Dreikönigstagung der Velobranche

Anfang Jahr treffen sich Vertreter von Velofachhandel und Branche jeweils zu ihrer « Dreikönigstagung». Sie ist beliebt: Mit 820 Teilnehmenden war die Infotech in Nottwil früh ausgebucht. Höhepunkt war das Branchenforum Arena.

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Laurens van Rooijen, Pete Mijnssen
17.01.2019

Die Infotech gilt als wichtigste Veranstaltung der Schweizer Velobranche. Am 9. und 10. Januar reisten mehr als 800 Personen aus Handel und Vertrieb nach Nottwil, um sich während zwei Tagen auszutauschen und weiterzubilden. Die technischen und betriebswirtschaftlichen Seminare waren gut besucht. Bei einzelnen Formaten herrschte dieses Jahr Grossandrang.

Das war auch am Mittwochabend im voll besetzten Auditorium der Fall. Dort wurde zum Thema «Mainstreamer oder Querdenker» unter der Moderation von Marius Graber (Velojournal/Cyclinfo) darüber diskutiert, wie sich der stationäre Fachhandel gegen die Konkurrenz grosser Filialisten und Online-Direktverkäufer behaupten könne. Offensichtlich hatte der Veranstalter einen Nerv getroffen.

Das Publikum diskutiert an der Infotech fleissig mit.
Das Publikum war Teil der diesjährigen Diskussion. So sass man sich in der Aula gegenüber.

Von Familienbetrieben und Quereinsteigern

Drei Fachhändler stellten ihr Geschäft vor – und was dieses besonders macht. Harry Ramsauer führt sein Familiengeschäft Ramsauer Radsport in St. Gallen in dritter Generation und engagiert sich als Präsident der Velogruppe beim Berufsverband 2rad Schweiz. Sein Credo lautet: unabhängig von Banken und Lieferanten bleiben und in einer Liegenschaft Geschäften, die ihm selbst gehört.

Harry Ramsauer führt den Familienbetrieb in dritter Generation.

René Albisser vertrat mit seinem Trailrider Bikeshop Aegeri die mountainbikebegeisterten Quereinsteiger der frühen 90er-Jahre: Albisser verkauft bewusst keine E-Bikes («das schiist mii aaa») und fokussiert stattdessen auf sportliche, hochwertige Mountainbikes und Fat Bikes.

René Albisser setzt in seinem Betrieb auf Mountainbikes.

Für eine andere Art von Quereinsteigern stand Daniel Rey auf dem Podium: Er fand von der Informatik über den E-Bike-Boom 2014 zum Velohandel. Mit der e-Motion e-Bike Welt Dietikon konzentriert er sich ganz auf die Aspekte Elektrovelo und urbane Mobilität. Sein Geschäft ist innert fünf Jahren von zwei auf acht Mitarbeitende angewachsen. Er rief aber auch dazu auf, dort zu kooperieren, wo die Kapazitäten eines einzelnen Betriebs an Grenzen stossen – etwa beim Auftritt im Internet oder im Hinblick auf die Herausforderungen der Digitalisierung.

Daniel Rey verkauft ausschliesslich Velos mit Elektromotor.

Stationäre Fachhändler brauchen ein klares Profil

Albisser und Rey waren sich einig: Um sich zu behaupten, müssen stationäre Fachhändler ein klares Profil herausarbeiten – auch durch bewussten Verzicht. Zudem sei es wichtig zu leben, was man verkaufe: Nur wer mit Leidenschaft hinter seinem Sortiment stehe und dieses auch regelmässig intensiv nutze, könne es auch mit der nötigen Kompetenz verkaufen.

Die anschliessende Plenumsdiskussion, an der man sich für einmal gegenüber sass, drehte sich vor allem um die Frage, wie man als Händler klein und selbständig bleiben und Filialisten wie Online-Versendern Paroli bieten könne. Daneben drücken die Fachhändler folgende Schuhe: Wie finde ich «gutes» Personal – oder überhaupt welches, wenn die Mechanikerstelle seit einem Jahr offensteht? Warum will keiner Velomechaniker sein/bleiben? Lernen Velomechanikerinnen heute, was sie in zehn Jahren in einem veränderten Umfeld wissen müssen? Und: präsentiert sich der Verband noch zeitgemäss? Sollen Velosuisse und 2RadVerband fusionieren?

Aus Sicht der Lieferanten erinnerte Dirk Kurek von der Komenda AG bei allem Wehklagen über die Niedriglohn-Velobranche, dass diese im Vergleich zu anderen sehr durchlässig sei: «Wo sonst kann man vom Schrauber zum Produktmanager werden?», rief er in die Runde.

Als Vertriebsleiter des österreichischen Fahrradherstellers Simplon stellte Wolfgang Haberstock die entscheidende Frage: «Wie können wir als Händler oder Hersteller zu Kunden mit ihrem durch das Internet veränderten Konsumverhalten eine Beziehung aufbauen, die über den blossen Verkaufsvorgang hinausgeht?»

Am Schluss forderte ein Branchenvertreter die beiden Verbände Velosuisse (Hersteller und Produzenten) und 2 Rad Schweiz (Fachhändlerverband) unverblümt dazu auf, zu fusionieren. Ob diese kühne, aber letztendlich logische Forderung Zukunft hat, wird sich zeigen. Spätestens in einem Jahr wird man (vielleicht) mehr dazu wissen.

 

Fotos: ZVG