Pete Mijnssen,
Chefredaktor
(pete.mijnssen@velojournal.ch)
20.03.2025
Die Gebrüder Freitag waren die Velokuriertaschen-Pioniere. Seit Kurzem entwickeln Daniel und Markus Freitag eigene Velos. Was sie dazu gebracht habe, wollte Velojournal von den beiden Tüftlern wissen.
Pete Mijnssen,
Chefredaktor
(pete.mijnssen@velojournal.ch)
20.03.2025
Rückblick in die Kinder- und Jugendjahre der Freitag-Brüder. (Fotos: Mirjam Graf)
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Daniel Freitag (DF): Ausschlaggebend war damals sicher die Diskussion um den Ersatz des Familienautos. Als es um ein neues Auto ging, fragte unser Vater im Familienrat nach den Wünschen.
Markus Freitag (MF): Ich war damals schon Mitglied von Greenpeace, und da Mitte der Achtzigerjahre das Thema Waldsterben grad sehr aktuell war, stand für uns der Kauf eines neuen Autos nicht zur Debatte.
DF: Als Alternative schlugen wir den Kauf eines Familien-GA vor. Damit kam auch das Velo ins Spiel – etwa, um nach dem Ausgang, wenn der letzte Zug schon gefahren war, noch nach Hause zu kommen.
MF: Das GA habe ich noch immer, Autofahren habe ich gar nie gelernt.
DF: Da unterscheiden wir uns, mit 30 Jahren habe ich die Autoprüfung dann doch noch gemacht.
MF: Genau. Und die Alteisensammlung damals in Meilen, wo wir aufwuchsen. Einmal pro Monat wurde «Schrott» an der Strasse zum Einsammeln deponiert. Daniel und ich sind dann vor der Schule mit dem Veloanhänger durchs Dorf gefahren und haben alte Velos eingesammelt und zu Hause im elterlichen Geräteschuppen eingelagert. Ich erinnere mich, wie ich alte Velos auseinandergeschraubt und aus den Einzelteilen neue zusammengebaut habe. Die Patentante und ihr Mann waren die Ersten, die ein solches kauften. Das war wohl eines der ersten Geschäftsmodelle, die ich entwickelt habe.
DF: Alles, was an einem Velo lottern konnte, schraubten wir ab. Danach sind wir mit dem Rad in den Wald zum «Crossen» gefahren.
MF: Einmal bauten wir eine Rampe am Seeufer, um mit den Velos in den See zu springen. Dafür haben wir die alten Räder mit grossen Styroporklötzen ausgerüstet, damit sie nicht sinken.
DF: Ich ging in Bubikon in die Grafikerlehre. Der Weg über den Hügel war cool mit dem Mountainbike. Wenn es aber schnell gehen musste, fuhr ich die Stecke mit dem Rennvelo.
MF: Wir hatten beide sowohl ein Rennvelo als auch ein Mountainbike. Ich habe damals mein erstes Erspartes in ein Verago-Rennrad investiert. Zu meiner Ausbildung als Dekorationsgestalter – heute Polydesign 3 D – in Zürich fuhr ich mit der S-Bahn, wobei am Bahnhof Letten dafür ein Bahnhofs-Stadtvelo stand. Die Kombination von Velo und ÖV fand ich schon immer gut.
MF: Ein Mitbewohner war damals Discjockey. Manchmal ging er nach New York auf die Suche nach neuer Musik. Von einer dieser Reisen kam er mit einer Kuriertasche zurück. Das war ein Aha-Erlebnis: Solche Taschen sind auf dem Velo praktisch! Denn wir suchten etwas, mit dem wir unsere grossformatigen Grafikentwürfe in der Stadt transportieren konnten. Und ich musste neben der Kunstgewerbeschule Geld verdienen, um mein WG-Zimmer zu finanzieren. Die Tasche war die zündende Idee.
MF: Aus der WG-Küche blickten wir damals direkt auf die Hardbrücke in Zürich, auf der sich in den Neunzigern der Lastwagenverkehr staute. Das inspirierte uns.
