Lieber Dr. V. Love
Ich bin Mitglied eines Rennveloclubs. Der Club möchte neue Tricots herstellen lassen. Nun ist eine Diskussion darüber entbrannt, wie diese Maillots aussehen sollen. Die eine Fraktion, zu der auch ich gehöre, meint, Tricots sollten möglichst einfarbig und dezent sein. Auf jeden Fall nicht bunt. Die andere Fraktion ist der Ansicht, je farbiger, desto besser. Was sagen Sie als Velo-Stil-Ikone dazu?
Sportliche Grüsse
Bernhard Bunt, Dagmersellen
Lieber Herr Bunt
Velo-Stil-Ikone?! Vielen Dank für die Blumen (ein dezenter Strauss cremefarbener Rosen? ein buntes Bouquet wilder Wiesenblumen?). Dabei habe ich einen ganz einfachen Geschmack: Ich bin immer mit dem Besten zufrieden. Zu Ihrem Anliegen: Hinter der scheinbar einfachen Ausgangslage verbergen sich die grossen Fragen: Wer bin ich? Und warum? Sause ich mit rauschenden Ritzeln insgeheim noch immer meinem Bubentraum hinterher, dereinst eine TdF-Etappe zu gewinnen oder das rot-weiss gepunktete Maillot des Bergpreis-Leaders überziehen zu können?
Dann gehöre ich höchstwahrscheinlich zur Fraktion, welche die Ästhetik kunterbunter Shirts mag, wie man sie an den Oberkörpern der Profis sieht. Logo: Bei den Mannschaften, die an grossen Rundfahrten dabei sind, helfen Schreifarben und fancy Muster der Maillots dabei, Sponsorenlogos ins rechte TV-Licht zu rücken. Beim Rennveloclub Dagmersellen würden knallfarbige Leibchen dementsprechend signalisieren: Wir meinen es ernst, im Fall, wie die Grossen! Je nach Fitnessstand, Altersstruktur und Motivation des Clubs könnte das natürlich auch ein bisschen kindisch wirken.
Eine solche Aussenwirkung befürchten vielleicht die Anhänger schlichter Maillots – wie Sie, Herr Bunt. Sie stehen eher auf Understatement, stille, abgeklärte Eleganz. Eine weitere Erklärung für die Präferenz von Tricotdezenz wäre, dass im Peloton Ihres Clubs Architekten und Grafiker mitfahren, die ja meist gern ihren Reduce-to-the-max-Fetisch zelebrieren – oder sie haben ein paar Vereinshipster, die voll auf so pseudoschlichten Pseudo-Vintage-Kram abfahren.
Um aber Ihre Frage zu beantworten: Stimmen Sie ab. Entweder solid schweizerisch über das Aussehen des Tricots. Oder stimmen Sie die Maillotfarben ab, aufeinander, meine ich. Damit Sie bei zukünftig kreativen Fahrten im Clubpulk wahlweise einen Regenbogen, Bryan Ferry im Anzug oder das Vereinslogo darstellen können.
Dann macht Stilaugen, versprochen:
Ihr Dr. V. Love
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