Pro Velo verschafft sich Gehör

Die Schweiz kennt verschiedene Formen der politischen Mitwirkung. Die Petition ist ein Mittel, um einer Forderung Gehör zu verschaffen – ein Werkzeug, das auch Pro Velo mit Erfolg einsetzt.

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Fabian Baumann (Text und Foto)
16.09.2020

In der Schweiz steht es jeder und jedem frei, Eingaben an Behörden zu richten. Petitionen können schriftlich oder online eingereicht werden. Die Bittschriften bringen keine rechtliche Verpflichtung mit sich. Ein Amt muss diese nur zur Kenntnis nehmen. Nutzlos sind Petitionen deswegen aber nicht. Die Praxis zeigt, dass Behörden – egal, ob auf Gemeinde-, Kantons- oder Bundesebene – in aller Regel auf Eingaben reagieren und diese beantworten. 

Veloförderung geniesse in der Munot-stadt keine Priorität, heisst es beim Vorstand von Pro Velo Schaffhausen. Seit dem Bau der Velostation vor 16 Jahren sei keine einzige von sieben im Agglomerationsprogramm vorgesehenen Fahrradfördermassnahmen umgesetzt worden. Dabei stamme das Programm bereits aus dem Jahr 2007.

«Nicht einmal für pragmatische und kostengünstige Vorschläge wie die Öffnung von Einbahnstrassen hat die Stadt ein offenes Ohr», kritisiert die Geschäftsführerin Daniela Furter. Darum habe man im Mai beschlossen, die Sache selber in die Hand zu nehmen. Und zwar mit einer Petition. Die Stadt soll endlich Einbahnstrassen in Gegenrichtung für Velofahrende öffnen.

Mit der Petition fordere man, was seit vier Jahren in der Schweiz der Normalfall sei, fährt Furter fort. 2016 wurde eine Änderung der Signalisationsverordnung in Kraft gesetzt. Seither sind Städte und Gemeinden aufgefordert, das Befahren von Einbahnstrassen mit Velos in Gegenrichtung zu erlauben, sofern die Sicherheit gewährleistet – sprich: der Platz auf der Strasse ausreichend – ist.

«In Schaffhausen wurden seit der Gesetzesänderung nur spärlich Einbahnstrassen für den Veloverkehr im Gegenverkehr geöffnet», weiss Furter zu berichten. Das Resultat: Weil gute Alternativrouten fehlten, radelten viele Personen trotzdem in Gegenrichtung durch Einbahnstrassen.

Ende Juni übergab Furters Verband die Petition dem Stadtrat. Insgesamt 651 Personen unterstützten das Anliegen. «Für Schaffhausen ist das nicht schlecht», meint die Geschäftsführerin dazu und verweist auf den Umstand, dass bis Anfang Juni gar keine Unterschriften auf der Strasse hätten gesammelt werden dürfen.

Petition zeigt Wirkung

Der Stadtrat reagierte bereits wenige Tage nach Bekanntgabe der Petition. Zwei Stadträte, Vertreter der Polizei, der Langsamverkehrsbeauftragte sowie der Projektleiter des Tiefbauamts besichtigten noch vor der offiziellen Übergabe zusammen mit Pro Velo verschiedene Einbahnstrassen. «Dabei wurde uns versichert, dass die meisten Einbahnstrassen geöffnet werden könnten», freut sich Daniela Furter.

In der Zwischenzeit habe der Wind allerdings etwas gedreht. Die Lokalzeitung druckte Leserbriefe, die Kritik an der Öffnung von Einbahnstrassen üben. «Einige Fussgänger, aber vor allem Vertreter der Autolobby haben Angst, dass wir ihnen etwas wegnehmen», erzählt sie mit einem Augenzwinkern.

Sie sei nun gespannt, wie sich das Vorhaben entwickle. Der Stadtrat habe bis Ende Jahr Zeit, um offiziell auf die Petition zu antworten. Einen positiven Aspekt hatte das Stimmensammeln für die SchaffhauserInnen aber bereits, fährt Furter fort. «Wir haben dank der Petition 22 Neumitglieder gewonnen. Es lohnt sich also auch auf dieser Ebene.»

Aus dem Thurgau in die Schweiz

«Abstand ist Anstand» nahm den Ursprung im Thurgau. Die lokale Pro-Velo-Sektion brachte ihr Anliegen aufs nationale Parkett. So verabschiedeten die Delegierten von Pro Velo Schweiz Ende April 2019 eine Resolution, welche die Forderung eines gesetzlichen Mindestabstands für das Überholen von Radfahrenden aufnahm. Seither werden im Internet und von verschiedenen regionalen Pro-Velo-Verbänden Unterschriften gesammelt.

Der aktuelle Stand belaufe sich auf etwas mehr als 9000, sagt Vera Zahner, die als Präsidentin des Thurgauer Regionalverbands federführend hinter der Aktion steht. Ziel sei es, die Petitionsbogen im Herbst dem Bundesrat zu über­geben.

In der Herbstsession soll zeitgleich eine Motion von FDP-Nationalrat Rocco Cattaneo behandelt werden. Der Tessiner fordert den Bundesrat auf, einen seitlichen Abstand für das Überholen von Velofahrenden festzulegen.

Christoph Merkli, Leiter Infrastruktur und Politik bei Pro Velo Schweiz, sagt dazu: «Gekoppelt mit der Motion erhält das Anliegen mehr Aufmerksamkeit in den Medien und wohl auch im Parlament.» Bis dahin ist ein Schlussspurt angesagt. Interessierte können die Petition nach wie vor online unterstützen. Auf der Website sind auch Unterschriftenbogen als Download erhältlich.

www.1m50.ch