DF: Kuriertaschen begegneten mir während eines Aufenthalts in San Francisco. Markus schickte dann erste Prototypen dahin, mit der Idee, dass ich diese dort «echten» Velokurieren zum Testen gebe. Ich fand dann jemanden, der eine dieser Tasche intensiver nutzte. Den Look fand er sehr cool, aber die Funktionalität war noch nicht optimal. Die Tasche gibt es modifiziert noch heute.
MF: Zu Beginn waren die Umhänger mehr ein teures WG-Hobby. Irgendwann wurde es meinen Mitbewohnern aber zu bunt. Da wir die dreckigen Stücke in der Badewanne wuschen oder mit dem glühenden Messer neben dem Gasherd die Autogurte schnitten, stank das fürchterlich. Glücklicherweise fanden wir einen Atelierplatz im Maag-Areal.
MF: Nein, auch dort kamen wir zunächst nicht auf einen grünen Zweig und wollten aufhören. Die letzten zwei Paletten alter Lkw-Planen sollten noch verarbeitet werden. Einen Schneider um die Taschen zu nähen hatten wir bereits angestellt. Aus Verantwortung ihm gegenüber machten wir weiter.
DF: Im zweiten Jahr kam dann die erste grosse Krise – wir wollten aufgeben. Als Grafiker habe ich damals nicht viel von Kalkulation verstanden. Ich erinnere mich, im Grafikprogramm Quark Xpress die erste Kalkulation gemacht zu haben, um zu messen, wie lange es eigentlich dauert, eine Tasche herzustellen. Wir wussten nämlich gar nicht, ob wir etwas an einer Tasche verdienen ...
MF: Und auch von Handel oder von Markenschutz hatten wir keine Ahnung. Ein Jura studierender Freund beriet uns. Ein Patent anmelden konnten wir aus Kostengründen nicht. Er meinte aber, eine Tasche zusammen mit dem Namen würde es später erleichtern, auf das Recht unserer Entwicklung zu pochen. Und so bin ich dann mit einem Prototyp der Freitag-Tasche zum «Tages-Anzeiger- Magazin» gegangen. Da gab es damals die Rubrik «Das Ding». Dort wollte man mich natürlich zuerst loswerden. Irgendwie haben wir dann doch das Interesse der Redaktion geweckt, worauf die Frage kam, wo es die Tasche dann zu kaufen gebe. Die Antwort: «Bei uns an der Hohlstrasse im 4. Stock, aber erst nach 17 Uhr.» Fand die Verantwortliche aber nicht so gut. Da brauche es schon einen Laden, da ein Artikel im «Tagi-Magi» ja von sehr vielen Menschen gelesen werde. So fanden wir schliesslich mit dem No-Way-Skateshop das erste Geschäft, das unsere Taschen ins Sortiment nahm.
«Aus der WG-Küche blickten wir auf die Hardbrücke – das inspirierte uns.»
DF: Es gab mehrere Vorprojekte, etwa mit einer Veloflotte, um das Stadtvelo-Erfahren unseren Kunden zugänglich zu machen. Das waren Fixies oder Singlespeed-Velos von Gorilla, was im Nachhinein vielleicht nicht die idealen Räder waren für Personen, die nicht wirklich veloerfahren sind. Früh setzten wir auf Kunden-Cargobikes.
MF: Vor zwölf Jahren entwickelte ich zusammen mit einem Produktdesigner ein Gepäcksystem auf Basis kleiner Faltvelo-
räder. Die Frage war: Wie kommt das Gepäck vorne oder hinten effizient ans Velo? Das Projekt landete dann auf der langen Bank.
DF: Nicola Stäubli setzte dann 2018 einen Impuls und entwickelte zusammen mit einem Berner Rahmenbauer den Lastenvelo-Prototyp. Daraus wurde eine 50-Prozent-Stelle. Das Projekt war aber schwer zu realisieren, wegen der vielen Spezialteile. In der Corona-Zeit musste das Projekt dann weiter ruhen.
