bike Care mehreren hundert Carbonschäden an. Bislang hätten alle Reparaturen gehalten. Auf seine Arbeit gewährt er fünf Jahre Garantie. Ausser die Wünsche seiner Kunden zu erfüllen, will er mit seiner Firma aber auch ein Zeichen gegen die heutige Wegwerfgesellschaft setzen sowie einen Beitrag für den Schutz der Umwelt leisten: «Kaputte Carbonrahmen sind Sondermüll. Und ein Grossteil der Schäden ist reparierbar», sagt er aufgrund seiner Erfahrungen.
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