Kampf um Lastenvelos: Volle Fahrt zurück?

Nicht nur in der EU, sondern auch in der Schweiz werden Forderungen laut, Lastenvelos stärker zu regulieren. Mit der Cycle Logistics Declaration wehrt sich die Branche gegen innovationsfeindliche Regulierungen.

Aline Kuenzler, Autorin (aline.kuenzler@velogisch.ch)
News, 25.11.2025

Die Cycle Logistics Declaration (CLD) ist nicht zufällig entstanden. Sie ist die direkte Reaktion auf eine Entwicklung, die in Deutschland begonnen hat, aber ganz Europa betrifft. Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) hatte im Frühjahr 2025 Forderungen zur EPAC-Regulierung formuliert. EPAC steht für Electric Power Assissted Cycle. Das Regelwerk definiert technische Beschränkungen wie Leistungs- und Gewichtslimits für Fahrräder mit Tretunterstützung in Deutschland. Der ZIV fordert unter anderem eine Begrenzung der Spitzenleistung von Elektrovelos. Aktuell ist lediglich die Nenndauerleistung auf 250 Watt begrenzt. 

Hohes Risiko für die Branche

Der Vorschlag des Zweirad-Industrie-Verbands löste bei vielen Akteuren aus der Logistik- und Mobilitätsbranche die Sorge aus, dass funktionierende Cargobike-Konzepte durch zu enge technische Vorgaben eingeschränkt werden. 

 «Nur wenn auf bestehenden Normen aufgebaut wird, können Regulierungen europäisch anschlussfähig, technologieneutral und praxistauglich sein.»

So schreibt der Radlogistikverband Deutschland: «Eine solche Begrenzung würde ein sehr hohes Risiko für die Radlogistik Branche darstellen». Insbesondere für das sichere Anfahren von beladenen Cargobikes sei eine kurzfristig hohe Leistung bei tiefer Geschwindigkeit unabdingbar. Dafür sei die Spitzenleistung der Fahrzeuge entscheidend. 

Gegen abstrakte Wattzahlen

Der Radlogistikverband Deutschland (RLVD) widerspricht dem ZIV deshalb deutlich und warnt, dass starre Grenzen für Spitzenleistung oder Gesamtgewicht die Sicherheit nicht erhöhen, den professionellen Einsatz aber massiv behindern würden. Der Verband anerkennt, «dass mit dem technischen Fortschritt auch eine Weiterentwicklung der Regulierung sinnvoll sein kann». Dies solle aber auf der bestehenden europäischen Normreihe DIN und EN 17860 aufbauen. Nur so könne eine Regulierung «europäisch anschlussfähig, technologieneutral und praxistauglich sein». So ist der Verband etwa offen für ein Regulierung der Spitzenleistung auf Basis der Maximalbeschleunigung, um die Verkehrssicherheit zu verbessern. Eine Regulierung soll sich aber an technisch messbaren, in der Praxis relevanten Kriterien, nicht an abstrakten Wattzahlen orientieren.

Über fünfzig Akteure schliessen sich zusammen

Aus dieser Spannung heraus entstand die Cycle Logistics Declaration: Ein Zusammenschluss von über fünfzig europäischen Herstellern, Logistikern und Verbänden, die gemeinsam ein stabiles, innovationsfreundliches Regulierungsmodell verteidigen wollen. Die Botschaft der Deklaration ist klar: Sicherheit entsteht durch geprüfte Standards, nicht durch künstliche Grenzen. Das Positionspapier bleibt offen für weitere Unterzeichnungswillige.

Kontrollschilder für Lastenvelos in der Schweiz

In der Schweiz zeigt sich jüngst eine ähnliche Dynamik. Während Europa über technische Grenzwerte diskutiert, wird hierzulande über Nummernschilder für Lastenvelos gestritten. Ein Vorstoss des Genfer Ständerats Mauro Poggio forderte Ende September Kontrollschilder für alle Lastenvelos und Longtail-Cargobikes mit verlängertem Gepäckträger. Poggio findet, dass «diese sperrigen Velos» aufgrund ihrer Länge und ihres Gewichts zusätzliche Risiken bergen. Daher macht sich der Genfer Ständerat für eine stärkere Regulierung und härteres polizeiliches Vorgehen gegen fehlbare Lastenvelofahrende stark. 

«Beides drückt eher Unsicherheit aus, als dass reale Probleme adressiert werden.»

Der Bundesrat empfiehlt die Ablehnung des Vorstosses und hält Anfang November fest, dass erst 2024 mit dem Verordnungsrevisionspaket über den Langsamverkehr auch Lastenvelos neu reguliert wurden. Seither sind Fahrzeugklassen im Langsamverkehr gemäss ihrem Gesamtgewicht geregelt. Der Bundesrat erklärt: «Eine Definition von Lastenrädern anders als nach Gewicht würde Abgrenzungsprobleme mit sich bringen». Ähnlich wie der Radlogistikverband in Deutschland rät auch die Schweizer Exekutive von komplizierten Vorschriften ohne Praxisbezug ab. 

In beiden Fällen geht es um die selbe Grundfrage: Wie ordnen wir ein Verkehrsmittel ein, das immer wichtiger wird, aber nicht in klassische Raster passt? In beiden Räumen entstehen politische Reflexe – in der EU über technische Limits, in der Schweiz über Registrierung. Beides drückt eher Unsicherheit aus, als dass reale Probleme adressiert werden. Dabei wird hier wie dort übersehen, dass Lastenvelos vor allem eines sind: hocheffiziente, emissionsfreie Verkehrsmittel, die unsere Städte entlasten. 

 

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