Mit den Schnellen quer durch die Schweiz

Kann man mit dem E-Bike und einer Akkuladung die Schweiz durchqueren? Die Velojournal-Testcrew startet mit den grössten der grossen Akkus am Bodensee. Wer erreicht wohl den Genfersee?

Aline Künzler

Aline Kuenzler, Autorin (aline.kuenzler@velogisch.ch)
E-Bike, Test, 15.05.2025

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Die Landesdurchquerung ist ein zeitloser Klassiker. Ultrarennen und Fernradwanderwege führen von einer Grenze zur nächsten und versprechen, dass man im Sattel ein einzigartiges Bild des Landes erhält. Solche Langdistanzfahrten bedingen allerdings überdurchschnittliche körperliche Fitness und extreme Ausdauer.

Oder reicht auch ein richtig grosser Akku? Die Akkukapazitäten von schnellen E-Bikes sind in den letzten Jahren vervielfacht worden. Glaubt man der Werbung, hat jedes den Grössten. Hersteller versprechen Reichweiten von bis zu 300 Kilometer. Dies sollte rein rechnerisch für eine Durchquerung der Schweiz per E-Bike reichen.

Damit gibt sich Velojournal aber nicht zufrieden und startet am Bodensee zum Praxistest. Bis zum Genfersee sind es gemäss Routenplanung 304 Kilometer und 2280 Höhenmeter. Im Morgengrauen des Rorschacher Hafens ist die Testcrew mit frisch geladenen Akkus optimistisch, das letzte Akkuprozent und jeden möglichen Kilometer aus den E-Bikes zu drücken.

Sitzleder ist gefragt

Auch wenn der Superlativ die Entwicklung der schnellen E-Bikes dominiert, kann nicht jedes «den Grössten» haben. Die Landesdurchquerung wird aber mit drei besonders grossen Akkus gestartet: Der Twinner «T1 Pro» aus dem Hause Thömus verfügt über einen 1638-Wh-Akku, schick im Carbonrahmen versteckt.

Beeindruckende 2135 Wh bringt das «Model S-LR» von Opium samt Range-Extender mit auf das lange Abenteuer. Dies wird nur noch übertroffen von den 2700 Wh Akkukapazität, die sich im Rahmendreieck des Speedped «S» versteckt.

Einem Langstreckenrekord scheint nichts im Wege zu stehen, schliesslich verfügt jedes der Modelle über das Vielfache der Akkukapazität eines durchschnittlichen Elektrovelos. Damit gehören diese drei schnellen Modelle aber auch zu den Schwergewichten unter den E-Bikes. Sogar der vergleichsweise leichte Stahlrahmen des Speedped bringt 35,1 kg auf die Waage. Der Twinner wiegt wie getestet gar satte 42,8 kg, das Opium mit Alurahmen 42,6 kg.

Diese Masse bleibt während der Fahrt nicht unbemerkt. Die schweren Gefährte in wenig sportlicher Sitzposition mit Muskelkraft zu bewegen, bedingt einen erheblichen Aufwand. 

Um eine grosse Reichweite zu erhalten, wird in niedrigen Unterstützungsstufen gefahren. Trotzdem leistet die Testcrew gemäss den montierten Powermeter-Pedalen wenig «Wädliarbeit»: Um eine Geschwindigkeit von 30 km/h in flachem Terrain zu halten, drückt der Twinner-Fahrer immerhin 103 Watt im Tour-Modus. Das Opium in Automatikunterstützung verlangt im Schnitt für dieselbe Geschwindigkeit gerade einmal 70 Watt von seinem Lenker.

Die Speedped-Fah­rerin scheint am sparsamsten unterwegs zu sein und fährt mit durchschnittlichen 64 Watt Eigenleistung ebenfalls 30 km/h schnell. Um mit diesen E-Bikes richtig weit zu fahren, braucht es eindeutig mehr Sitzleder als körperliche Fitness. 

