Fast 50 Prozent mehr Schwerverletzte bei Unfällen mit E-Bikes im ersten Halbjahr 2020: Die Medienmitteilung des Bundesamts für Strassen (Astra) von vergangener Woche liess aufhorchen - und wurde von vielen Medien prompt publiziert, ohne die Zahlen zu hinterfragen. Schliesslich war die Anzahl der tödlich verunfallten E-Bikenden im laufenden Jahr sogar leicht rückgängig. Gegen diese Darstellung einer starken Zunahme der Unfälle mit E-Bikes wehrt sich nun die Schweizer Fachstelle für Velo & E-Bike. Deren Leiter Martin Platter wirft einige Fragen zu den Zahlen in der Astra-Pressemitteilung auf. Erstens sei die Definition von «schwerverletzt» 2015 geändert worden, was nicht ohne Folgen für die Vergleichbarkeit der Zahlen bleiben könne.

Zentraler Kritikpunkt an der Argumentation vom Astra: Mehr verkaufte E-Bikes und mehr damit zurückgelegte Kilometer
lassen selbst dann die Unfallzahlen steigen, wenn Fahrten per E-Bike nicht unsicherer werden. Grafik: Cyclinfo
Wichtiger aber sei, dass gemäss Hochrechnungen der Fachstelle der E-Bike-Bestand in der Schweiz im laufenden Jahr nochmals um 165'000 Stück zugenommen habe und viele Schweizerinnen und Schweizer in der Pandemie aufs Velo umgestiegen seien. Gemessen an den zurückgelegten Personenkilometern sei das E-Bike somit nicht weniger sicher geworden. Zudem müsse der gesundheitliche Mehrwert aktiver Mobilität in die Rechnung mit einbezogen werden, moniert Martin Platter in der Pressemitteilung der Schweizer Fachstelle für Velo & E-Bike. Die nun seitens Bundesrat und Astra geforderte Helmpflicht für alle E-Bikes sei abzulehnen, denn das signalisiere Gefahr, mache die Nutzung des E-Bikes weniger attraktiv und drohe, den aktuellen Boom abrupt abzuklemmen - verwiesen sei auf das Beispiel Mofa.

Eine Helmpflicht signalisiert Gefahr und stellt somit eine weitere Hürde dar, welche die Nutzung von
E-Bikes verringert. Das kann weder verkehrs- noch klimapolitisch das Ziel sein. Foto: zVg Tern
Zudem hätten Studien aus Kanada, Neuseeland und Australien gezeigt, dass nach der Einführung einer Helmpflicht für Radfahrer die Velonutzung markant gesunken sei. Britische Forscher haben ausserdem festgestellt, dass Radfahrer mit Helm knapper von Autos überholt werden wie unbehelmte. Darum fordert die Fachstelle das Bundesamt für Strassen zu einer ganzheitlichen Betrachtung der Thematik auf - und zu einem deutlichen Ausbau der Infrastruktur für Velofahrer, was seit der Annahme vom Bundesbeschluss Velo auch demokratisch legitimiert sei. Schliesslich sei eine Helmpflicht nur Symptombekämpfung, während eine bessere Infrastruktur bei den Ursachen ansetze und den modalen Anteil des Veloverkehrs zu steigern vermöge - was auch klimapolitisch Sinn macht.







