Leben statt Autos

Am PARK(ing) Day werden Autoabstellplätze für einen Tag umgewandelt. Wo sonst lebloses Blech steht, treffen sich Menschen. Dieses Jahr war auch Pro Velo mit verschiedenen Aktionen präsent.

Fabian Baumann, Redaktor (fabian.baumann@velojournal.ch)
18.11.2021

Die Idee ist simpel und bestechend zugleich: Man nehme ein Parkfeld und nutze es für einen Tag um. Anstatt dass die gut 13 Quadratmeter Fläche mit toter Materie besetzt werden, wird dem Parkplatz Leben eingehaucht. Etwa mithilfe eines Rasenteppichs und Liegestühlen entsteht auf einem ordinären Stück Asphalt ein öffentlich zugänglicher Raum.

Der erste sogenannte PARK(ing) Day fand 2005 in San Francisco statt. Seit vielen Jahren wird die Veranstaltung unter der Federführung von umverkehR auch in der Schweiz durchgeführt. So auch am vergangenen 17. September. In 26 Orten wurden insgesamt mehr als 70 Aktionen durchgeführt. Mit dabei waren auch verschiedene Regionalverbände von Pro Velo.

In Schaffhausen beteiligt sich die Velolobby bereits seit vier Jahren am PARK(ing) Day. «Mit anderen Organisationen planen wir jeweils den Tag und besetzen gleich einen ganzen Platz oder eine komplette Strasse – mit Bewilligung», sagt Daniela Furter, Geschäftsführerin von Pro Velo Schaffhausen.

«Es hat mittlerweile so viele Parkplätze wie noch nie.»

Daniela Furter, Pro Velo  Schauffhausen

Nach dem Grund für ihr Engagement gefragt, erklärt sie, dass die Parkplatzfrage in Schaffhausen äusserst aktuell sei. Die Stadt habe vor mehr als zwei Jahrzehnten beschlossen, oberirdische Parkfelder im Zentrum aufzuheben und an die Peripherie zu verschieben. «Nachdem der erste Teil durch den Bau mehrerer Parkhäuser erfolgt war, passierte seither gar nichts mehr. Es hat mittlerweile so viele Parkplätze wie noch nie», hält Furter fest. Dabei brauchte es dringend mehr Raum für neue Velowege und Abstellplätze. Pro Velo sei unzufrieden und wolle mit der Aktion zeigen, dass es mehr Platz für Fahrräder braucht und dass Parkplätze sinnvoller genutzt werden könnten.

Vom Verkehr befreit

Dieses Jahr habe man zusammen mit den Anwohnerinnen und Anwohnern gleich die ganze Neustadt «vom Verkehr befreit», erzählt Daniela Furter. Neben Pro Velo seien auch weitere Umweltverbände, verschiedene Parteien, der lokale Velokurier oder eine Gemüsekooperative mit dabei gewesen. Auf dem «eigenen» Parkplatz habe Pro Velo eine Fahrradmechanikerin angestellt, die kostenlos Velos reparierte und kleine Pannen behob.

Die Lobbyorganisation nutzte den Tag aber auch für die eigene politische Arbeit. So habe man Unterschriften für eine Tempo-30-Petition gesammelt und auf die Abstimmung zum Duraduct-Planungskredit aufmerksam gemacht. «Die Fussgänger- und Velobrücke, die die beiden Quartiere Geissberg und Breite über das Mühlental hätte verbinden sollen, wurde Ende September an der Urne leider abgelehnt», stellt Furter mit Bedauern fest.

«Das Velo hätte viel mehr Platz, wären unsere Städte nicht voll mit stehenden und fahrenden Autos.»

Rebecca Müller, Pro Velo Bern

Auch wenn sie persönlich manchmal Zweifel hege, ob der PARK(ing) Day bei der Stadtverwaltung etwas bewirke, wolle ihr Verband im kommenden Jahr sicher wieder mitmachen. Es sei ein farbenfrohes Fest mit guter Musik, Essen und interessierten Besucherinnen und Besuchern. «Das stärkt die Gemeinschaft der Menschen, die sich miteinander für eine lebenswerte Stadt einsetzen», so ihr Resümee.

Perspektivenwechsel in Bern

Ganz ähnlich tönt es aus der Hauptstadt. Auch Rebecca Müller von Pro Velo Kanton Bern empfand das Engagement am PARK(ing) Day als positiv. Ihr Verband habe mit Spezialvelos zwei Parkplätze umfunktioniert. «Viele Passantinnen pedalten im Rahmen der Aktion ‹Love is on the road› los und tauchten virtuell ins Leben der anderen ein – die Velofans mit dem Auto, die autofahrenden Personen mit dem Velo», sagt Müller.

Währenddessen vergnügten sich die Kinder auf dem Velo, das Seifenblasen produzierte. Die Geschäftsleiterin der kantonalen Pro Velo sieht im Aktionstag eine gute Möglichkeit, um als Verband sichtbar zu sein und in Kontakt mit den Menschen zu kommen. «Und mit ihnen unsere Freude am Velo zu teilen. Am Velo, das viel mehr Platz hätte, wären unsere Städte nicht voll mit stehenden und fahrenden Autos», so bringt Rebecca Müller den zentralen Aspekt des PARK(ing) Day auf den Punkt.