Sicherheitsrisiko Lastenvelo?

Sind Cargobikes gefährlich? In den vergangenen Wochen gab es dazu widersprüchliche Meldungen. Ein Test der Baloise-Versicherung sorgte für Aufsehen. Velojournal bringt Übersicht in die verworrene Lage.

Laurens van Rooijen, Autor

Laurens van Rooijen, Autor (lvr@cyclinfo.ch)
News, 04.08.2020

In den vergangenen Jahren wurden in der Schweiz immer mehr Lastenvelos verkauft. Mit ein Grund für die steigende Beliebtheit von Cargobikes dürften deren Elektromotoren sein: Der in vielen Modellen eingebaute «Rückenwind» sorgt dafür, dass die Schweizer Topografie selbst für schwer bepackte Lastenräder kein Hindernis darstellt.

Während die Sicherheit noch nicht so zentral ist, wenn Topferde oder Dispersionsfarben befördert werden, sieht das beim Transport wertvoller Güter anders aus. Und was ist in den Augen von Eltern mehr wert als ein Kind?

EFBE-NormKlein, aber oho: Die kompakten Lastenvelos «GSD» und «HSD» von Tern haben?beide den deutlichen verschärften EFBE Tri-Test ohne Probleme bestanden.?

Normen

Bei der Sicherheit eines Fahrzeugs gilt es, verschiedene Faktoren zu beachten. So ist der Rahmen für die Betriebssicherheit zentral, zumal bei Lastenvelos, die oft schwer beladen werden. Die EFBE Prüftechnik GmbH hat darum nun einen Tri-Test definiert, der auf der neuen, deutschen Norm für Lastenvelos (DIN 79010:2020-02) beruht und diese um Maximal- und Überlastprüfungen ergänzt, um eventuelle Schwachstellen aufspüren zu können.

Insgesamt muss jeder Rahmen zehn Tests in Folge bestehen. Als einer der ersten Velohersteller hat Tern, bekannt für faltbare und kompakte Alltagsvelos, die beiden Modelle «GSD» und «HSD» von EFBE bis zu den zulässigen Gesamtgewichten von 200 respektive 170 kg testen lassen – und die kompakten Lastenvelos haben den Test bestanden. Aber mit dem Rahmen allein ist es noch nicht getan.

Anbauteile müssen Normen erfüllenAuch die Anbauteile sollten bei Lastenvelos an das deutlich höhere Systemgewicht?angepasst werden. Auch hier bieten Prüfinstitute den Herstellern Hand für Tests.?

Die übrigen Anbauteile wie Laufräder, Lenker, Vorbauten oder Sattelstützen müssen auf das deutlich höhere Systemgewicht von Lastenvelos ausgelegt sein, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten. Während viele Laufrad-Hersteller für Felgen wie für komplette Räder empfohlene, maximale Systemgewichte vorgeben, arbeitet Humpert bei den Ergotec-Anbauteilen mit einer von 1 bis 6+ reichenden Skala.

Diese zeigt an, für welches Systemgewicht und welchen Einsatzzweck ein Bauteil frei gegeben ist – und bietet so Veloproduzenten wie Fachhändlern eine Orientierung, welche Teile etwas an Lastenvelos verloren haben und welche definitiv nicht. Bei Reverse Components haben alle speziell für E-Mountainbikes bestimmten Teile härtere Tests überstanden.

Gurte reissen

Vergangene Woche sorgten die Baloise Versicherung und die Basler Kantonspolizei mit einer Reihe von Unfalltests mit Trend-Fahrzeugen für mediales Aufsehen: Ausser dem Zusammenprall eines E-Trottinett-Fahrers mit einem Fussgänger wurde dabei auch ein Auffahrunfall eines Lastenvelos mit zwei angegurteten Kindern auf ein stehendes Auto simuliert.

Während der Rahmen und der Fahrer weitgehend ungeschoren davon kamen, sah es für die kleinen Crashtest-Dummies vorne in der Box weniger gut aus: Weil die Schliessung des Gurtsystems beim Lastenvelo der Marke Allegro den beim Aufprall auftretenden Kräften nicht gewachsen war und versagte, wurden diese Kopf voran gegen das Autoheck geschleudert. Zudem stellten die Gurte für die Kinder ein Strangulationsrisiko dar. 

Cago LastenveloVorteil Cago: In diesem Lastenvelo von RTI Sports sitzen Kinder tief in der EPP-Box und werden durch hochwertige Gurtsysteme gesichert. 

Erst 2016 hatte das Bundesamt für Strassen Astra die Vorschriften für den Transport von Kindern in Lastenvelos gelockert. Angesprochen auf ein Sicherheitsgurt-Obligatorium für Kinder, die in Cargobikes sitzen, gab sich Daniel Junker als Leiter Fahrzeug-Experten bei der Baloise Versicherung zurückhaltend. In diesem Bereich Vorschriften zu erlassen, sei eine Gratwanderung. «Schliesslich sollen die Menschen dazu bewegt werden, das Velo häufiger zu benutzen. Diesen Prozess darf man nicht mit allzu strengen Gesetzen abwürgen.»

Eltern seien aber «gut beraten», sich mit der richtigen Ausrüstung auszustatten, unterstrich Junker. Wie der Crash-Test gezeigt hat, sind dabei weder der Rahmen noch der Behälter für das Transportgut die Schwachstelle, sondern das Gurtsystem und insbesondere dessen Schliessung.

Fotos: Reverse Components, Tern, RTI Sports, ZVG

Empfohlene Artikel

Günstige E-Bikes im Test: Nicht alle sind gut.
Test

Elektrovelos: Günstig ist nicht immer gut

Test: Bikehandschuhe von Pearl Izumi.
Ausprobiert

Passende Funktionalität

Pearl Izumi Elevate Mesh Bikehandschuh im Langzeittest
Ausprobiert

Test: «Elevate Mesh LTD Glove» von Pearl Izumi