Pop-up-Velowege sind rechtswidrig

Das Berliner Verwaltungsgericht hat entschieden, dass acht sogenannte Pop-up-Velowege in der deutschen Hauptstadt wieder entfernt werden müssen. Die Corona-Pandemie reiche als Grund für eine Verkehrsumverteilung nicht aus. Das Urteil offenbart die Bevorzugung des Autoverkehrs im deutschen Gesetz.

Julie Nielsen, Redaktorin (julie.nielsen@velojournal.ch)
popup-veloweg, 11.09.2020

Als Reaktion auf den Lockdown haben einige Berliner Bezirke bereits Ende März damit begonnen, auf sonst viel befahrenen Strassen, eine Spur für Velofahrende zur Verfügung zu stellen. Anfangs waren die Pop-up-Velowege nur bis Mai geplant, wurden dann aber bis Ende Jahr verlängert. Die temporären Massnahmen wurden auch von vielen anderen deutschen Städten aufgegriffen, damit die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden können.

Ein Mitglied der AfD im Berliner Landesparlament hat bereits kurz nach der Entstehung von acht Pop-up-Velowegen beim Verwaltungsgericht geklagt. Inhalt der Klage: Die Pandemie könne nicht als Vorwand genutzt werden, um Autospuren abzubauen. Vielmehr müsse auf eine konkrete Gefahrenlage hingewiesen werden.

Die Signalwirkung ist verheerend

Ein Pop-up-Veloweg ist entsprechend nur dann legal, wenn er aufgrund von verkehrsbezogenen Erwägungen umgesetzt wird. Dass seit Beginn der Pandemie 70% mehr Menschen mit dem Velo in Berlin unterwegs sind und der Autoverkehr nachweislich zurückgegangen ist, ist für das Urteil nicht relevant. Und dass die kreativen Massnahmen für mehr Sicherheit sorgten – auf Streckenabschnitten, auf denen klar Bedarf für sicherere Radwege bestünde – ist ebenfalls nicht bedeutend. Die besagten Strassenspuren müssen gemäss Urteil für die Autos geräumt werden.

Vorerst werden die acht eingeklagten Velowege aber noch nicht in Autospuren zurückverwandelt. Die Berliner Landesregierung hat um aufschiebende Wirkung gebeten und eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts angekündigt.

Laut Gerichtsurteil muss dieser Strassenabschnitt der Kantstrasse wieder für Autos freigegeben werden.

Und in der Schweiz?

In der Schweiz ist die Rechtslage etwas anders als in Deutschland. Eine städtische Behörde kann Radwege verfügen, ohne sie begründen zu müssen. Allerdings kann dagegen auch Einsprache erhoben werden. Ebenfalls darf die Behörde oder das ASTRA – wenn die Verkehrssicherheit es erfordert – ohne Verfügung entsprechende Signale für den Zeitraum von maximal 60 Tagen anbringen.

Dennoch entstanden hierzulande im Vergleich zum Ausland nur sehr wenige Pop-up-Velowege. Dabei hätten die Behörden die Erlaubnis, selbstständig und flexibel zu handeln. Einzig die Westschweizer Städte Genf und Lausanne haben mit solchen Massnahmen auf die steigende Anzahl der Velofahrenden seit Beginn der Corona-Pandemie reagiert.

Laut Einschätzung von Christoph Merkli von Pro Velo Schweiz haben die beiden Städte von der einfachen Rechtslage für temporäre Änderungen im Verkehr Gebrauch gemacht, weil die Auflagepflicht damit wegfällt. Doch nach 60 Tagen müssten die Wege wieder entfernt werden, wenn die Massnahme nicht nach dem normalen Verfahren verfügt worden sei.

Fotos: Alexander Czeh

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