Mercedes schmückt sich mit fremden Federn

Das Solothurner Start-up Asfalt präsentierte vor einem Jahr ein leichtes Elektrovelo. An der Eurobike wurde das Unternehmen dafür mit zwei Awards ausgezeichnet. Nun will ein Lizenznehmer von Mercedes-Benz eine Kopie des

Fabian Baumann, Redaktor (fabian.baumann@velojournal.ch)
News, 16.10.2020

Die Geschichte liest sich wie ein Wirtschaftskrimi. Sie erstreckt sich über fast ein Jahr und mehrere Kontinente hinweg. Zudem spielt mit Mercedes-Benz einer der renommiertesten Autokonzerne der Welt eine fragwürdige Rolle – oder wohl eher der australische Velohersteller N+ Bikes als dessen Lizenznehmer im Fahrradsegment.

Aber immer schön der Reihe nach: Im September 2019 wurde das Solothurner Jungunternehmen Asfalt an der weltweit grössten Fahrradfachmesse Eurobike für das aufgeräumte Design-E-Bike «Asfalt LR» gleich mit zwei Awards ausgezeichnet. Einmal in der Kategorie Start-up und einmal in der Kategorie E-Bike. Hinter diesem Erfolg steckten drei Jahre Entwicklungsarbeit, während der die Firmengründer viel eigenes Kapital einbrachten.

N+ Bikes tritt auf den Plan

Anfang 2020 wurden die Asfalt-Macher vom australischen Velo-Produzenten N+ Bikes kontaktiert. Als Lizenznehmer von Mercedes Benz suchte dieser nach einem E-Bike, das unter der Lizenz des «Mercedes Benz EQ Formula E Team» verkauft werden sollte.

Nach ersten, vielversprechend verlaufenden Verhandlungen produzierten die Asfalt-Macher einen Prototypen mit leuchtendem Mercedes-Benz-Logo im Steuerohr und verschickten diesen nach Australien. Hier sollte das E-Bike am Rande des Formel 1 GPs von Melbourne geladenen Gästen vorgestellt werden – für ein Start-up eine unverhofft grosse, ja globale Bühne.

Doch dann durchkreuzte die Covid-19-Pandemie alle Pläne und in Solothurn hörte man immer weniger von N+ Bikes, obwohl die Asfalt AG den Vertrieb im europäischen Markt zugesichert bekommen hatte.

Gute Idee wird kopiert

In diesem Herbst nahm die Geschichte nun eine überaus unerfreuliche Wendung für die Asfalt-Macher: N+ Bikes hat offensichtlich Nägel mit Köpfen gemacht und bietet im Webshop das «N+ Mercedes-Benz E Formula E Team eBike» zum Kauf an. Dieses Elektrovelo ist bis in die Details baugleich mit dem «Asfalt LR».

Das lege die Schlussfolgerung nahe, dass der chinesische Produktionspartner von Asfalt in den Plagiatsfall verwickelt sei, berichtet das Schweizer Fachmagazin Cyclinfo auf seiner Webseite. Schliesslich hätten die Solothurner bewusst klein begonnen und im ersten Jahr nur 250 Einheiten in der Schweiz verkauft, um als kleines Start-up in Sachen Service nicht überfordert zu werden.

N+ Bikes dürfte dem chinesischen Produktionspartner deutlich höhere Stückzahlen in Aussicht gestellt haben und verlangt 1000 US-Dollar mehr für das gleiche E-Bike, ohne irgendwelche Entwicklungskosten tragen zu müssen.

Asfalt scheint machtlos

Laut Asfalt-Mitgründer Michael von Burg gibt es aber ein Problem: «Weil Design-Patente kostspielig und besonders international sehr schwierig durchzusetzen sind, haben wir keinen solchen Schutz in der Hand.» Dafür wird Asfalt an der Eurobike ein neues Modell vorstellen, das sich von der Kopie von N+ Bikes deutlich abhebt.

Doch es kommt noch dreister: Für die Kommunikation hat N+ Bikes Bildmaterial von Asfalt verwendet. Teils unverändert, teils mit einem retuschierten Mercedes-Stern auf dem Rahmen. Zumindest dagegen besteht durch das Recht am Bild eine juristische Handhabe.

Mit dieser Geschichte bezahlt Asfalt Lehrgeld im Umgang mit Produktionspartnern in der Volksrepublik China. Mercedes-Benz täte hingegen gut daran, die Lizenzpartner im Velosegment sorgfältiger auszuwählen.

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