gesetz nimmt Fahrt auf

Vor über einem Jahr sagte das Stimmvolk Ja zum «Bundesbeschluss Velo». Nun hat das Bundesamt für Strassen einen ersten Einblick gegeben, was im Gesetz stehen könnte. Ein nationales Velonetz wird nicht dabei sein.

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Christoph Merkli
Szene, 29.01.2020

Der Weg von der Bundesverfassung bis zu konkreten Taten ist weit. Ohne Ausführungsgesetz und Verordnung läuft gar nichts. Erst recht nicht, wenn – wie beim Veloartikel – letztlich gar nicht der Bund aktiv werden soll, sondern die Kantone und Gemeinden. Nach mehr als einem Jahr Funkstille regt sich etwas. Jürg Röthlisberger, Direktor des zuständigen Bundesamtes für Strassen (Astra), hat im vergangenen November zum runden Tisch geladen und über die geplanten Gesetzes­inhalte informiert.
Das Velogesetz lehnt sich an das Fuss- und Wanderweggesetz an. Dort ist geregelt, dass der Bund Planungsgrundsätze festlegen muss, dass aufgehobene Verbindungen ersetzt werden und die Kantone Fachstellen einrichten müssen. Diese Planungspflicht für Kantone wird zu reden geben, umso mehr, als der Bund Netze sowohl für den Alltags- als auch für den Freizeitverkehr will. Kopfzerbrechen dürfte die Forderung nach mehr Entflechtung von MIV-, Velo- und Fussverkehr bereiten – und dass die Velonetze «attraktiv und sicher» sein sollen.

Bescheidene Bundesmittel

Schon in der Botschaft zum Verfassungsartikel war klar geworden, dass der Bundesrat finanziell mit der kleinen Kelle ­anrichten möchte. Die Rede ist von zusätzlichen jährlichen Kosten von 1,1 Millionen Franken und zwei Mitarbeitenden. Diese Zahlen sehen angesichts des 2400 Millionen Franken schweren Astra-Bauprogramms 2019 und dessen 560 Angestellten wahrlich bescheiden aus. Doch das Astra baut selbst (praktisch) keine Velo­infrastruktur, jedenfalls kein nationales Velowegnetz. Und falls es doch selber baut – nämlich auf den 550 Kilometern Nationalstrassen dritter Kategorie und bei Autobahnanschlüssen –, dann verschwinden die Kosten im National­stras­senbudget. Weitere Millionen wird der Bund jährlich über den Agglomerationsfonds NAF für Velomassnahmen an Kantone und Städte ausschütten.
Während die erwähnten Gesetzesinhalte wenig Überraschung bieten, lassen weitere Ideen des Bundes aufhorchen. So will das Astra im Perimeter von Nationalstras­sen – dort also, wo es selber plant und baut – «vorbildliche» Fuss- und Veloin­fra­strukturen schaffen und dazu die entsprechenden rechtlichen Grundlagen und Normen anpassen. Weiter will es die Realisierung von Velobahnen entlang von Nationalstrassen prüfen und fördern. Zudem soll das in den autofokussierten 50er-Jahren entstandene Strassenverkehrsrecht velo­freundlicher gestaltet werden.

Schon jetzt viel Rückenwind

Noch wurde dem runden Tisch kein Einblick in den Gesetzestext gewährt, dieser muss zuerst vom Bundesrat zur Vernehmlassung freigegeben werden. Dies wurde von Röthlisberger für den Frühling 2020 in Aussicht gestellt. Erst dann wird sich die Öffentlichkeit im Detail mit den Vorschlägen befassen und dazu Stellung nehmen können. Noch im selben Jahr soll der Bundesrat die Botschaft ans Parlament verabschieden. Mit der Inkraftsetzung ist aber nicht vor 2022 zu rechnen.
Für diejenigen, denen das alles viel zu lange dauert, hielt Jürg Röthlisberger einen Trost bereit: Schon heute entfalte der Verfassungsartikel enorme Wirkung – spürbar etwa in den Agglomerationsprogrammen, in die immer mehr Velomassnahmen aufgenommen würden.