Pro & Kontra: Absenkbare Sattelstütze an Alltags-E-Bikes

An Mountainbikes gehört die verstellbare Sattelstütze zum Standard. Im Alltag wird sie immer öfter verbaut. Jérémie Zeller begrüsst diese Entwicklung, für Patrik Widmer sind Stützen abseits von Trails fehl am Platz.

Aline Künzler

Aline Kuenzler, Autorin (aline.kuenzler@velogisch.ch)
15.05.2025

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Pro Dropper-Post

Nicht nur an seinen Mountainbikes, sondern auch am Alltags-Elektrovelo benutzt Jérémie Zeller eine Variostütze. Der gelernte Velomechaniker arbeitet als Kundenberater bei Intercycle. Seit den Anfängen der absenkbaren Sattelstützen vor fast zwanzig Jahren befasst er sich mit diesem Bauteil. Unzählige hat er selbst ausprobiert und erachtet die Variostütze unterdessen als alltagstauglich. Die Bedienung sei einfach und die Technik langlebig geworden. Während er seine Velos selbst nachgerüstet hat, kommen heute viele E-Bikes für den urbanen Einsatz bereits ab Werk mit einer absenkbaren Sattelstütze in den Handel. Dies freut Zeller, sieht er doch die Variostütze als fast schon sicherheitsrelevante Ausstattung des Einsteiger-Elektrovelos. Beim Stillstand an der Ampel könne die Sattelhöhe bequem verringert werden, sodass beide Füssen sicheren Stand auf dem Boden fänden. Dies erleichtere Neulingen das Manövrieren mit dem schweren Gefährt.

«Wer erst mal mit der Variostütze unterwegs war, gibt sie nicht mehr her.»

«Wer erst mal mit der Variostütze unterwegs war, gibt sie nicht mehr her», sagt der Fachmann. Das Zusatzgewicht von rund 300 Gramm im Vergleich zu einer herkömmlichen Sattel­stütze findet er insbesondere an E-Bikes vernachlässigbar. Der Sicherheits- und Komfortgewinn wiege zusätzliche Kosten und Gewicht allemal auf. Günstige Vario­stützen, die mit einem Hebel unter dem Sattel bedient werden, gebe es bereits ab 120 Franken. Zeller empfiehlt aber eine Bedienung vom Lenker aus, sodass die Hände nicht vom Griff gelöst werden müssen. Diese etwas teureren Stützen funktionieren teilweise bereits kabellos. Klar, in diesem Fall müsse der Akku der Variostütze geladen werden.

Das sei aber beim E-Bike, das sowieso zur Steckdose müsse, kein Zusatzaufwand, meint Zeller. An seinem Pendlerbike, einem S-Pedelec, benutzt er eine solche Stütze. So kann er die Sattelhöhe einfach verstellen und das Velo mit seiner Frau teilen. Auch wenn die Rahmengrösse nicht für beide optimal passe, sei dies ein äusserst praktikabler Weg für ihre Alltags­mobilität. Mithilfe der elektrischen Unterstützung kann das Paar auch ohne perfekte Einstellung unkompliziert vorankommen, ohne ein zweites E-Bike anschaffen zu müssen.

 

Kontra absenkbare Sattelstütze

ie optimale Sitzposition ist für Patrik Widmer «matchentscheidend für optimale Kraftübertragung» und langfristige Freude am Velo. Er baut seit 17 Jahren Massrahmen in seiner Werkstatt 47°N in Biel. Für Widmer gibt es nicht mehrere, sondern nur die eine, exakt passende Satteleinstellung. Mit entspannt gestrecktem Bein soll der Schuhabsatz auf dem Pedal in dessen unterster Position liegen. Mit dieser ergonomisch korrekten Einstellung im Sattel sitzend, kann nicht mit beiden Beinen abgestanden werden. Ein Bedürfnis, das auch Widmer von Neulingen auf dem (E-)Bike kennt.

Der Rahmenbauer sieht bei diesem Kundenwunsch viel eher aber die Höhe des Tretlagers als variable Grösse, nicht die Sattelhöhe ab Pedalachse. In seiner Werkstatt passt er Rahmen von Alltagsvelos entsprechend an und verbaut keine Variostützen. Diese gehören für ihn eindeutig auf den Mountainbike-Trail. «Im urbanen Alltag tut es ein altbewährter Schnellspanner an der Sattelklemme allemal.» Dieses Bauteil kann helfen, wenn ein Velo – entgegen seiner Empfehlung – zwischen mehreren Personen geteilt werden soll. In diesem Fall empfiehlt er aber auch den Einsatz eines verstellbaren Vorbaus.   

«Variostützen gehören eindeutig auf den Mountainbike-Trail.»

Erst wenn das E-Bike die Lenkerin und deren Körperproportionen automatisch erkennen und sich auch die Variostütze ohne menschliches Zutun einstellen würde, findet er diese Technik vertretbar. Denn «für eine manuelle Einstellung von Lenker und Sattelhöhe muss man sich Zeit nehmen, damit keine langfristigen Schäden entstehen», erklärt Widmer. So gibt er sich in seinem Werkstattalltag Mühe, die Sattelhöhe seiner Kunden unangetastet zu lassen. «Wenige Millimeter Differenz können zu Wutausbrüchen führen», erzählt er aus Erfahrung. Während der Fahrt die Sattelhöhe mithilfe einer Variostütze zu verändern, erachtet er daher als gewagt. D

en Sattel nach einer Absenkung an der Ampel wieder in die exakte Ursprungs­position unterhalb des Anschlages zu bringen, sei fahrend kaum möglich. Als Folge dieser technischen Überforderung  meint Widmer vermehrt eine «Härdöpfelsack-Haltung» bei E-Bikern mit zu tiefer Satteleinstellung zu beobachten. In diesem Fall wird mit zu spitzem Kniewinkel pedaliert, was nicht nur ineffizient ist, sondern auch Schmerzen verursachen kann. Widmer empfiehlt daher, der Sattelhöhe die nötige Aufmerksamkeit zu schenken und sich nicht von kurzfristigem Komfort blenden zu lassen.