Über Geld redet man?… doch!

Im auf Autos ausgerichteten Schweizer Verkehrssystem steckt viel Geld, das gescheiter für die Veloinfrastruktur, das Zu-Fuss-Gehen und den ÖV aufgewendet würde.

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Nicole Soland
29.01.2020

In einer Broschüre des Bundes zum Programm Agglomerationsverkehr ist nachzulesen, dass aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) jährlich 9 bis 12 Prozent der Mittel für den «gezielten Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen in den Agglomerationen» zur Verfügung stehen. 88 bis 91 Prozent des Geldes fliessen somit in die Autobahnen. In derselben Broschüre steht auch, wie die Gelder der Agglomerationsprogramme der ersten und zweiten Generation verteilt wurden: Nimmt man alle grossen und kleinen Agglomerationen zusammen, dann kamen 48 Prozent der Gelder dem öffentlichen Verkehr zugute, 29 Prozent dem motorisierten Individualverkehr, 15 Prozent dem Fuss- und Veloverkehr sowie 8 Prozent sogenannten «multimodalen Umsteigepunkten».

Auf der Website der Bundesverwaltung finden sich noch weitere interessante Zahlen: Der motorisierte Strassenverkehr verursachte 2016 Gesamtkosten in der Höhe von 72,3 Milliarden Franken. 68 Prozent davon entfallen auf den privaten Personenverkehr, 5 Prozent auf den öffentlichen Personenverkehr, 26 Prozent auf den Güterverkehr. 85 Prozent der Kosten hätten «die Verkehrsnutzenden» selbst übernommen: «Dennoch mussten 8,9 Milliarden Franken an Unfall-, Umwelt- und Gesundheitskosten von der Allgemeinheit getragen werden.» Die Kosten des Langsamverkehrs zu Fuss und mit dem Velo könnten nur geschätzt werden: «Gemäss den verfügbaren Daten beliefen sich die Gesamtkosten des Fussverkehrs 2015 auf rund 4,7 Milliarden Franken und jene des Veloverkehrs auf 5,7 Milliarden. Das Gros der Kosten fiel infolge von Unfällen an.»

Wäre die Veloinfrastruktur besser und damit das Velofahren sicherer, wäre das Radeln also noch günstiger. Und was wäre, wenn Privatautos in der Garage blieben, der ÖV ausgebaut, der grösste Teil der 26 Prozent Güterverkehr auf die Schiene verlagert würde und haufenweise Velos, E-Bikes und Cargobikes die Gemeinde- und Kantonsstrassen eroberten? Damit würde auf einen Schlag deutlich weniger CO2 in die Atmospäre gelangen – und obendrein hätten wir viele Milliarden Franken für sozialverträgliche energetische Sanierungen oder für Produktion und Speicherung erneuerbarer Energie zur Verfügung.

Über Geld redet man nicht, man hat es, besagt der schweizerischste aller Witze. Vielleicht liegt hier der Hund begraben: In unserem autozentrierten Verkehrssystem steckt zu viel Geld. Wer dieses Geld in ein anderes Kässeli umleiten möchte, muss erst einmal darüber reden, wie prall gefüllt es tatsächlich ist. Medienwirksam zu bedauern, das Geld reiche nun mal nicht für alles – sprich: nicht auch noch für eine tolle Veloinfrastruktur –, ist nur noch heuchlerisch. Das Geld ist da. Wir müssen es bloss endlich vernünftiger verteilen.