DF: Genau. Das gab uns Freiraum, das Veloprojekt nochmals anzupacken.
DF: Wir verfolgten verschiedene Ideen. Markus interessierte sich stärker für das Thema Gepäcksystem, mich zog es eher zum Lastenvelo. So wurden aus den verschiedenen Ideen dann zwei Projekte.
MF: Ich hatte das Gefühl, dass es noch einen Plan B zu Nicolas Entwurf – dem heutigen Monopole-Bike – braucht. Das ist nun Flinc.
DF: 2021 ging aus der Lastenvelo-Weiterentwicklung das Monopole-Cargobike hervor. Dazu wurden ein Pinion-Getriebe und das modulare Antriebskonzept mit dem Elektromotor integriert. Unser langlebiges Stahlvelo funktioniert mit oder ohne Elektroantrieb – Motor und Batterie lassen sich bei Bedarf problemlos ein- oder ausbauen.
MF: Bei mir stand nicht die Veloneuerfindung im Vordergrund, sondern der Anspruch, eine bessere Lösung für den Gepäck-transport zu finden. Aufbauend auf dem klassischen Diamantrahmen entstand so das Flinc-Bike. Zusammen mit dem Zürcher Rahmenbauer Wim Kolb, dem Designer Sebastian Marbacher und dem deutschen Entwickler Thomas Dorsch reifte das Projekt dann weiter. Das Velo sollte möglichst kompakt sein, damit es in den ÖV passt oder auch einmal in einen Lift.
MF: Ja, fast. Faltvelos existieren aber bereits und müssen nicht mehr verbessert werden. Mit seiner Länge von 1,5 Metern lässt sich auch das Flinc immer noch gut im Zug mitnehmen.
DF: Die Monopole-Bikes werden in Frankreich hergestellt, die Komponenten stammen grösstenteils aus Europa.
MF: Rahmen und Komponenten von Flinc stammen aus Asien, lackiert werden die Rahmen in Deutschland, zusammengebaut werden die Velos in Tschechien.
DF: Dafür fehlt ein Vergleich. Aber für die Positionierung der Marke und die Wahrnehmung am Markt sind Auszeichnungen sicher nützlich. Dennoch war das Velojahr 2024 als Spätfolge der Pandemie bekanntlich für die ganze Velobranche eher schwierig.
MF: Unser Velo ist eher ein Citybike, das auch Cargo kann. Weil das Flinc klein und kompakt ist, lässt es sich auch gut als Stadtvelo nutzen. Wenn einmal etwas Grosses transportiert werden muss, lassen sich damit gut Lasten bis zu 22 Kilogramm transportieren. Die Käuferschaft ist bezüglich Aufteilung zwischen Frauen und Männern bis jetzt ausgeglichen. Das Monopole spricht wohl eher Männer an?
DF: Ja, etwas mehr Männer interessieren sich für das Monopole, das stimmt. Viele kommen von grösseren Lastenvelos her, benötigen diese aber nicht mehr. Da decken wir ein Bedürfnis ab. Das Toolbike eignet sich nicht nur für den urbanen Einsatz, sondern auch für eine Gravel-Tour mit Gepäck.
DF: Zürich ist natürlich nicht so gross wie etwa Paris, aber ich würde eine konsequentere Trennung von Velos und Autos begrüssen. Zudem ein tieferes Tempo auf der Strasse, sodass Velos und Autos eine ebenbürtige Geschwindigkeit haben.
MF: Autofahren sollte teurer werden. Wegen des Umweltaspektes – und mehr noch wegen der Sicherheit: Wenn es weniger Autos auf der Strasse hat, sind die Strassen sicherer. Mehr separate Velospuren finde ich ebenfalls eine gute Idee. Deshalb engagierte sich Freitag vor einigen Jahren auch für die Inititiative «Sichere Velorouten für Zürich». Beim ÖV gäbe es auch noch Potenzial: Die Veloplätze in der S-Bahn sind mal vorne, mal hinten am Zug, manchmal leer, manchmal voll. Das macht die Kombination von Velo und Zug mitunter schwierig.
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