Die fünfundneunzig Gebote

Die Velominati wollen uns das fromm-anständige Leben auf dem Rennrad lehren. «Die Regeln» sind ihre Gebote für das richtige Leben auf dem Sattel, eingettet in zwei Buchdeckel. Velojournal hat sich das Buch angeschaut.

Dres Balmer, Autor

Dres Balmer, Autor (dres.balmer@bluewin.ch)
Unterhaltung, Kultur, 13.01.2021

«Regel 33: Die Beine sollten jederzeit sorgfältig rasiert sein», denn das «ist eine Art Stammesritual – es lässt andere wissen, dass wir Radsportler sind».

«Regel 52: Bidons sollten klein sein. Maximal 500 Milliliter. An deiner Maschine sollten keine extra grossen Behältnisse zu sehen sein».

«Regel 74: Powermeter, Herzfrequenzmonitor und GPS-Navi sind sperrig, hässlich und überflüssig.»

Das sind drei Gebote aus einem Rennvelo-Handbuch, erstellt von den «Velominati, dem heiligen Orden der Radsportjünger»;  so nennt sich eine Gruppe von fünf Autoren, die uns das fromm-anständige Leben auf dem Rennrad lehren oder aber den gültigen Tarif durchgeben. Das geschieht in fünf Kapiteln, die das Soziale, die Fahrt an sich, die Maschine, das Ästhetische und das Kulturelle abhandeln.

Dabei stöbern die Erleuchteten in der reichen Geschichte des Radsports Personen und Ereignisse auf, die sie dann sprachlich bewundernd bis ätzend böse umsetzen: So hat Fabian Cancellara Beinlinge und Armlinge stets lückenlos perfekt getragen, während Lance Armstrong seine Füsse in grässlich lange Socken gesteckt hat und so zum Pionier geworden ist für heute übliche Scheusslichkeiten, zu denen neben den hohen Socken der Sechstagebart und die Werbung am Arsch gehören.

«Dreht der Kfz-Mechaniker ein Auto um, um es zu reparieren? Der Tierarzt ein Pferd? Nein»

Dann die Hobbyradler, die für viel Geld die Werbetricots der Profimannschaften kaufen, um freiwillig ihre Idole nachzuäffen, die ihre Haut für die Werbung zu Markte tragen, weil sie müssen. Und schliesslich der Gümmeler, der zum Flicken sein Velo mit Lenker und Sattel, die Räder himmelwärts, auf den Erdboden stellt, dieser Vollpfosten! Das Evangelium fragt: «Dreht der Kfz-Mechaniker ein Auto um, um es zu reparieren? Der Tierarzt ein Pferd? Nein».

Man liest, lernt und lacht nicht linear durch die fünf gescheiten, witzigen, selbstironischen Evangelien «dieser heiligen Schrift». Das Buch ist vielmehr so aufgebaut, dass man durch die zahlreichen Querverweise neugierig in den Evangelien herumkurbelt. So findet jede Leserin, jeder Leser bei der Lektüre den eigenen Parcours.

Stets gilt aber dieser Glaubenssatz: «Die Lösung besteht darin, viel und oft zu fahren».

Velominati, Die Regeln. Kodex für Radsportjünger. Covadonga Verlag, Bielefeld 2018, Preis: Fr. 21.90.

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