Die Akkuprozente schmelzen in der Steigung

Nach den ersten 50 Kilometern ist klar, dass es tatsächlich ein langer Testtag werden wird. Am malerischen Bichelsee in der Nähe von Wil hat das Speedped gerade mal 20 Prozent des Stromspeichers genutzt, das Opium 24. Einzig der Twinner mit noch 55 Prozent Restakku verzeichnet bereits einen nennenswerten Verbrauch. Ein Dutzend Kilometer weiter, an der Steigung des Tages, schmelzen die Akkustände aber ordentlich dahin.

Die Kyburg mit ihren knapp 200 Höhenmetern ab Winterthur Sennhof belohnt die Testcrew zwar mit schöner Aussicht, fordert aber rund 5 Akkuprozent für nur 2 Kilometer Distanz. Die Herstellerangaben von mehreren hundert Kilometern Reichweite können in hügeligem Gelände entsprechend nicht erreicht werden. 

Weiter strapaziert mit steilen Höhenmetern werden die Akkus allerdings nicht, ab Baden an der Limmat wird das Gelände vorerst flach. Dort ist allerdings Schluss für den Twinner. Nach 107 Kilometern ist auch das letzte Akkuprozent aufgebraucht, was einem Durchschnittsverbrauch von 15,3 Wh/km entspricht. Auch wenn in Baden der erste Akku leer ist, bedeutet bereits dieser «Grand Fondo» eine solide Leistung für jedes E-Bike. Um in den 3:45 Stunden Reisezeit von Romanshorn bis nach Baden zu gelangen, müsste ohne elektrische Unterstützung ganz ordentlich pedaliert werden.

Schnell wie die Tour de France

Dezimiert, aber nicht weniger motiviert preschen Opium und Speedped mit 41 respektive 58 Akkuprozent erst der Limmat, später der Aare entlang. Flache, kurvenlose Strecken im Mittelland reizen, die Maximalleistung der schnellen E-Bikes auszutesten. Mit 45 km/h fliegt die Testcrew der Nachmittagssonne entgegen, ähnlich schnell wie das Peloton der Tour de France.

Die erhöhte Geschwindigkeit erfordert zwar eine höhere Unterstützungsstufe, scheint den Stromverbrauch im Vergleich zum hügeligen Zürcher Weinland aber nicht zu steigern. 14 Wh/km benötigt das Opium für die lange Fahrt. Diese endet am späten Nachmittag nach 150 Kilometern bei Olten. Die letzten Kilometer dieser beeindruckenden Fahrt erwiesen sich entgegen der anfänglichen Erwartung als besonders anstrengend für den Testfahrer. Fast 140 Watt musste er auf den letzten Dutzend Kilometern leisten, das Doppelte seiner Durchschnittsleistung.

Derselbe Effekt zeigt sich fast 100 Kilometer später auch beim Speedped. Ab Biel wird es richtig streng, mit dem E-Bike das angepeilte Durchschnittstempo von 30 km/h zu halten. Gemäss Hersteller ist dieser Effekt bekannt und liegt an der abnehmenden Spannung in den Akkuzellen. Am Ufer des Murtensees wird die einsame Testfahrerin trotz markant erhöhter Eigenleistung von Rennvelofahrern überholt.

Im letzten Abendlicht muss die Testfahrt trotz 200 verbleibenden Wattstunden im Speedped-Akku daher für beendet erklärt werden. Nach 7:43 Stunden Fahrzeit und einer Gesamtstrecke von 241 Kilometern ist dies eine beeindruckende Leistung des Schweizer
E-Bikes. Rekordverdächtig ist dabei insbesondere der sparsame Stromverbrauch von nur 10,4 Wh/km.

Fazit

Die Landesdurchquerung wurde nicht ganz geschafft. Dennoch kann die unter E-Bikern verbreitete «Reichweiten-Angst» mit jedem der Testmodelle getrost begraben werden. Nicht die Akkukapazität, sondern viel eher Sitzleder und Konzentrationsvermögen sind limitierend für eine derart lange, schnelle Fahrt.

