Lieber Dr. V. Love
Auf meinen teuren Carbonrenner der vorletzten Generation lasse ich nichts kommen – leicht, agil und wunderschön mit Felgenbremse. Nun macht sich mein Sohn, ein Mountainbiker, mit seinen Scheibenbremsen lustig über mich und nennt mich einen «alten Affen».
Betrübt und irritiert, Alfons R. aus B.
Lieber Alfons R.
Ist es nicht seit den alten Griechen aus der Prä-Carbonrahmen-Ära verbürgt, dass die Jugend nie so tut, wie es die älteren Generationen gern hätten? Dass sie spottet, zündelt, anprangert? Und ein paar Jahre später selbst mit Kritik zugeballert wird von denen, die nachrücken.
Ihr Grossvater hätte sich das schüttere Haupthaar gerauft, hätte er gehört, dass Ihr Carbonrennvelo so viel kostet, wie er einst in drei Jahren verdiente. Aber ja: «So isch s Läbe», gab der Existenzphilosoph Beat Breu dazu zu bedenken. Ihr Unglück ist ja insofern überschaubar, als sich der Generationenkonflikt im Hause R. an Themen wie Felgen- vs. Scheibenbremse oder Velorahmenmaterialien entzündet.
Immerhin rebelliert Ihr Sohn nicht gegen seine umweltbewusste Familie, indem er im Audi Q7 oder einem ähnlich dimensionierten Absurd-SUV vorfährt, in Fracking, SpaceX und KI investiert und stolz ist auf seinen HON-Circle-Vielflieger-Status bei Lufthansa. Wäre es so, hätten Sie durchaus Grund zum Lamentieren.
«Ihr Grossvater hätte sich das schüttere Haupthaar gerauft, hätte er gehört, dass Ihr Carbonrennvelo so viel kostet, wie er einst in drei Jahren verdiente.»
Aber in Ihrer Situation? Come on! Sind Sie in diesem Schwank etwa die Schneeflocke? Apropos: Bevor wieder Wasser in seiner kristallinen Form vom Himmel fällt und die Strassen glitschig macht – raus mit dem Carbonrad. Kleiner Tipp zum Sprachgebrauch: Reden Sie vor dem Sohnemann vom «Vintage-Racing-Bike» – das hilft, den Generationen-Gap zu überbrücken. Und dann rollen Sie mit Ihrem Gefährt durch die letzten goldenen Spätestherbsttage und atmen tief.
Wenn Sie einmal bremsen: Drücken Sie die Beläge gefühlvoll auf die Felgen – ahh, herrlich, oder?! Sie können anhalten, wie und wo Sie wollen. Wer kann das in seinem Leben schon von sich behaupten? Also.
Und falls Sie zu denjenigen gehören, die zum Fahren Musik auf die Ohren brauchen: Der Pixies-Klassiker «Monkey Gone to Heaven» würde bestens passen.
Aber gerne! Nimmermüde, immer auf den Felgen, Ihr Dr. V. Love