Gute Veloinfrastruktur kostet Geld. Doch führt Geld allein zu guter Veloinfrastruktur? In der Stadt Zürich hiessen die Stimmberechtigten Mitte 2015 den Gegenvorschlag zur Volksinitiative für sichere und durchgängige Velorouten gut und bewilligten damit einen Rahmenkredit von 120 Millionen Franken.
Genau fünf Jahre später vermeldete der Stadtrat stolz, für die Jahre 2020 bis 2022 rechne die Stadt mit «steigenden Investitionen» in die Veloinfrastruktur, konkret mit 8 Millionen Franken fürs Jahr 2020, 15,6 Millionen für 2021 und 23,9 Millionen für 2021. Die jeweils grössten Ausgabenposten seien die Zweiradstationen Stadttunnel und Stadelhofen.
So weit, so gut, nur: Was sagen wir jetzt all jenen Menschen, die seit dem Frühling 2020 pandemiebedingt mehr Velo fahren oder ganz aufs Velo umsteigen möchten, denen es aber beim Anblick all der Autostrassen mit maximal einem schmalen Velostreifchen am rechten Strassenrand angst und bange wird? Sorry, da musst du durch – hier gilt: Wer Velo fährt, ist selber schuld? Oder sollen wir sie damit trösten, dass in ungefähr 20 Jahren mit ein bisschen Schwein die gröbsten Lücken geschlossen, die gefährlichsten Kreuzungen entschärft sind?
Unter uns: Niemand denkt ernsthaft daran, die Verkehrsinfrastruktur zügig velogerecht umzubauen
Unter uns: Niemand denkt ernsthaft daran, die Verkehrsinfrastruktur zügig velogerecht umzubauen – angenommene Volksinitiativen und bewilligte Gelder hin oder her. Denn dafür müsste man jenem Verkehrsmittel Platz wegnehmen, das am meisten davon braucht und obendrein die Umwelt mit Lärm, Abgasgestank und Feinstaub belastet, also dem Auto. Und welcher Politiker, der wiedergewählt werden will, wagt eine solche Ansage?
Obendrein ist eines klar: Der Mensch ist von Natur aus bequem, und er will sich möglichst bequem und möglichst gratis fortbewegen. Hat man der Autofahrerin und dem Autofahrer erst einmal breite, gute Strassen zur Verfügung gestellt und jede freie Ecke öffentlichen Raums in einen Parkplatz verwandelt, der nichts bis wenig kostet, dann pochen sie logischerweise auf ihr «Recht», selbst dann das Auto zu nehmen, wenn sie bloss zum Coop wollen, der einen Kilometer von ihrem Wohnhaus entfernt ist.
Mit Geld allein baut man keine Velowege. Aber wäre Autofahren viel umständlicher und teurer als heute, stiege wohl die eine oder der andere aufs Velo um.
Aber wer sagt eigentlich, dass das bis in alle Ewigkeit so sein muss? Angenommen, der Weg zum Coop wäre eines schönen Morgens erstens in eine Tempo-30-Zone verwandelt und zweitens verschmälert worden, um rechts und links Platz für die frisch gepflanzten Bäume zu gewinnen. Drittens kostete eine Viertelstunde parkieren beim Coop nun fünf Franken – wer das Auto nimmt, ist selber schuld …
Mit Geld allein baut man keine Velowege. Aber wäre Autofahren viel umständlicher und teurer als heute, stiege wohl die eine oder der andere aufs Velo um. Und bald könnten es Politikerinnen wagen, Autospuren in Velospuren umzuwandeln, ohne Kopf und Kragen zu riskieren (oder gar die Wiederwahl). Worauf warten wir noch?