Ausdauer braucht eine Langstreckenfahrt demnach auch mit Motor. Weniger sportlichen Naturen steht mit diesen Schwergewichten unter den E-Bikes aber nichts mehr im Weg, wenn es darum geht sich an eine Ultrafahrt zu wagen. 

Alines persönliche Erfahrung

 

«Nicht ganz ohne» stellte ich mir im Vorfeld die Fahrt mit dem Speedped vor. Das Swiss-Made-Elektrovelo ist ein Zweirad der Sonderklasse mit einzigartigem Antriebssystem. So fungiert der linke Bremshebel auch als Kupplungshebel. Für jeden Schaltvorgang muss ich ihn betätigen, da die Motorleistung unabhängig von meiner Eigenleistung reguliert wird. Die Kraft des Speedped reguliere ich über das «Potenziometer», einen kleinen Drehknopf am Lenker. Diese Einstellmöglichkeit hat es in sich: Drehe ich den Knopf nur einige Grad weiter, werde ich vom Speedped-Motor nach der ersten Pedalumdrehung regelrecht in die Strasse katapultiert. Nichts für Anfänger.

Ich bin mir also bewusst, dass ich ein ganz eigenes, hochpotentes Fahrzeug lenke, und wage mich vorsichtig an dessen Geschwindigkeit heran. Nach einer ersten Testfahrt haben wir uns aber aneinander gewöhnt, und ich bin mir sicher, die 300 Kilometer zu schaffen. Schliesslich bin ich mit der grössten Akkukapazität im Test unterwegs. Das gesamte Rahmendreieck wurde in der Emmentaler Manufaktur mit Akkuzellen gefüllt, welche mir 2700 Wh zur Verfügung stellen. Weitere 1000 Wh könnte ich aus der Extender-Box auf dem Gepäckträger anschliessen. Bald ist klar, dass ich diese zusätzliche Reichweite aber lasse, wo sie ist. Sonst könnte ich die ganze Nacht einsam weiterpedalieren und würde wohl bis nach Frankreich fahren.

Technische Daten

Modell: Speedped «S»
Motor: Speedped 500 W
Akku: 2700 Wh
Schaltung: Rohloff-14-Gang-Getriebeschaltung
Bremssystem: Shimano-«Zee»-Scheibenbremsen
Preis: Fr. 11'040.–
Gewicht wie getestet: 35,1 kg
speedped.com

 

Petes persönliche Erfahrung

Schon im Vorfeld war mir klar, dass ich den «Maserati» unter den schnellen E-Flitzern auf Herz und Nieren testen wollte. Eine kurze Probefahrt mit dem Kraftprotz von Thörishaus nach Oberried hatte mich neugierig gemacht.

Nun also dieser Langstreckentest. Das Design erinnert mehr an ein futuristisches Moped als an ein herkömmliches E-Bike. Die Meinungen darüber gehen auseinander: Für die einen ist das ein weiterer Beweis für den Niedergang der klassischen Velokultur, andere loben den Twinner als das zurzeit konsequenteste E-Bike auf dem Markt.

Beim Losfahren besticht der übersichtliche Bordcomputer, mit dem ich Unterstützungsstufe, Verbrauch und weitere Angaben immer im Blickfeld habe. Ist einmal alles richtig eingestellt, fährt sich der Twinner trotz hohem Gewicht agil und komfortabel. Als Bio-Velofahrer schätze ich hier den Rückspiegel und die Bremslichtautomatik. Beim Zeichengeben macht sich das Gewicht bemerkbar, der Lenker muss gut gehalten werden. Das ist wohl auch der straffen Federung geschuldet (Maserati ahoi). Die ABS-Bremse zieht angenehm, eine unerwartete Vollbremsung lässt das Gefährt aber kurz ausbrechen. Als der Akku leer ist und ich in den Zug verladen muss, bin ich froh, dass die 43 Kilogramm nur über eine Schwelle getragen und nicht aufgehängt werden müssen. In der Stadt Zürich angekommen, merke ich die vielen Schwellen mit dem ungefederten Twinner. Ein andermal würde ich den Luftdruck anpassen. Alles in allem ein sehr komfortables Bike, die limitierenden 100 Kilomter sind für die meisten Personen wohl kein Problem.

