Polizei-Verdreher

Auch wenn Velo- oder Mofafahrende korrekt fuhren – die Polizei tut oft so, als wären sie schuld an Unfällen. Warum nur?

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Marco Diener
News, 02.02.2023

Liebefeld: «Kollision mit Auto – Mofalenker schwer verletzt.» Wer den Titel zur Medienmitteilung liest, welche die Kantonspolizei Bern am 6. Dezember verfasst hat, kommt unweigerlich zum Schluss: Der Mofalenker ist ins Auto geprallt. Er ist schuld.

Dabei war es genau umgekehrt. Der Mofalenker fuhr wie vorgeschrieben auf dem Radstreifen. Ein entgegenkommendes Auto bog links ab und fuhr ihn über den Haufen.

Die Zuger Polizei berichtete am 13. Oktober unter dem Titel «Risch Rotkreuz: Velofahrer bei Kollision mit Auto verletzt» über einen Unfall. Der Titel ist seltsam offen formuliert.

Dabei wusste die Polizei schon damals, was passiert war. Denn sie schrieb beiläufig: Der Velofahrer «befand sich bereits im Kreisel. Gleichzeitig bog der Autolenker in den Kreisel ein, wobei es zum Zusammenprall kam.» Der Velofahrer war also vortrittsberechtigt. Der Autofahrer missachtete den Vortritt.

Von hinten

Die Aargauer Regionalpolizei Oberes Fricktal schrieb am 13. Oktober unter dem Titel «Oberhof: Velofahrer bei Kollision mit Auto tödlich verletzt» über einen Unfall.

Es klang so, als wäre der Velofahrer ins Auto geprallt. Doch schon im ersten Satz wurde klar, dass es genau umgekehrt war: «Am Montagmittag kollidierte in Oberhof ein Auto mit einem Velo.» Schlimmer noch: Der Auto- und der Velofahrer waren in der gleichen Richtung unterwegs.

Der Autofahrer rammte den Velofahrer von hinten. Der Velofahrer kam ums Leben. Doch das Mitgefühl der Polizei galt mindestens ebenso sehr dem Autofahrer. Die Polizei schrieb: «Der Autolenker blieb unverletzt.» Und: «Der Automobilist kam mit dem Schrecken davon.»

Viele Medien übernehmen die Polizeimeldungen sinngemäss. Zum Beispiel nau.ch: «Oberhof AG: Velofahrer stirbt bei Kollision mit Auto.» Und Argovia Today verbreitete das Mitgefühl der Polizei weiter: «Der Autofahrer kam mit dem Schrecken davon» – eine völlig unpassende Formulierung angesichts des Leids, das die Person hinter dem Steuer verursacht hat.

Übersehen

Die Schaffhauser Polizei meldete am 21. September: «Stadt Schaffhausen: Velofahrer bei Kollision mit Auto verletzt.» Doch beim Weiterlesen stellt sich rasch heraus: Der Autofahrer «übersah einen abwärts fahrenden Velofahrer, worauf es zur Frontalkollision zwischen den beiden Fahrzeugen kam».

Die Formulierung «worauf es zur Frontalkollision kam» klingt eher nach einem dummen Zufall als nach einem groben Fehler des Autofahrers.

Dass es auch anders geht, beweist die Kantonspolizei Aargau. Sie berichtete am 22. November über zwei Unfälle aufs Mal. Im einen Fall war ein Auto, das aus einer Seitenstrasse eingemündet war, in eine Velofahrerin geprallt.

Im anderen Fall war ein Auto, das in einen Kreisel hineinfuhr, mit einem Velofahrer zusammengeprallt. Der Titel lautete korrekt: «Buchs/Brugg: Mit Velos kollidiert.»

Die Polizei täte also gut daran, die Titel ein bisschen sorgfältiger zu setzen. Sonst entsteht bei flüchtigen Lesern der Eindruck, ständig würden Velofahrer in Autos krachen – auch wenn es umgekehrt ist.

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Die Polizei nimmt Stellung

Die Kantonspolizei Bern nimmt zum Bericht wie folgt Stellung: «Es ist normal, dass Titel und Lead von Medienmitteilungen nicht sämtliche Informationen enthalten. Im Text sind dann allenfalls weitere Details ausgeführt.»

Die Zuger Polizei schreibt: Der Titel «Velofahrer bei Kollision mit Auto verletzt» gebe «ausschliesslich die Fakten aus Sicht des Opfers wieder — dass nämlich ein Velofahrer bei einem Unfall mit einem Auto verletzt worden» sei.

Die Aargauer Regionalpolizei Oberes Fricktal beantwortete die Fragen nicht. Die Schaffhauser Polizei findet, dass «aufgrund des Titels keine Schuldzuweisung» erfolge.

Dieser Beitrag erschien zurest auf infosperber.ch