Rekonstruktion einer Radreise

Radost ist die Geschichte zweier Burschen, die schräg im Leben stehen. Die Niederschrift der Lebensgeschichte des einen führt den anderen auf eine Radreise gen Osten.

Dres Balmer, Autor

Dres Balmer, Autor (dres.balmer@bluewin.ch)
Kultur, 05.03.2021

Zwei Schweizer treffen sich auf Sansibar. Der eine, Fabian, landet dort halbherzig, weil er in einem Wettbewerb einen Flug auf diese Insel gewonnen hat. Der andere, Max, verbringt längere Zeit in Afrika. Er ist verkleidet in ein Massai-Gewand, die Einheimischen nennen ihn den Weissen Massai.

Beide Burschen stehen schräg im Leben, und das bindet sie. Fabian hat Liebeskummer und seine Stelle als Journalist aufgegeben, Max hat lange Wirtschaft studiert, weiss dann nicht, was er mit Ökonomie anfangen soll. Er ist aus reichem Haus, er unternimmt Irrfahrten durch die Welt. Er ist dem Alkohol und schärferen Drogen zugetan, sein Geist verwirrt sich, er vergisst alles ausser seine Witze.

Mehrmals ist er in Psychiatrischen Kliniken. In seinen Stammkneipen wird er oft ausfällig, beschädigt das Mobiliar oder hinterlässt andere Spuren und negative Erinnerungen bei den Wirtsleuten. Zwischen Max und Fabian entwickelt sich eine Freundschaft, die so weit geht, dass Fabian Max’ halb vergessene Lebensgeschichte, seine Irrfahrten rekonstruiert und aufschreibt.

Eines der Kernstücke des Buches ist eine Veloreise, die Max aus der Schweiz nach Zagreb unternommen hat.

Eines der Kernstücke des Buches ist eine Veloreise, die Max aus der Schweiz nach Zagreb unternommen hat. Fabian hält diese Tour für wichtig, will mehr über sie erfahren, doch Max hat das Meiste vergessen. Also macht sich Fabian zwölf Jahre später auch per Velo auf die Reise, orientiert sich an der Kreditkarten-Abrechnung, die ihm Max’ Bruder Johan kopiert hat.

Wie für Max ist auch für Fabian das Velofahren eine ungewohnte Beschäftigung, und er folgt vom Zürichsee aus Max’ Route: Landquart – Flüela- und Ofenpass – Südtirol – Steiermark – Kärnten – Maribor – Zagreb, 914 Kilometer und 7000 Höhenmeter aufwärts.

Tag um Tag bekommt Fabian grössere Mühe, die Etappen seines Freundes zu schaffen, was gespenstische Visionen zeitigt: «Immer wieder begegnet er mir. Ich höre ihn schnaufen, sehe ihn neben mir auftauchen und an mir vorbeiziehen», Fabian riecht «nur die Schweisswolke, die er hinterlässt». Doch die Reise gelingt, auch Fabian erreicht Zagreb. Dort lebt er rauschhaft Max’ schönste Lebenszeit nach, und diese Zeit heisst Radost. Das kroatische Wort Radost heisst auf Deutsch Freude.

Frédéric Zwicker: Radost, Roman. Zytglogge-Verlag, Basel 2020, Preis: Fr. 33.90.

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