Technische Daten 

Modell: Twinner «T1 Pro»
Motor: GKN TFM 1400 (Transverse-Flux-Motor) 70 Nm
Akku: 1638 Wh
Schaltung: Pinion «C1.9i», elektrische 9-Gang-Getriebeschaltung 
Bremssystem: TRP-4-Kolben-Scheibenbremsen mit Bluebrake ABS
Preis: ab Fr. 12 750.–
Gewicht wie getestet: 42,8 kg
twinner.ch

Marius' persönliche Erfahrung

Grosser Akku mit Huckepack-Zusatzakku obendrauf, breite Reifen, Federgabel, breiter Lenker: Ich traue dem Opium zu, das einzuhalten, was es verspricht, und sehe mich schon beim Abendbier am Lac Léman. Das Fahrzeug ist ein reinrassiges Speed-Pedelec. Mit Velo hat das nicht mehr viel zu tun: Es ist schwer und behäbig, eine Maschine. Ohne Motorunterstützung – ich werde es am Nachmittag merken – lässt es sich kaum bewegen.

Mit Motorunterstützung stellt sich die Sache aber ganz anders dar. Der Antrieb reagiert fein, entfaltet bei Bedarf volle Power, ist aber nie ungestüm. Auch bei den 45 km/h, die in der Ebene gut zu erreichen sind, liegt die Maschine ruhig auf der Strasse und fährt sich sicher. Gefallen hat auch die Pinion-Tretlagerschaltung: Die Gänge schalten schnell und präzise und bieten eine grosse Bandbreite.

Ich wähle bei der Motorunterstützung den Automatikmodus. Hier wechselt das System selbstständig zwischen den Unterstützungs-Modi. Auf der Fahrt im Gruppetto funktioniert das ganz gut, und ich kann die Geschwindigkeit mit ähnlich (wenig) Beineinsatz halten wie Aline auf ihrem Gefährt. Dass der Motor dafür einiges leisten muss und dementsprechend auch der Akku gefordert ist, merke ich kurz nach Olten. Erst muss ich deutlich mehr treten, um die Geschwindigkeit zu halten. Etwas später ist dann
das Display schwarz. Das Ende kommt nach über 150 lockeren Kilometern und einer hohen Reise­geschwindigkeit. Das ist beeindruckend, auch wenn es für das Bier am Lac Léman nicht reicht. Stattdessen gibt es im Bahnhofsbuffet Olten ein Rivella.

Technische Daten 

Modell: Opium «SLR»
Motor: TDCM 52 Nm
Akku: 2135 Wh
Schaltung: Pinion «C1.12», mechanische 12-Gang-Getriebeschaltung
Bremssystem: TRP-4-Kolben-Scheibenbremsen mit Bluebrake ABS
Preis: ab Fr. 10'490.–
Gewicht wie getestet: 42,6 kg
rideopium.com

Unterschiede beim Körpergewicht wurden durch zusätzliches Gewicht in den Sacochen ausgeglichen. Die Eigenleistung der Testpersonen wurde mit Powermeter-Pedalen ohne Klickschuhe ermittelt. Rekuperationsmöglichkeiten wurden nicht genutzt. Bei mässiger Eigenleistung wurde eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h angestrebt und die Unterstützungsstufe entsprechend angepasst. Die Testcrew ist zusammen gefahren, auf Windschatten wurde verzichtet.