Die Stimme des Hallenstadions ist nicht mehr

Charly Schlott kommentierte vier Jahrzehnte lang die Sechstagerennen im Zürcher Hallenstadion. Nun ist die Stimme des Hallenstadions für immer verstummt. Ein Nachruf auf den Mann, der den Radsport mitprägte.

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Martin Platter
19.11.2019

Charles «Charly» Schlott (1934 – 2019). Legendär waren Charly Schlotts Ungeduld bis ins hohe Alter und die von unzähligen Zigaretten leicht verrauchte, sonore Stimme, die während 40 Jahren zum guten Ton und der unvergleichlichen Atmosphäre im Zürcher Hallenstadion gehörte.

Schlott hob sich mir seiner Vielsprachigkeit, seinen profunden Sportkenntnissen und seiner unaufgeregten Art beim Kommentieren wohltuend von vielen seiner marktschreierischen Kollegen ab. Als Speaker begleitete er 39 Zürcher Sechstagerennen – wofür er zum Dank eine (!) Flasche Wein erhielt – und 1200 ZSC-Lions-Spiele.

Bei einem Vorbereitungsrennen 1956 auf der offenen Rennbahn in Oerlikon sass Schlott – damals selber begeisterter Radrennfahrer – zum ersten Mal hinter dem Mikrophon. Sein Talent sprach sich in der Radsportwelt rasch herum. Der sprachgewandte Schlott, dessen Mutter Französin war, parlierte neben Deutsch und Französisch auch fliessend Italienisch, Englisch und ein paar Brocken Spanisch. Wurden ihm die Sprachen nicht in die Wiege gelegt, lernte er sie in der Kindheit – Italienisch in den Ferien bei der Tante im Tessin – und in der KV-Lehre grösstenteils autodidaktisch.

So wurde er neben den Sportanlässen im Hallenstadion bald auch für die Sechstagerennen in Deutschland, die Fernfahrt Paris-Luxemburg, als Radiotour-Sprecher für die Schweizer Rundfahrten und den Giro d'Italia gebucht. Überdies war er bis 2001 während 26 Jahren die offizielle Stimme des Radweltverbandes UCI an 45 Bahn- und Strassen-WM-Rennen. 1984 kommentierte er sogar die Radwettbewerbe an den Olympischen Sommerspielen in Los Angeles.

Der Radsport in all seinen Facetten bewegte Schlott auch neben seiner Speaker-Tätigkeit. Anfangs der 1990er war er vier Jahre Geschäftsführer des Schweizerischen Rad- und Motorfahrerbundes SRB und wurde 2003 in den Vorstand der Nachfolgeorganisation Swiss-Cycling gewählt. Bis zuletzt war er ein kritischer Beobachter des Schweizer Radverbandes und der Radsportszene allgemein.

In Erinnerung bleiben wird der Schnelldenker als geradliniger, engagierter und vielseitig interessierter Gesprächspartner mit trockenem Humor, der seine Ungeduld bis ins hohe Alter nicht ablegen konnte. Nach einer Herzoperation schwang er sich zu früh wieder aufs Velo und suchte die sportliche Herausforderung. Als Folge erlitt er einen Schwächeanfall von dessen Folgen er sich nicht mehr erholte.

Charly Schlott starb am 28. Oktober 2019 fünf Tage vor seinem 85. Geburtstag. Er hinterlässt seine Ehefrau Verena, drei erwachsene Kinder, vier Enkel und einen Urenkel.

Charles Charly SchlottCharly Schlott war 40 Jahre lang die Stimme des Hallenstadions.

 

Fotos: Martin Platter